Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts
Rede von Staatsminister Michael Georg Link beim 30. Forum Globale Fragen
-- Es gilt das gesprochene Wort --
Exzellenzen,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich begrüße Sie herzlich im Auswärtigen Amt.
Legitimität, Sicherheit, Verantwortung; diese drei Elemente sind wesentlich, wenn wir den Dialog über Fragen des Waffenhandels führen wollen. Gleichzeitig sind es auch Schlüsselworte, die den Diskurs im Abrüstungsbereich prägen. Beide Themen, Abrüstung und Exportkontrolle, jedes für sich genommen wichtig und immer wichtiger, sind in mehrfacher Weise miteinander verbunden und doch in ihren Ansätzen unterschiedlich.
Es freut mich deshalb umso mehr, dass dieses Forum Globale Fragen zum Thema Internationaler Waffenhandelsvertrag („Arms Trade Treaty“), ausgerichtet durch das Auswärtige Amt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Stiftung Friedensforschung diese Dualität aufgreift und den ATT-Prozess in einen breiteren Kontext stellt.
Die Verhandlungen hin zu einem Arms Trade Treaty, das heißt einem internationalen Vertrag zur Regulierung des weltweiten Waffenhandels, die im Juli diesen Jahres bei den Vereinten Nationen in New York stattfinden werden, sind in mehrfacher Hinsicht innovativ und wegweisend. Sollte es der internationalen Staatengemeinschaft – unter fortgesetzter tatkräftiger Mithilfe der Zivilgesellschaft - gelingen, ein derartiges Vertragswerk auszuarbeiten, dann, so bin ich überzeugt, wird das Jahr 2012 als Meilenstein in die Geschichte der Bereiche Abrüstung und Exportkontrolle eingehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Welche Bedeutung hat ein internationaler Waffenhandelsvertrag, wie ordnet er sich ein?
Einerseits haben Rüstungsgüter, anders als andere Waren besondere Eigenschaften, die sie potentiell zu gefährlichen Instrumenten machen, zum anderen bergen Rüstungsgüter bei unkontrollierter Verbreitung und Anhäufung ein erhebliches destabilisierendes Potential. Schließlich sind Rüstungsgüter, sofern sie legitim eingesetzt werden, essentiell für die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols und des in der Charta der Vereinten Nationen garantierten Selbstverteidigungsrechts.
Wenn es aber legitime Verwendungszwecke für Rüstungsgüter gibt, dann ist es folgerichtig, auf den verantwortungsvollen Umgang mit Rüstungsgütern abzustellen. Es geht zunächst nicht um ein Verbot oder eine Begrenzung des Handels mit Rüstungsgütern per se. Dies bedeutet gleichzeitig, dass es sich bei einem Waffenhandelsvertrag in erster Linie um einen regulierenden Vertrag handelt und nicht um einen Verbotsvertrag. Diese Abgrenzung gegenüber bisher bestehenden regionalen und internationalen Abkommen und Absprachen im Bereich Rüstungskontrolle und Abrüstung erscheint mir von großer Bedeutung.
Die Herausforderung während der Verhandlungen in New York im Juli diesen Jahres besteht somit darin, die grundsätzliche Freiheit des Handels, die vielschichtigen Sicherheitsbedürfnisse der Staaten sowie die notwendige Verantwortung im Umgang, insbesondere beim Handel, mit Rüstungsgütern in einem Dokument allgemeingültig und verbindlich zusammenzufassen.
Mit einem derartigen Verständnis ordnet sich ein internationaler Waffenhandelsvertrag in die bestehende Friedens- und Rüstungskontrollagenda eindeutig ein, ist aber gleichzeitig doch ein Projekt sui generis. Die Bundesregierung schöpft dabei einerseits aus den Erfahrungen mit der langjährig bewährten nationalen Exportkontrolle, den bestehenden Regelungen und Mechanismen auf europäischer Ebene, insbesondere dem Gemeinsamen Standpunkt betreffend Rüstungsgüterausfuhren aus dem Jahr 2008 sowie den Diskussionen in den Exportkontrollregimen, insbesondere im Wassenaar Arrangement. Andererseits fließen die jahrelangen Erfahrungen aus dem Kontext der Vereinten Nationen, u.a. mit dem Kleinwaffenaktionsprogramm, dem UNO-Waffenregister aber auch die Erfahrung mit den bislang ausbleibenden Fortschritte bei den seit 15 Jahren andauernden Abrüstungsgesprächen in Genf in dieses Projekt mit ein.
