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Rede von Bundesaußenminister Westerwelle vor der VN-Generalversammlung (25.09.10)
--es gilt das gesprochene Wort!--
Herr Präsident, Herr Generalsekretär, verehrte Kollegen, Exzellenzen, meine Damen und Herren,
es ist mir eine Ehre, heute zu Ihnen sprechen zu können.
Seit Gründung der Vereinten Nationen vor 65 Jahren hat sich die Welt dramatisch verändert.
Globaler Austausch an sich ist nicht neu. Neu ist die Geschwindigkeit, mit der Veränderungen unser aller Leben prägen. Nur wenn wir in den Vereinten Nationen handlungsfähig sind und bleiben, können wir die globalen Veränderungen gestalten.
Probleme der Sicherheit, der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Entwicklung werden wir nur lösen, wenn die Weltgemeinschaft zusammen steht.
Deutschland ist bereit, globale Verantwortung zu übernehmen, in dem Rahmen, den die Vereinten Nationen setzen. Deutsche Außenpolitik ist eingebettet in die Weltgemeinschaft.
In Europa hat ein Modell der Kooperation den Fluch der Konfrontation ersetzt, der über Jahrhunderte hinweg unseren Kontinent zerrissen hat. Die Europäische Union ist erfolgreich, weil sich in Europa alle Völker und Staaten auf gleicher Augenhöhe begegnen.
Auch in den Vereinten Nationen arbeiten größere und kleinere Nationen, reichere und ärmere, sehr mächtige und solche mit weniger Einfluss. Unsere Richtschnur auch für die Arbeit hier in den Vereinten Nationen ist die Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe, ist die Zusammenarbeit unter Gleichberechtigten.
Jedes Land schuldet jedem Land Respekt.
Herr Präsident,
deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik.
Deutschland bewirbt sich in diesem Herbst um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat, weil wir hier in ganz besonderer Weise gemeinsam für Frieden und Entwicklung arbeiten wollen.
Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. In der globalisierten Welt bedrohen die Folgen von Klimawandel, Armut und Unterentwicklung die Menschen ebenso wie Gewalt und Unterdrückung.
Herr Präsident,
Klimawandel betrifft uns alle und unmittelbar. Unzählige Menschen spüren schon jetzt die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Klimawandels hautnah.
Die pazifischen Inselstaaten haben zu Recht in ihrem Brief an den Sicherheitsrat eindringlich davor gewarnt, wie sehr der Klimawandel unser aller Sicherheit bedroht.
Für den Klimaschutz muss jeder etwas tun. In Deutschland haben wir gerade ein zukunftsweisendes Energiekonzept verabschiedet.
Bis zum Jahr 2050 werden wir den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf 80 Prozent steigern.
Und Deutschland sagt zu, die CO2-Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 um 40 % zu reduzieren. Bereits jetzt haben wir unsere CO2-Emissionen um fast 30 % gesenkt. Wir gehen beim Klimaschutz voran.
Wir helfen denen, die schon jetzt am stärksten unter dem Klimawandel leiden. Das Schicksal vor allem der kleinen Inselstaaten liegt uns am Herzen.
Wer den Klimawandel bekämpfen will, muss auf Innovation, neue Technologien und Austausch setzen. Von der Zusammenarbeit bei zukunftsweisenden Energien können entwickelte und sich entwickelnde Staaten gemeinsam profitieren. Deutschland wird mit seinen technologischen Fähigkeiten, etwa bei erneuerbaren Energien oder der Energieeffizienz, seinen Beitrag leisten.
So nutzen wir die Herausforderung des Klimaschutzes als Chance zu fairer Entwicklung und vertiefter Zusammenarbeit. Klimapolitik ist ein entscheidender Baustein einer Politik der nachhaltigen Entwicklung. Der Milleniumsgipfel hat uns den weiteren Weg für unsere Entwicklungspartnerschaft gewiesen.
Herr Präsident,
Bildung ist der Schlüssel für Entwicklung, Entwicklung braucht Bildung. Bildung schützt vor Diskriminierung und Unterdrückung. Bildung bekämpft Vorurteile und fördert damit den Frieden. Aber Bildung schafft auch Produkte und Märkte, Bildung ermöglicht Wohlstand.
