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Rede von Bundesaußenminister Steinmeier bei der Deutsch-Mexikanischen Industrie- und Handelskammer in Mexiko-Stadt, 17.04.2007
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Karig,
meine Damen und Herren,
ich freue mich, heute bei Ihnen in Mexiko zu sein. Ich bin zum ersten Mal hier und erlebe ein Land, das wie viele andere in der Globalisierung rasant in Richtung Zukunft stürmt. Aber auch wir Deutsche profitieren von dem Aufschwung in vielen Teilen der Welt. Kein anderes EU-Land hat so hohe Wachstumsraten im Export mit den aufstrebenden Schwellenländern wie Deutschland.
Dass auch Mexiko zum wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland beiträgt, zeigt der Blick auf die Handelsbilanz zwischen unseren beiden Staaten. Von 2004 bis 2006 ist die Menge der Waren und Güter, die wir miteinander austauschen, um fast 50 Prozent gestiegen – von 6,5 auf 9,5 Milliarden. Nichts könnte atemberaubender beschreiben, welche Dynamik in unseren beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen steckt.
Und ich hoffe, dass wir in einigen Jahren sagen können: Dies war erst der Anfang. Denn das Potenzial unserer Wirtschaftsbeziehungen ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft, und ich finde sogar: Die Zukunftsaussichten für den Wirtschaftsaustausch zwischen uns sind verheißungsvoll. Mexiko hat allerbeste Chancen, in der globalen Wohlstandsliga noch weiter aufzusteigen. Derzeit hat sich Mexiko als größte Volkswirtschaft Lateinamerikas weltweit schon an die zwölfte Stelle bei der Wirtschaftsleistung wie beim Handelsvolumen vorgearbeitet. Und der britische „Economist“ bescheinigt Mexiko das Potenzial, in den nächsten Jahrzehnten zur fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt aufzusteigen.
Meine Botschaft ist: Die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft wollen die Chancen, die sich in Mexiko bieten, aktiv ergreifen – zum Wohl beider Seiten. Mexiko ist und bleibt für Deutschland und Europa ein Schlüsselpartner in der Region. Darum unterzeichne ich heute mit meiner mexikanischen Amtskollegin eine Gemeinsame Erklärung, die unsere Zusammenarbeit noch einmal erheblich intensivieren soll und ausdrücklich auch den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen umfasst.
Mexiko wird nach unserer Überzeugung auch zum globalen Partner für die Lösung entscheidender Zukunftsfragen. Deswegen haben wir Mexiko - gemeinsam mit China, Indien, Brasilien und Südafrika – als Teil der sogenannten Outreach-Gruppe zum G8-Gipfel nach Heiligendamm eingeladen. Wir wollen damit ein Signal setzen: Die drängenden Antworten auf die großen Herausforderungen der globalisierten Welt können wir nur gemeinsam geben. Es ist ein Leitmotiv unseres G8-Vorsitzes, die „neuen industrialisierten Länder“ zielgerichtet in diese Aufgaben einzubeziehen.
Wir wünschen uns, dass Mexiko zentrale Weltwirtschaftsfragen aktiv mitgestaltet, die wir als G8-Präsidentschaft unter dem Motto „Wachstum und Verantwortung“ vorantreiben wollen. Ich meine Fragen zur Investitionsfreiheit, zu gleichen Investitionsbedingungen und zur sozialen Verantwortung von Unternehmen; Fragen zur Förderung, aber auch dem effektiven Schutz von Innovationen. Gemeinsam voranbringen wollen wir die Themen Klimaschutz, Energieeffizienz und den verantwortungsvollen Umgang mit Rohstoffen, und nicht zuletzt auch die Stabilität der Finanzmärkte.
Zwei G8-Themen möchte ich besonders herausgreifen: Klimawandel und Energie.
Der Klimawandel ist eine ebensogroße Herausforderung wie Chance. Wir wissen, dass wir, wenn wir die Klimaerwärmung nicht drastisch abmildern, gigantische Probleme und Konflikte anhäufen werden: Flüchtlingsströme durch Naturkatastrophen und Wüstenbildung, aber auch Konflikte um Wasser und andere Ressourcen. Das alles würde nicht zuletzt auch das wirtschaftliche Wachstum erheblich beeinträchtigen. Die EU hat deshalb beschlossen, beim Strukturwandel hin zu mehr Energieeffizienz und weniger Ausstoß von Kohlendioxid zum Vorreiter zu werden. Die EU ist bereit, ihre Emissionen deutlich zu senken und dafür auch innenpolitische Konflikte auszuhalten. Um einen wirklichen Wandel herbeizuführen, müssen aber die übrigen Industrieländer und die großen neu industrialisierten Länder, zu denen Mexiko gehört, mitziehen. Mexiko gehört in puncto Umweltschutz zweifellos zu den am weitesten fortgeschrittenen Ländern dieser Gruppe. Ich hoffe, dass Mexiko diese Politik fortsetzt und bei der Klimakonferenz in Bali im Dezember die EU im Kampf gegen den Klimawandel unterstützt. Ich wünsche mir, dass Mexiko auch bei der G8-Außenministerkonferenz am 3. Dezember in Berlin eine aktive Rolle spielt. Wir wollen dort Wege finden, wie vorausschauende Außenpolitik zu einer sicheren und nachhaltigen Energieversorgung beitragen kann.