Warum bemühen wir uns seit mehr als fünf Jahren im Rahmen der Vereinten Nationen um einen internationalen Waffenhandelsvertrag?
Fest steht: Das Fehlen internationaler Standards für den Handel mit konventionellen Rüstungsgütern hat weitreichende negative Konsequenzen.
Die Folgen von nicht oder nur rudimentär vorhandenen Exportkontrollsystemen vieler Staaten im Bereich der Rüstungsgüter und hier insbesondere bei den kleinen und leichten Waffen sind ausufernde illegale Waffenmärkte und Waffenmissbrauch in Konflikten. Rüstungsgüter und wiederum insbesondere kleine und leichte Waffen werden massenweise zur Begehung von schweren Menschenrechtsverletzungen missbraucht. Die dramatische Lage der Zivilbevölkerung und unzähligen Opfer in Bürgerkriegen sind ein mahnender Appell an die Weltgemeinschaft für mehr Kontrolle.
Vor diesem Hintergrund kann eine Regulierung des internationalen Waffenhandels, wenn Sie flächendeckend vereinbart und auch angewandt wird, zur Verhütung bewaffneter Konflikte, zur Begrenzung transnationaler organisierter Kriminalität und von Terrorismus beitragen.
Darüber hinaus bedeutet die Regulierung des Handels mit Waffen auch, dass langfristig die Chancen steigen, den illegalen Markt für Rüstungsgüter aller Art auszutrocknen oder doch zumindest zu beschneiden und den verantwortungslosen Handel zu begrenzen.
Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Mit einem internationalen Waffenhandelsvertrag sollen erstmals auf hohem Niveau, global und rechtlich bindende Standards für den internationalen Waffenhandel geschaffen werden.
Ziel der Bundesregierung ist es - und von dieser Maxime werden wir uns während der anstehenden Verhandlungen leiten lassen - mit einem Arms Trade Treaty einen substanziellen Beitrag für Frieden und Sicherheit sowie regionale Stabilität und die Gewährleistung einer nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung zu leisten. Dieses Ziel wird für die Bundesregierung Richtschnur während der Verhandlungen und Messlatte für ihre Zustimmung zu einem derartigen Vertrag sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Mit der Staatenkonferenz im Juli 2012 zur Erarbeitung eines internationalen Waffenhandelsvertrages kulminiert ein Prozess, der vor ca. zehn Jahren von der Zivilgesellschaft angestoßen wurde und seit 2006 im Rahmen der Vereinten Nationen geführt wird und den Deutschland in allen Phasen sehr aktiv begleitet hat.
An dieser Stelle möchte ich den zahlreichen Nichtregierungsorganisationen und auch den Wirtschaftsverbänden für Ihre tatkräftige Mitwirkung meinen Dank aussprechen.
Ein Vorbereitungsausschuss hat seit 2010 die inhaltlichen und formalen Grundsteine für die Verhandlungen zu einem ATT gelegt. Ich möchte dem Vorsitzenden des Vorbereitungsausschusses und designierten Präsidenten der Konferenz, Botschafter Roberto Garcia Moritan, für seinen unermüdlichen Einsatz danken. Für den Arms Trade Treaty hat er in den letzten beiden Jahren sicherlich bereits mehrfach die Erde umrundet und dabei versucht, die Elemente herauszuarbeiten, die diesen Vertrag ausmachen könnten.
Wie tragfähig die vom Vorbereitungsausschuss gelegten Fundamente sind, dies wird sich während der Staatenkonferenz beweisen müssen. Bereits jetzt ist klar: Die Verhandlungen werden schwierig werden. Das Meinungsspektrum innerhalb der Staatengemeinschaft ist groß und die Vorstellungen über den Geltungsbereich des Vertrages, die Kriterien für die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen und die Umsetzung eines Arms Trade Treaty durch die zukünftigen Vertragstaaten sind auch weiterhin vielfältig und zum Teil kontrovers. Dennoch, es hat sich gezeigt, dass es eine gemeinsame Basis für die Verhandlungen gibt.
