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Staatsminister Gloser anlässlich der 3. ordentlichen Sitzung der Euromediterranen Parlamentarischen Versammlung, Tunis, 17. März 2007
--Es gilt das gesprochene Wort--
Ich freue mich sehr, für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft an der 3. ordentlichen Plenarsitzung der Euromediterranen Parlamentarierversammlung teilzunehmen und zu Ihnen zu sprechen. Mein Dank gilt Präsident Mebazaa und dem Gastgeber Tunesien für die Ausrichtung und Organisation der Versammlung hier in Tunis.
Als der Barcelona-Prozess Mitte der 90er Jahre aus der Taufe gehoben wurde, war er vor allem eine Angelegenheit der Regierungen. Inzwischen hat sich dies erfreulicherweise geändert. Er wird er mehr und mehr auch von den Zivilgesellschaften angenommen. In der Verankerung des Barcelona-Prozesses in der Bevölkerung liegt meines Erachtens eine große Chance für seinen Erfolg.
Dabei ist die parlamentarische Flankierung der euromediterranen Zusammenarbeit unersetzlich. Seit ihrer konstituierenden Sitzung in Athen im März 2004 wird der Barcelona-Prozess durch die Parlamentarische Versammlung – durch Sie, liebe Abgeordnete – unterstützt. Dadurch erhält die euromediterrane Zusammenarbeit regelmäßig neue Impulse. Sie verleihen dieser Zusammenarbeit zudem eine wichtige demokratische Legitimation.
Der Barcelona-Prozess wird in letzter Zeit häufig als zu schwerfällig kritisiert. Sicher, es geht nur langsam vorwärts. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass der Barcelona-Prozess in der euromediterranen Partnerschaft eine wichtige Aufgabe erfüllt. Von den Kritikern wird häufig verkannt, dass er allein nicht in der Lage sein kann, einen Frieden in der Region zu bewerkstelligen. Das ist auch nicht seine Aufgabe.
Worin liegen dann seine Aufgaben? Die Antwort steht in der „Erklärung von Barcelona“ von 1995 und im Arbeitsprogramm, das wir 2005 gemeinsam verabschiedet haben. Die Euromediterrane Partnerschaft soll einen Friedensprozess in der Region Nah- und Mittelost begleiten und das Leben nach Ende des Konflikts vorbereiten. Unsere Zusammenarbeit hat zudem das Ziel, die sozio-ökonomischen Entwicklungen in unseren Partnerländern zu unterstützen und einander anzunähern. Wichtige Sektorpolitiken wie Bildung, Gesundheit und Umweltschutz, die ein jedes Staatswesen prägen und die Befindlichkeit seiner Bevölkerung entscheidend beeinflussen, sollen vorangebracht werden.
Unsere Zusammenarbeit zielt außerdem darauf ab, gemeinsame Positionen zu globalen Herausforderungen wie Energiefragen, Handelsmodalitäten oder Verkehrsstrukturen zu definieren. Und wir setzen uns für die internationalen Standards bei Rechtssicherheit, Menschenrechten und Guter Regierungsführung ein.
Das ist nach wie vor eine ehrgeizige Agenda.
Auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt. Ich möchte Ihnen – in der gebotenen Kürze – fünf Themen der euromediterranen Zusammenarbeit erläutern, auf die wir in unserer Präsidentschaft einen besonderen Schwerpunkt legen.
Nennen möchte ich erstens die Stärkung des sozialen Dialogs in unserer Partnerschaft. Beschäftigungs- und sozialpolitische Themen wurden im EuroMed-Rahmen bisher kaum erörtert. Dabei kann der gemeinsame Raum von Sicherheit und Prosperität, zu dem der Barcelona-Prozess beitragen soll, ohne funktionierenden Sozialdialog und neue Arbeitsplätze nicht nachhaltig entstehen.
Wir haben deshalb gerade gestern in Berlin zu einer Konferenz mit Euromed Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden eingeladen, zu der auch verschiedene Arbeits-und Sozialminister aus Süd und Nord ihren Input eingebracht haben. Ich bin besonders stolz, dass es uns gelungen ist, Zivilgesellschaften und Regierungen zusammen zu bringen. Auf der Konferenz haben sie gemeinsam Möglichkeiten zur Förderung der interregionalen und subregionalen Kooperation besprochen und werden diese Diskussion – so hoffe ich – intensiv weiterführen.
Lassen Sie mich zweitens einige Worte zur Europäischen Nachbarschaftspolitik sagen. Wir wollen dieses Instrument stärken. Die Einbeziehung der östlichen Nachbarn der EU in ein gemeinsames Konzept für Süd und Ost führte unter einigen südlichen Partnern allerdings zu der Sorge, dass sich der europäische Blick verstärkt gen Osten richten wird und der Süden ins Hintertreffen geraten würde. Das ist aber keineswegs der Fall.
Ich will an dieser Stelle deutlich sagen: Wir wollen mit der ENP unsere Nachbarn enger miteinander verbinden, und wir wollen uns mit ihnen enger verbinden! Mit den Aktionsplänen kann die EU ganz individuell auf ein Nachbarland eingehen und es in seinen Reformanstrengungen konkret unterstützen. So wird unser Beziehungsgeflecht immer fester und belastbarer.
