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Rede von Bundesminister Frank-Walter Steinmeier bei Verabschiedung Logistikbataillon 172 nach Afghanistan, Beelitz, 16.10.2008
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Soldatinnen und Soldaten des Logistikbataillons 172!
ich erinnere mich noch gut an das letzte Jahr. Im August habe ich Ihr Bataillon besucht. Ich erinnere mich an viele Gespräche, in denen Sie über Ihren Dienst in der Bundeswehr berichteten.
Vor allem: Wie Sie sich intensiv auf Auslandseinsätze vorbereiteten! Und dass es in Ihrem Bataillon eine große Bereitschaft gibt, sich – über Dienstgrade hinweg – freiwillig für solche Einsätze zu melden.
Liebe Soldatinnen und Soldaten,
was damals noch Theorie und sehr fern war – heute ist es sehr nah und real. Heute stehen Sie unmittelbar vor Ihrer Verlegung nach Afghanistan.
In wenigen Tagen werden Sie Ihren Dienst in Kundus und Faisabad antreten, in Masar-i-Scharif und in Kabul. Tausende Kilometer entfernt von Deutschland, entfernt von Ihren Familien, Lieben und Freunden werden Sie jeden Tag ihre Pflichten erfüllen – in einem fremden Land.
Das ist alles andere als selbstverständlich! Wer das tut, muss sehr gute Gründe haben. Und er muss wissen, wofür er es tut.
Liebe Soldatinnen und Soldaten,
Sie gehen nach Afghanistan im Namen unseres Landes. Sie gehen dorthin, weil sich die Bundesrepublik verpflichtet hat, diesem Land zu helfen, eine finstere Vergangenheit zu besiegen. Sie gehen dorthin, um zu helfen, dass dort ein dauerhafter Frieden entsteht, wo viele zu lange nur Krieg und Unrecht herrschten.
Sie gehen dorthin, um zu verhindern, dass Afghanistan wieder zu einer Brutstätte des internationalen Terrorismus wird – so wie in den Jahren vor den schrecklichen Anschlägen in New York im Jahre 2001, Anschläge die in den Bergen Afghanistans geplant und vorbereitet wurden.
Sie werden dort sein als Teil einer internationalen Truppe, die sich der Zukunft Afghanistans verpflichtet hat. Sie gehen dorthin, um für Sicherheit zu sorgen, ohne die der dringend erforderliche Wiederaufbau nicht möglich sein wird. – So wie umgekehrt ohne Erfolge beim Wiederaufbau auch keine Sicherheit zu erreichen sein wird.
Sie wissen um diese Gründe für Ihren Einsatz. Und Sie wissen, dass Ihr Land hinter Ihnen steht. Heute wurde im deutschen Bundestag über Ihren Einsatz debattiert. Er wird von einer großen Mehrheit unterstützt. Deshalb sage ich heute: Nehmen Sie dieses Zeichen der Unterstützung mit auf Ihren Weg!
Denn, liebe Soldatinnen und Soldaten, vor Ihnen liegt kein einfacher Dienst. Vor Ihnen liegt ein Einsatz, der mit Risiken und Gefahren verbunden ist.
Ich selbst war mehrfach in Afghanistan, war in Kundus und in Masar, habe dort mit Ihren Kameraden gesprochen. Ich habe gesehen, unter welch schwierigen Bedingungen sie ihren Dienst tun.
Ich habe aber auch gesehen, und das möchte ich Ihnen auch mit auf den Weg geben: Es ist ein Dienst, der Ihres Einsatzes wert ist! Es ist ein Dienst, der von allen unseren Partnern – vor Ort in Afghanistan und in der Welt – hoch geschätzt wird.
Sie werden gemeinsam mit zivilen Wiederaufbauhelfern, Soldatinnen und Soldaten anderer Nationen, mit Diplomaten und vor allem den Sicherheitskräften aus Afghanistan vor Ort zusammen arbeiten. Gemeinsam mit diesen werden sie diese große Anstrengung, dieses internationale Engagement für die Zukunft Afghanistans selbst mitgestalten.
Ich weiß aus Gesprächen vor Ort, und Umfragen bestätigen das: die Menschen in Afghanistan verbinden mit unserem Engagement sinnvolle und erfolgreiche Projekte in ihrer unmittelbaren Umgebung, in ihrem ganz alltäglichen Umfeld.
Ich finde, wir können heute mit einigem Stolz sagen, dass wir – bei allen Schwierigkeiten - viel in Afghanistan erreicht haben. In weiten Teilen des Landes herrscht mittlerweile Sicherheit. Der Wiederaufbau macht Fortschritte. Wir haben Straßen gebaut, über die das Land in weiten Teilen auch endlich versorgt werden kann.