Welche Elemente soll ein internationaler Waffenhandelsvertrag beinhalten?
Die Bundesregierung leitet Ihre Vorstellungen für einen zukünftigen Vertrag aus den Erfahrungen bei der Umsetzung nationaler und europäischer Regelungen zur Exportkontrolle ab: dazu zählen die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgüter aus dem Jahr 2000 und der bereits erwähnte Gemeinsame Standpunkt des Rates der EU betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern aus dem Jahr 2008. Beide Instrumente haben sich bewährt. Wir wollen sie anderen Staaten nicht gegen ihren Willen aufnötigen, sondern diese überzeugen, dass ihr Kerngehalt eine Verankerung auf globaler Ebene verdient.
Ohne an dieser Stelle der Diskussion des zweiten Panels vorzugreifen, orientiert sich die Bundesregierung während der Verhandlungen an folgenden Leitideen. Ein ATT muss:
- robust, anwendbar und wirksam,
- umfassend und rechtlich verbindlich sowie
- geprägt durch hohe Standards für Ausfuhrgenehmigungs-Entscheidungen sein.
Unter Rückgriff auf die von mir eingangs erwähnte Trias aus Legitimität, Sicherheit und Verantwortung möchte ich festhalten, dass ein ATT nur dann einen Mehrwert liefern kann, wenn Staaten bei Ausfuhrentscheidungen angehalten werden, diese auf den Prüfstand eines klaren und anspruchsvollen Kriterienkataloges mit höchstmöglichen Mindeststandards zu stellen. Zu einem derartigen Kriterienkatalog zählt unbedingt auch die Beachtung von Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts! Wichtig sind aber auch die Bewahrung der regionalen Stabilität und die Berücksichtigung der inneren Lage im Empfängerland. Nur so können wir ein Mehr an Verantwortung erreichen.
Umfassend muss ein ATT in mehrfacher Hinsicht sein: sowohl in Bezug auf den Güterkreis und die erfassten Aktivitäten als auch auf den Kreis der Zeichnerstaaten. Ein ATT sollte sich nach Vorstellung der Bundesregierung auf sämtliche konventionellen Rüstungsgüter erstrecken, insbesondere auch auf Kleine und Leichte Waffen sowie Munition und ein breites Spektrum an Aktivitäten wie Export, Re-Export, Import und Transit umfassen. Die breite Unterstützung für einen ATT durch die Unterschrift möglichst vieler Staaten und die rechtliche Bindungswirkung wird ihm zur notwendigen Legitimität verhelfen. Gleichzeitig kann ein ATT nur gelingen, wenn im weltweiten Kontext Exporteure und Importeure gleichermaßen Verpflichtungen eingehen und dann auch erfüllen.
Eine weitere Priorität beim ATT ist für Deutschland ein wirksames System zur Endverbleibssicherung sowie ein nach Transferarten differenziertes, nationales Kontrollsystem.
Schließlich ist es, nicht nur für entwickelte Industrienationen, sondern insbesondere für die Staaten, die bisher kaum oder keine Transferkontrollen durchführen, enorm wichtig, dass ein ATT anwendbar bleibt. Das bedeutet, dass der bürokratische Aufwand für die Vertragsumsetzung und Vertragsanwendung beherrschbar bleibt. Dies trifft sowohl auf Regierungen als auch auf Unternehmen zu. Nur durch gezielte und risikoorientierte Kontrollen ist angesichts knapper personeller Ressourcen ein Mehr an Sicherheit mit vertretbarem Aufwand umsetzbar.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Ich möchte meine Ausführungen schließen mit einem Dank an die Organisatoren und Kooperationspartner dieser Veranstaltung sowie an die Panelisten und Moderatoren. Diese Veranstaltung bietet ein Forum für alle ATT Interessierten und ist Teil der Vorbereitungen der Bundesregierung auf die anstehenden Verhandlungen. Ich kann Sie nur ermuntern, diese Gelegenheit zu nutzen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!