Der wahre Reichtum vieler Nationen findet sich nicht mehr im Boden, sondern in den Köpfen. Bildung ist ein Menschenrecht.
Weil Bildung in der Welt von morgen über Erfolg oder Misserfolg von Gesellschaften entscheidet, ist Deutschland einer der größten Partner weltweit für das Lernen. Wer auf Bildung baut, baut der Jugend Brücken in die Zukunft.
Herr Präsident,
auch die Vereinten Nationen selbst müssen mit den Veränderungen in der Welt Schritt halten. Es entspricht nicht der Architektur unserer Welt von heute, wenn Afrika und Lateinamerika nicht dauerhaft im Sicherheitsrat vertreten sind. Auch Asien betrachtet sich zu Recht als unterrepräsentiert. Der gesamte Kontinent, nicht nur einzelne Staaten, entwickelt sich mit atemberaubender Geschwindigkeit.
Wir nehmen unsere Partnerschaften ernst, die alten wie die neuen. Auch Deutschland bleibt bereit, größere Verantwortung zu übernehmen.
Herr Präsident,
Abrüstung und nukleare Nichtverbreitung sind keine Themen der Vergangenheit, sondern Herausforderungen unserer Zeit. Abrüstung und nukleare Nichtverbreitung sind zwei Seiten derselben Medaille.
Wir müssen alles dafür tun, dass Massenvernichtungswaffen nicht zum Fluch der Globalisierung werden.
Anders als noch vor fünf Jahren war die Überprüfungskonferenz zum nuklearen Nichtverbreitungsvertrag in diesem Mai ein Erfolg. Wenn wir diesen Schwung gemeinsam nutzen, haben wir es in der Hand, dass aus diesem Jahrzehnt kein Jahrzehnt der Aufrüstung, sondern ein Jahrzehnt der Abrüstung wird.
Eine Welt ohne Atomwaffen ist eine langfristige Vision. Aber auch ein Marathonlauf beginnt mit dem ersten Schritt.
In die Abrüstungsdebatte ist Bewegung gekommen. Die am Mittwoch hier in New York gegründete Gruppe von Staaten, die Abrüstung und Rüstungskontrolle voranbringen wollen, steht nicht allein.
Über 10 Jahre lang hat sich die Abrüstungskonferenz in Genf nicht einmal auf eine Tagesordnung einigen können.
So werden wir unserer gemeinsamen Verantwortung nicht gerecht. Auf Einladung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen haben wir uns gestern getroffen, um den Stillstand der Genfer Abrüstungskonferenz zu überwinden.
Unsere Welt wird sicherer, wenn das umfassende Atom-Teststopp-Abkommen in Kraft tritt und die Produktion von spaltbarem Material beendet wird.
Herr Präsident,
deutsche Friedenspolitik steht für die friedliche Lösung regionaler Konflikte. Deutschland setzt sich mit ganzer Kraft für einen Erfolg der direkten Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern ein.
Auch in Zukunft stärken wir die Kräfte der Vernunft und des Ausgleichs.
An die Beteiligten appelliere ich, gerade in diesen für den Friedensprozess so entscheidenden Stunden, alles zu unterlassen, was den Weg zum Frieden verstellen kann.
Wir verurteilen jede Form von Gewalt, die doch nur darauf abzielt, die Friedensgespräche zu torpedieren, und gleichzeitig werben wir für die Verlängerung des Moratoriums beim Siedlungsbau.
Der Weg zum dauerhaften Frieden ist die Zwei-Staaten-Lösung mit Israel in Sicherheit und einem palästinensischen Staat in friedlicher Nachbarschaft.
Herr Präsident,
wie jede Nation hat selbstverständlich auch Iran das Recht auf die friedliche Nutzung der Kernenergie.
Doch die Führung in Teheran hat selbst Zweifel am zivilen Charakter ihres Atomprogramms gesät. Diese Zweifel kann Iran mit Offenheit und Transparenz ausräumen.
Wir bleiben zum Dialog bereit. Jetzt ist es an Iran, unsere ausgestreckte Hand zu ergreifen.
Herr Präsident,
die für 2012 geplante Konferenz zur Einrichtung einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten ist eine große Chance für Frieden und Sicherheit in dieser Region.
