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Grußwort von Günter Nooke anlässlich der Verleihung des Menschenrechtspreises der Stadt Weimar, 10.12.2006
Das Grußwort wurde im Namen von Günter Nooke, der nicht an der Verleihung teilnehmen konnte, verlesen
Es ist mir eine große Ehre, heute hier sein zu können und aus Anlass der Verleihung des Menschenrechtspreises der Stadt Weimar 2006 einige Worte an Sie richten zu dürfen.
Der Menschenrechtspreis der Stadt Weimar wird seit 1995 an Frauen und Männer verliehen, die sich weder durch Gewalt noch durch Verfolgung durch staatliche Organe oder durch vom Staat gedeckte Organisationen davon abhalten lassen, sich für die Menschenrechte in ihrer Heimat einzusetzen.
Das Auswärtige Amt und ich als Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung ganz besonders begrüßen und unterstützen diese Initiative sehr. Wenn wir unsere und die internationale Aufmerksamkeit auf Menschen richten, die aufgrund ihres Engagements für die Menschenrechte Repressalien ausgesetzt oder an Leib und Leben bedroht sind, kann für diese Menschen damit auch ein gewisser Schutz hergestellt werden, der eine fortgesetzte Verfolgung in ihren Heimatländern schwerer oder sogar unmöglich macht.
Gelegentlich kann das Auswärtige Amt auch einen bescheidenen aktiven Beitrag zur Unterstützung der Initiative leisten, zum Beispiel wenn es darum geht, den Kontakt mit den Preisträgern herzustellen oder ihnen bei der Einreise nach Deutschland behilflich zu sein.
Im konkreten Fall von Herrn Fariñas beziehungsweise seiner Mutter hat das leider nicht funktioniert. Die Kubanische Regierung hat – mit meiner Meinung nach ziemlich hanebüchenen Begründungen – beiden die Ausreise verweigert.
Sie sollten darin den Hinweis sehen, dass dieser Preis nicht nur im Auswärtigen Amt, sondern auch bei den Diktatoren in Kuba sehr ernst genommen wird.
Die Ehre, hier dabei zu sein, habe ich in diesem, meinem ersten Jahr als Menschenrechtsbeauftragter auch deshalb besonders gern angenommen, weil damit unsere Aufmerksamkeit bezogen auf Menschenrechtsverletzungen endlich wieder die ganze Insel und nicht nur Guantanamo Bay umfasst.
Lassen Sie mich ein paar allgemeine Anmerkungen zur Menschenrechtspolitik der Bundesregierung machen: Bundesminister Steinmeier hat in der Bundestagsdebatte am 30. November Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan mit folgenden Aussagen zitiert:
Ohne Sicherheit keine Entwicklung,
ohne Entwicklung keine Sicherheit
und weder Entwicklung noch Sicherheit ohne Beachtung der Menschenrechte.
An diesen einfach klingenden Zusammenhängen orientiert sich auch die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung. Wir setzen uns sowohl in unseren bilateralen Beziehungen als auch in den multilateralen Gremien wie dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf und natürlich auch in der Europäischen Union für die Förderung und die Verteidigung der Menschenrechte ein.
Menschenrechte sind universell und unteilbar. Das heißt auch: Menschenrechtsverletzungen lassen sich nicht mit Armut, der Abwehr äußerer oder innerer Feinde oder auch kulturellen Unterschieden rechtfertigen.
Menschenrechtsverletzungen müssen thematisiert und - möglichst auf der Grundlage des Dialogs - den jeweiligen Regierungen gegenüber angesprochen werden. Wo das nicht möglich ist, sind deutliche offene Worte auch der Bundesregierung angebracht, vor allem wenn es um schwerwiegende und systematische Menschenrechtsverletzungen geht.
Mit dem 1. Januar 2007 übernimmt Deutschland für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft in der EU und spielt dann auch eine wichtige Rolle bei der Formulierung und Umsetzung der Menschenrechtspolitik der Europäischen Union. Die Bedeutung der EU hat auch in diesem Politikbereich zugenommen. Heutzutage treten in der Regel nicht mehr einzelne EU-Staaten auf und monieren zum Beispiel die Menschenrechtslage in einem bestimmten Land, sondern die EU nimmt diese Aufgabe wahr, was dem Anliegen sehr viel mehr Gewicht verleiht. Ein Beispiel hierfür sind gemeinsame EU-Demarchen und die regelmäßigen Menschenrechtsdialoge, die die EU mit Ländern wie China und vielleicht bald auch mit Usbekistan führt.
Gerade diese Woche war ich wieder in Genf bei der Sitzung des Menschenrechtsrates. Je mehr sich der Menschenrechtsrat im Bewusstsein der Öffentlichkeit etabliert, desto kritischer wird er beurteilt und über ihn berichtet.
Wahr ist, dass sich der Rat zu oft mit dem Nahostkonflikt – und dies auch noch auf eine sehr tendenziöse Weise – befasst. Zutreffend ist auch, dass die menschenrechtsunfreundlichen Staaten in dem Gremium die Mehrheit bilden. Das sollte uns – und damit meine ich vor allem die EU aber auch andere Staaten, die gleiche Menschenrechtsstandards haben – aber nicht mutlos werden lassen. Wir müssen vielmehr unsere Anstrengungen verstärken, neue Verbündete suchen und auch als EU öfter –sagen wir mal in Form eines vielstimmigen Chors- in die gleiche Richtung argumentieren und unsere Standpunkte offensiv vertreten. Zur Zeit sind wir immer noch dabei, das Fundament zu bauen, auf dem die spätere inhaltliche Arbeit erfolgen soll. Wenn das nichts taugt, wird es schwierig werden.