Wir sorgen für Leben und Gesundheit der Menschen und vor allem der Kinder in Afghanistan. 80% der Bevölkerung verfügen wieder über ein Mindestmaß an medizinischer Versorgung.
Wir kurbeln die Entwicklung des Landes an. In 32.000 Dörfern Afghanistans haben wir Entwicklungsprojekte durchgeführt.
Und wir investieren in die Zukunft Afghanistans. Vor allem durch Bildung. Denn wir alle wissen doch: gegen Zukunftslosigkeit, aus der Intoleranz und Hass erst erwachsen, gibt es kein besseres Mittel als Bildung. Deswegen bauen wir Schulen auf, bilden Lehrer aus, 30.000 bisher. Heute gehen sieben Millionen Kinder zur Schule, davon 1/3 Mädchen.
Soldatinnen und Soldaten,
ohne die Anwesenheit der Bundeswehr wäre das nicht möglich. Das wissen die Menschen dort, das weiß die afghanische Regierung und sie würdigt Ihren Einsatz bei jedem meiner Besuche ganz ausdrücklich. Und das wissen auch die Menschen hier in Deutschland.
Denn unser Engagement in Afghanistan ist von einem Grundgedanken getragen: Die Afghanen selbst sollen nach nund nach in die Lage versetzt werden, ihr Land in Eigenverantwortung selbst zu regieren, selbst den Wiederaufbau ihres Landes zu leiten und selbst für ihre Sicherheit zu sorgen. Das ist der Grund unseres Einsatzes und dafür haben wir in diesem Jahr die Anstrengungen für den Wiederaufbau und zur Ausbildung der afghanischen Armee und Polizei nochmals deutlich gesteigert. Die Eröffnung eines neuen Ausbildungszentrums in Masar-i-Sharif vorgestern ist ein neuer Schritt auf diesem Weg und ich möchte auch an dieser Stelle unserern Ausbildern vor Ort von Herzen danken für ihre hervorragende Arbeit unter schwierigsten Bedingungen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
die Bundeswehr ist auch hier ein Eckpfeiler. Feldjäger bilden gemeinsam mit unseren Polizeitrainern die afghanische Polizei aus. Die Bundeswehr begleitet den Aufbau der afghanischen Armee im Norden des Landes. Der Deutsche Bundestag unterstützt uns und Sie dabei. Er hat die Obergrenze des Kontingentes auf 4.500 Soldatinnen und Soldaten erhöht. Damit wird die Bundeswehr besser auf neue Herausforderungen reagieren können.
Es ist noch ein langer und beschwerlicher Weg in Afghanistan hin zu einer stabilen Nation, zu einem Land, in dem alle Afghanen unter menschenwürdigen Bedingungen und in Sicherheit leben können. Sie werden deshalb auch die Ungeduld vieler Afghanen spüren. Die Unsicherheit ist noch groß. Das Land ist noch immer bitter arm. Die Entwicklung kommt den Menschen oft zu langsam vor. Die Fortschritte scheinen ihnen zu klein. Im Norden ist die Lage nicht leichter geworden; sie ist im Verhältnis zu Pakistan schwieriger geworden.
Sie stehen in den nächsten vier Monaten vor einer besonders schwierigen Herausforderung.
Ich weiß, dass Sie auf diese Herausforderung gut vorbereitet worden sind. Ich bin sicher, dass das 18. Einsatzkontingent dieser Aufgabe mit Bravour gerecht wird, ebenso wie Ihre Kameradinnen und Kameraden, die seit 2001 in Afghanistan ihre Pflicht erfüllt haben.
Ich weiß aber auch: trotz aller Vorbereitung, trotz aller Unterstützung und Wertschätzung hier und in Afghanistan: Das ist kein leichter Einsatz.
Nicht für Sie. Und nicht für Ihre Familien. Vier Monate der Trennung von Ihren Freunden und Verwandten, von Ihren Kindern und Partnern stehen vor Ihnen.
Lassen Sie mich deshalb allen hier anwesenden Angehörigen meinen besonderen Respekt und Dank zum Ausdruck bringen: Ihre Unterstützung, Ihre Liebe und Zuneigung sind der wichtigste Rückhalt.
Soldatinnen und Soldaten,
wir alle begleiten Sie auf Ihrem Einsatz. Sie dienen unserem Land in besonderer Weise. Dafür danke ich Ihnen im Namen der Bundesregierung. Und im Namen aller hier Anwesenden darf ich Ihnen versprechen: Wir werden Sie unterstützen, wo immer wir können.