Deutschland wirbt dafür, dass alle Staaten der Region teilnehmen und die Konferenz ein Erfolg wird. Wir engagieren uns für einen atomwaffenfreien Nahen Osten.
Herr Präsident,
Deutschland ist einer der größten Unterstützer für ein friedliches und sicheres Afghanistan. Bis 2014 wollen wir die Sicherheitsverantwortung für ganz Afghanistan an die afghanische Regierung übergeben, so wie wir es in London und Kabul vereinbart haben.
Für Fortschritte in diesem von Krieg und Bürgerkrieg so lange geschundenen Land muss Gewalt wirksam unterbunden werden. Aber allein der Einsatz von Militär wird keine Lösung bringen. Wir setzen auf einen umfassenden Ansatz, vor allem auf eine politische Lösung.
Alle Beteiligten brauchen jetzt den Mut und die Kraft zur Aussöhnung.
Herr Präsident,
die deutsche Regierung hilft, wenn Menschen weltweit von Naturkatastrophen und Schicksalsschlägen betroffen sind.
Aber das Gewissen eines Landes findet man in den Herzen der Bürgerinnen und Bürger. Ich bin stolz, dass meine Landsleute großzügig helfen, wenn die Not am allergrößten ist.
Menschlichkeit und Solidarität gelten weltweit. Menschlichkeit und Solidarität unterscheiden nicht nach Hautfarbe oder Glauben.
Als der Tsunami die Küsten rings um den indischen Ozean verheerte, als in Haiti die Erde bebte und damit die Arbeit von Jahrzehnten vernichtete, oder gerade jetzt, wo die schrecklichen Überschwemmungen in Pakistan unfassbare Verwüstungen hinterlassen, haben wir Deutsche mit gefühlt und dann aus vollem Herzen mit geholfen.
Wir werden Pakistan in den kommenden Monaten und Jahren zur Seite stehen, damit das Land wirtschaftlich eine gute Zukunft hat.
Herr Präsident,
wir arbeiten in Sudan über das Referendum Anfang des kommenden Jahres hinaus an einer friedlichen Ordnung. Wir suchen Wege zu stabilen Verhältnissen in Jemen und engagieren uns ganz besonders in der Gruppe der Freunde Jemens. Mit großem Einsatz arbeiten wir an der Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika und für Frieden und Stabilität in Somalia.
Erfolge beim Wiederaufbau zerstörter Regionen kommen nicht über Nacht. Auch für Gesellschaften, die von Krieg und Bürgerkrieg gezeichnet sind, führt der Weg zu einem Leben in Würde über Aussöhnung und Frieden.
Wahren Frieden gibt es nur, wo Menschenrechte geachtet werden. Für uns sind Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, wie Meinungs- und Pressefreiheit, wie der Respekt vor den unveräußerlichen Menschenrechten unverzichtbar. Der Schutz der Menschenrechte bleibt eine Aufgabe für alle Gesellschaften.
Im Menschenbild der Vereinten Nationen bestimmen Frauen über ihr Leben selbst und über das Schicksal ihrer Länder mit.
Ethnische oder religiöse Minderheiten sind eine Bereicherung.
Deutschlands Leitbild ist eine Kultur der Toleranz.
Im Wettstreit um die besten Ideen gewinnen alle, in einem Kampf der Kulturen gibt es nur Verlierer.
Herr Präsident,
das geeinte Europa kann über den eigenen Kontinent hinaus viel leisten.
Deutschland setzt sich dafür ein, dass die Europäische Union zukünftig noch enger mit anderen Regionen in Lateinamerika, in Afrika, in Asien zusammenarbeitet und ihrer globalen Verantwortung gerecht wird.
Deutschland ist der drittgrößte Geber für die Entwicklungszusammenarbeit. Wir habendie Finanz- und Wirtschaftskrise weitestgehend überwunden, und wir sind mit robustem Wirtschaftswachstum auf gutem Kurs. Mit dieser starken Wirtschaft ist Deutschland auch ein starker Partner in der Welt.
Wenn alleStaaten, ob klein, ob groß, zusammen arbeiten, können wir die drängenden Herausforderungen dieser Welt meistern.
Auf Deutschland können Sie sich verlassen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.