Das Thema erneuerbare Energien und Energieeffizienz bietet für Mexiko und Deutschland ganz erhebliche Chancen, die wir noch sehr viel besser nutzen sollten. Ich bin überzeugt: Die Zukunft von wirtschaftlichem Wachstum und Arbeitsplätzen liegt – nicht nur, aber auch - in den sogenannten „grünen“ Technologien. Hier entsteht ein Mehrwert durch Zusammenarbeit – für deutsche Unternehmen, die mit Technologie und Know-How führend sind, aber auch für die hiesige Wirtschaft. Mexiko hat dies zu unserer Freude erkannt: Das 2005 unterzeichnete bilaterale Memorandum of Understanding über die flexiblen Instrumente des Kyoto-Protokolls war das erste seiner Art.
Ich freue mich auch, dass ich Ihnen aus der Heimat gute Nachrichten mitbringen kann: Deutschland ist wieder auf klarem und robustem Wachstumskurs. Fünf Jahre harte Restrukturierungsarbeit, die politisch nicht einfach, aber notwendig war, zeigen Wirkung: Nach dem Export läuft jetzt bei uns auch wieder die Binnenkonjunktur, es wird lebhaft investiert, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Zahl der Arbeitsplätze steigt wieder. Meine Botschaft an die mexikanische Wirtschaft ist deshalb: Niemand redet mit Blick auf Deutschland mehr vom „kranken Mann Europas“, wie der „Economist“ vor 7 Jahren schrieb. Wir finden zu alter wirtschaftlicher Stärke zurück. Die Stimmung ist gut, und das Portemonnaie der Deutschen sitzt wieder etwas lockerer. Unser Land ist wieder ein gutes Pflaster für Geschäfte. Nutzen Sie diese Chancen, Sie sind herzlich willkommen!
Mehr als 940 Unternehmen aus Deutschland sind bislang in Mexiko engagiert und haben rund 100.000 Arbeitsplätze geschaffen. Damit wir in absehbarer Zeit auf das 1000. Unternehmen anstoßen können, habe ich eine Wirtschaftsdelegation mit Unternehmen aus der Bau- und Infrastrukturbauwirtschaft, Elektrotechnik und Energietechnologie und vielen anderen Bereichen mitgebracht, die ich hiermit nochmals herzlich begrüßen möchte. Ich hoffe, dass sich aus diesen Besuchen erfolgreiche Geschäftstätigkeit für beide Seiten entwickelt.
Enger zusammenrücken können wir übrigens nicht nur in Konferenzsälen wie hier, sondern auch durch eine bessere wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit. Wer im globalen Wettbewerb vorn sein will, muss in Forschung und Entwicklung investieren. Dabei können wir – das will ich hier anregen – noch sehr viel mehr miteinander tun. Deutschland und Mexiko können zum Beispiel als Partner bei gemeinsamen Anträgen im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU auftreten. Bei der Ausbildung von Ingenieuren tun wir schon viel gemeinsam: Seit 2002 studieren mexikanische Ingenieur-Studenten für ein Semester in Deutschland, inzwischen fast 200 pro Jahr.
Zum Schluss möchte ich noch den Blick auf ein Kapitel der deutsch-mexikanischen Wirtschaftsbeziehungen legen, das besonderen Respekt verdient. Ich erwähne das, weil sich viele deutsche Unternehmen in Mexiko in großem Maße zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für ihr Gastland bekennen. Sie tun dies mit freiwilligen Maßnahmen, über das unmittelbare Geschäft hinaus, zum Wohle der Menschen und der nachhaltigen Entwicklung Mexikos. Wir werden darüber ja gleich noch mehr hören. Hervorheben möchte ich aber schon jetzt die Arbeit der Kulturstiftung der deutschen Wirtschaft in Mexiko. Dieses Engagement für die Kultur ist beispielhaft und hat Maßstäbe gesetzt.
Für mich ist „Corporate Social Responsibility“ mehr als image-fördernde charity. CSR ist aus meiner Sicht eine langfristig angelegte Investition, die sich auszahlt. CSR wird zunehmend ein Faktor der Wettbewerbsfähigkeit auch auf den Auslandsmärkten - und damit ein attraktives „Exportprodukt“ für international tätige deutsche Unternehmen.
Deutsche Unternehmen, das ist meine Botschaft zum Schluss, haben Mexiko also eine Menge zu bieten. Mexikanische Unternehmen haben umgekehrt deutlich wachsenden Erfolg bei uns. Wir sind also auf dem richtigen Weg. Ich wünsche mir, dass wir auf diesem Weg weiter vorangehen und wirtschaftlich wie auch außenpolitisch gemeinsam und partnerschaftlich handeln. Juntos somos mejores! Muchas gracias!