Kuba hat im Mai dieses Jahres erfolgreich in der UN-Generalversammlung für den Menschenrechtsrat kandidiert und ist mit über zwei Drittel der Stimmen als eines von 47 Mitgliedern in dieses Gremium gewählt worden. Hier hat man wahrlich den Bock zum Gärtner gemacht. Das aus unserer Sicht nicht gerade hilfreiche Verhalten der kubanischen Delegation in den bisherigen Sitzungen bestätigt diese Einschätzung nur allzu gut.
Womit wir bei Kuba wären:
Die Situation der politischen und bürgerlichen Menschenrechte hat sich in Kuba in den vergangenen Jahren weiter verschlechtert. Die Zahl der politischen Gefangenen hat zugenommen (zur Zeit über 330 Personen); ihre Haftbedingungen und die mangelnde medizinische Versorgung sind besorgniserregend. Oppositionsgruppen können unter den repressiven Bedingungen kaum Rückhalt in der Bevölkerung suchen. Andersdenkende müssen jederzeit mit Verhaftungen und politisch motivierten Unrechtsprozessen rechnen. Eine unabhängige Justiz gibt es nicht. Besonders besorgniserregend ist das im Februar 1999 erlassene „Gesetz zum Schutz der nationalen Unabhängigkeit und der Wirtschaft Kubas“, das Grundlage für viele der Urteile gegen die im März 2003 verhafteten Dissidenten war. Formal richtet es sich insbesondere gegen die US-amerikanische Embargo-Gesetzgebung. Tatsächlich ist es jedoch ein Gesetz zur Unterdrückung von Regimekritik jeder Art, auch und insbesondere der Arbeit unabhängiger kubanischer Journalisten.
Schikane gegenüber denjenigen, die sich einen eigenen Kopf in der politischen Diskussion bewahren wollen, ist an der Tagesordnung. Selbst wenn die politische Situation Kubas heute anders ist als die der Staaten des ehemaligen Ostblocks vor 17 Jahren: die Situation der Menschenrechte, insbesondere die Situation der elementaren politischen Rechte wie Presse- und Meinungsfreiheit ist heute in Kuba ähnlich verheerend, wie viele der Anwesenden das aus der DDR noch kennen.
Die von der DDR geleistete Unterstützung beim Auf- und Ausbau der kubanischen Staatsicherheit ist übrigens ein weiteres unrühmliches Kapitel aus dieser Zeit des „real existierenden Sozialismus“. Hier ist den Verfassern einer entsprechenden Studie vom Forschungsverbund SED-Staat an der FU Berlin herzlich zu danken. Als Bundesregierung sind wir zwar nicht Rechtsnachfolger der DDR-Regierung, aber ich will hier ausdrücklich auch ein persönliches Wort des Bedauerns über diesen Teil deutsch-kubanischer Geschichte äußern und mich dafür entschuldigen. Das scheint mir auch besonders wichtig angesichts der lobenden Worte, die vor kurzem der russische Botschafter in der Bundesrepublik Vladimir Kotenev am Grab des für den Auslandsgeheimdienst zuständigen HVA-Chefs Markus Wolf fand.
Meinungs- und Pressefreiheit bestehen in Kuba nicht. Alle Medien sind staatlich gelenkt, werden zensiert, dienen der Durchsetzung staatlicher Ziele und machen damit öffentliche Systemkritik grundsätzlicher Art unmöglich. Besonders schwierig ist der Zugang und die Verbreitung von Informationen, da Internet und Telefone überwacht werden und im übrigen auch nur wenigen zur Verfügung stehen.
Es gibt eine Reihe von unabhängigen Journalisten, die versuchen, unzensierte Informationen über das Internet oder auf andere Art und Weise zu verbreiten. Von diesen Journalisten sind zur Zeit über 30 in Haft.
Unter diesen Umständen kommt dem Einsatz des diesjährigen Trägers des Menschenrechtspreises der Stadt Weimar, Herrn Guillermo Fariñas Hernández für die Presse- und Meinungsfreiheit in Kuba eine besondere Bedeutung zu. Ohne Rücksicht auf Leib und Leben hat er der Weltöffentlichkeit vor Augen geführt, auf welch erschreckende Weise der kubanische Staat noch heute seinen Bürgern die elementarsten Informationsrechte vorenthält.
Sein Einsatz für die Informationsfreiheit als Untergrundjournalist und Menschenrechtsverteidiger – in einem Land, das wie nur wenige die Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit systematisch unterdrückt - gebietet nicht nur Respekt. Er fordert uns alle auf - Regierungen wie Bürgerinnen und Bürger -, nicht nachzulassen in unserem eigenen Bemühen und Einsatz für die Menschenrechte weltweit.
Alle EU-Partner sind an einer friedlichen Veränderung in Kuba interessiert, damit dort endlich die Menschenrechte geachtet werden und das Kubanische Volk wirklich seine Freiheit erhält. Wenn dies hoffentlich bald Wirklichkeit wird, dann ist dies vor allem der Ernsthaftigkeit, Beharrlichkeit und Widerstandskraft von Menschen wie dem diesjährigen Träger des Menschenrechtspreises der Stadt Weimar, Herrn Guillermo Fariñas Hernández, zu verdanken.