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Rede von Günter Gloser, Staatsminister für Europa, anlässlich des Wirtschaftsforums des Ostseeratsgipfels in Riga, 04.06.2008
- Es gilt das gesprochene Wort -
Ich freue mich über die Gelegenheit, heute Morgen bei Ihrem Wirtschaftsforum zu sein und einige Worte an Sie richten zu können.
Erlauben Sie mir vorab die Bemerkung, dass es mir eine besondere Freude ist, wieder hier in Riga zu sein, wo ich in meiner Amtszeit als Staatsminister für Europa bereits fruchtbare politische Gespräche habe führen können.
Ich möchte dies auch als Ausdruck der besonderen Aufmerksamkeit verstanden wissen, die die Bundesregierung den Staaten des Baltikums und des Ostseeraums insgesamt entgegenbringt.
Die zahlreichen wechselseitigen Besuche von Regierungsmitgliedern aus Deutschland – insbesondere auch des Bundesaußenministers – in dieser Region wie auch umgekehrt in Deutschland sind ein zusätzlicher Beleg für die Intensivierung unserer Beziehungen. Hier haben wir deutliche Fortschritte erreicht.
Diese Fortschritte helfen uns, die erheblichen Herausforderungen zu bewältigen, vor denen wir heute in Europa stehen. So haben wir uns gerade in der letzten Woche im Kreise der EU-Mitgliedstaaten auf ein Mandat für die Verhandlungen für ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Russland verständigt.
Litauen hatte dabei im Vorfeld Anliegen vorgebracht. Ich glaube sagen zu können, dass unsere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren litauischen Freunden sehr geholfen hat, um diese Anliegen zu berücksichtigen und in einen tragfähigen Kompromiss einzubauen.
Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir auch beim wichtigen Thema Energieversorgung noch enger zusammenfinden.
Energieversorgung und Energiesicherheit gehören zu den essentiellen Zukunftsthemen für Europa.
Wir wissen: Europas Energiebedarf steigt und wird – trotz aller Fortschritte bei der Energieeffizienz – bis 2050 weiter steigen. Dieser zusätzliche Bedarf kann nicht durch erneuerbare Energien allein bereitgestellt werden, schon weil die verfügbaren Kapazitäten der Anlagenbauer nicht ausreichen.
Europa wird daher mittelfristig auf Gaslieferungen aus Russland angewiesen sein. Gas ist erheblich emissionsärmer als Kohle. Wenn wir unsere Emissionen senken wollen – und dazu sind wir durch die Klimaschutzziele sogar verpflichtet – müssen wir unseren Bedarf auch mit russischem Gas decken.
Die Planungen für neue Pipelines aus anderen Bezugsquellen – denken wir nur an das Nabucco-Projekt – sind noch nicht weit vorangeschritten. Auch wenn eine geringere Abhängigkeit von nur einem Lieferanten politisch wünschenswert wäre, müssen wir die (derzeitigen) Gegebenheiten anerkennen.
Ich weiß, dass die geplante Nord Stream Pipeline in einigen Staaten der Ostseeregion auf Vorbehalte stößt. Mir ist auch bewusst, dass dieses Projekt für viele Menschen in der Ostseeregion ein sensibles Thema darstellt.
Deswegen ist es aus meiner Sicht besonders wichtig, dass wir Politiker zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen. Ich möchte folgendes zu dem Thema sagen und vielleicht auch das ein oder andere Missverständnis ausräumen:
Die geplante Ostseepipeline soll einen zusätzlichen Transportweg für das westeuropäische Gaspipelinesystem darstellen und würde daher einen weiteren Beitrag zur Energieversorgung Westeuropas leisten.
Das ist auch der Grund, weshalb das Projekt mit der gemeinsamen Entscheidung des Europäischen Rats und des Europäischen Parlaments im September 2006 den Status eines „Transeuropäischen Netzwerks“ erhielt. Die Europäische Kommission setzt sich erheblich für die Pipeline ein.
Bei der Ostseepipeline handelt sich nicht um ein deutsch-russisches Projekt. Es wäre auch nicht richtig zu sagen, dass Deutschland in dieser Angelegenheit ein privilegierter Partner Russlands ist.
Das Projekt ist eine privatwirtschaftliche Initiative:
Die beiden großen deutschen Konsortialmitglieder EON-Ruhrgas und BASF-Wintershall sind zu 100 % Privatunternehmen. Selbst Gazprom als Mehrheitsaktionär befindet sich teilweise in privater Hand. Lediglich das niederländische Konsortialmitglied Gasunie ist ein Staatsbetrieb.
Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen: Deutschland nimmt die bestehenden rechtlichen Verpflichtungen zum Umweltschutz sehr ernst. Im Zusammenhang mit der Ostsee-Pipeline müssen diese Verpflichtungen – die unter anderem aus der Espoo-Konvention stammen – penibel eingehalten werden.
Dies dient dem Schutz der ökologisch sensiblen Ostsee. Darüber sind wir Ostseeanrainer uns alle einig. Das weiß auch das Nord Stream Konsortium.
Das bedeutet aber nicht von vornherein, dass die Umweltbilanz bei Verlegung der Pipeline auf dem Land – „on-shore“ – günstiger wäre. Im Gegenteil: die notwendigen Verdichterstationen würden erhebliche Emissionen verursachen. Allein der jährliche Energieverbrauch dieser Verdichterstationen wäre so hoch wie der Jahresenergieverbrauch von Estland! Das können wir nicht ernsthaft anstreben.
Es ist Sache des Konsortiums, die Umweltverträglichkeit seines Projekts nachzuweisen. Seien Sie versichert, dass auch in Deutschland die zuständigen Prüfungsbehörden die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den einschlägigen Rechtsvorschriften sorgfältig prüfen wird.
Die geplante Ostseepipeline ist nur eine – wenn auch wichtige – Facette des großen Themas Energiesicherheit, mit dem wir Europäer uns jetzt und in Zukunft beschäftigen müssen.
Ich begrüße die Themenwahl des Business Forums daher sehr und wünsche den Teilnehmern erfolgreiche Gespräche.