Dass wir ein solch festes Geflecht brauchen, um den globalen Herausforderungen zu begegnen, ist unbestritten. Denken Sie nur einmal an den Klimawandel. Erst letzte Woche gelang es uns, in der EU den verstärkten Einsatz von Erneuerbaren Energien als Ziel festzuschreiben. Wir alle aber wissen, dass die EU alleine den Klimawandel nicht aufhalten kann, dass wir alle an Bord brauchen. Deshalb richten wir nächsten Monat in Berlin eine Ministerkonferenz zu Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz aus – zusammen mit unseren östlichen und südlichen Nachbarn. Nur gemeinsam können wir dieses Problem bewältigen.
Erwähnen möchte ich drittens das Thema Migration. Das ist ein ganz wichtiges Feld unserer Zusammenarbeit. Uns allen stehen die Bilder der Flüchtlinge vor Augen, die zu Tausenden ihr Leben aufs Spiel setzen, um in oft seeuntüchtigen Booten über das Meer nach Europa zu gelangen. Und es ist absehbar, dass sich diese Entwicklung noch verstärken wird. Die Gefahr besteht, dass Migration zunehmend zu einem außen-und innenpolitisch destabilisierenden Faktor wird. Es ist daher nicht verwunderlich, das Migration in den Außenbeziehungen der EU eine immer bedeutendere Rolle spielt.
Der Dialog zwischen den Herkunfts-, Transit- und Zielländern der Migranten wird daher immer wichtiger. Meilensteine einer umfassenden und engen Kooperation zwischen Europa und Afrika waren die Konferenzen von Rabat und Tripolis zu Migration und Entwicklung im vergangenen Jahr. Hier ist es erstmals gelungen, gemeinsame Schwerpunkte und Grundprinzipien in der Migrationspolitik festzulegen.
Daher ist es sehr wichtig, dass Ende dieses Jahres die in der Gipfelerklärung von Barcelona verabredete Ministerkonferenz zur Migration stattfinden wird. Diese Konferenz bietet die Chance, im Euromed-Rahmen gemeinsam Prioritäten in der gegenseitigen Migrationspolitik festzulegen. Unter unserer Ratspräsidentschaft werden zwei Vorbereitungstreffen der Euromed-Senior-Officials stattfinden, das erste in 10 Tagen. Eine optimale Vorbereitung der Konferenz liegt uns sehr am Herzen. Denn ich hoffe, dass die Konferenz der Auftakt für eine erweiterte Zusammenarbeit im Bereich Migration auch im Euromed-Rahmen sein wird.
Viertens: Bildung. Wir werden uns immer stärker bewusst, wie wichtig der Zugang unserer Menschen zu Bildung ist. Das Thema hat sich von einem rein nationalen zu einem internationalen Thema entwickelt. In der heutigen Welt bestimmt der Faktor Bildung über die soziale, politische und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes und über das Leben des Einzelnen darin. Bildung gilt inzwischen als Formel, um die Zukunft in einer globalisierten Welt zu meistern.
Deshalb haben wir Bildung bereits im euromediterranen Arbeitsprogramm von 2005 als Schwerpunkt unsere weiteren Partnerschaft definiert. Die erste Ministerkonferenz zu Bildung und Wissenschaftlicher Forschung am 18. Juni in Ägypten ist der richtige Schritt, um in der Partnerschaft unserem Ziel „Bildung für alle“ entgegen zu gehen.
Schließlich möchte ich fünftens auf drei wichtige Veranstaltungen hinweisen, die wir noch im ersten Halbjahr 2007 im EuroMed-Format durchführen werden. Neben dem ersten EuroMediterranen Jugendparlament werden wir in Berlin eine EuroMed-Medienkonferenz und ein EuroMeSCo-Seminar (EuroMed Study Commission) zu Guter Regierungsführung, Reform und Menschenrechten veranstalten.
Insbesondere die Ausrichtung des Jugendparlaments macht mir große Hoffnung und ich freue mich darauf, dieses Pilotprojekt am 1. Juni persönlich zu eröffnen. Wir wissen doch: die Euromediterrane Partnerschaft darf keine Angelegenheit von Politikern, Beamten und Experten bleiben. Wir müssen die Menschen selbst erreichen, und zwar vor allem die der jungen Generation. Sie sind es, die schon bald unser Zusammenleben gestalten werden. Ich erhoffe mir, dass das EuroMediterrane Jugendparlament insoweit einen Impuls geben wird.
Was genau ist geplant? Unter dem Motto „Vielfalt. Dialog. Solidarität“ werden über 100 junge Menschen aus unseren Ländern zusammenkommen, um miteinander aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen zu diskutieren und Projekte der Zusammenarbeit vorzuschlagen. Sie sollen die Fragen kennenlernen, die für unsere gemeinsame Zukunft relevant sind, sie sollen demokratische Umgangsformen üben und sie sollen sich gegenseitig besser verstehen lernen. Vor allem aber hoffe ich, daß sie kulturelle Vielfalt als Bereicherung erfahren, und daß zwischen ihnen der Funke der Neugier und der Sympathie überspringt.
Neugier und Sympathie – diese Einstellung sollte auch uns Angehörige der älteren Generation an diesem Wochenende begleiten. Heute Nachmittag steht das Thema „Dialog zwischen den Kulturen“ auf der Tagesordnung, und mit Neugier und Sympathie für die andere Kultur sollten wir diesen Dialog führen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns fruchtbare Diskussionen, und vor allem: gute Ergebnisse.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.