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Lage in Syrien: „Den Flüchtlingen dort vor Ort helfen“ (Menschenrechtsbeauftragter in SWR2)

06.08.2012 - Interview

Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, gab dem Südwestrundfunk am 6. August 2012 ein Interview zur Lage der syrischen Flüchtlinge. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Uwe Lueb.

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SWR2: Der Konflikt in Syrien eskaliert weiter. Immer mehr Menschen geraten zwischen die Fronten und verlassen das Land. Wie dramatisch ist die Lage der Flüchtlinge tatsächlich?

Menschenrechtsbeauftragter Löning: Die Lage ist sehr dramatisch. Wir haben ja Bilder gesehen von den Flüchtlingen, die sich im Libanon oder in Jordanien befinden und es gibt keine Bilder von den Flüchtlingen, die im Land selber ihre Häuser verlassen müssen. Die Berichte sind sehr beunruhigend. Ich habe selbst mit Leuten gesprochen, die mir ihre Odyssee geschildert haben, wie sie in Homs gewesen sind, Homs verlassen mussten, nach Aleppo geflüchtet sind, von Aleppo wieder weiter flüchten mussten und dann letztlich die Grenze überquert haben. Also, das sind schlimme Geschichten die man dort hört, es ist eine schlimme Situation für die Menschen und ich kann nur noch einmal an Präsident Assad appellieren an die Menschen zu denken und mit der Gewalt sofort aufzuhören, denn es geht um die Menschen, es geht um die Syrierinnen und Syrer, die dort wirklich Schlimmes zu erleiden haben.

Es gibt Berichte über Flüchtlinge, die in Oberklasse-Limousinen und mit viel Geld über die Grenze kommen. Reiche können sich eher helfen als Arme. Wie ist die Lage der Menschen in Syrien, die nicht fliehen können, weil sie zu alt sind, zu krank sind, weil ihnen das Geld fehlt?

Ich habe diese Berichte auch gehört über reiche Leute, die jetzt ihr Land verlassen mussten und jetzt, zum Beispiel, im Libanon eine Wohnung gemietet oder eine Wohnung gekauft haben. Auch das sind Flüchtlinge letzten Endes, auch wenn sie Geld haben und natürlich für sich selber aufkommen. Die brauchen unsere Hilfe nicht. Unsere Hilfe brauchen die Leute, die eben alles hinter sich lassen mussten. Ich habe, zum Beispiel, mit einem jungen Mann geredet, der mir geschildert hat, dass er eben seine Familie zurücklassen musste, zum Teil, um fliehen zu können, dass seine Eltern noch in dem Haus, in dem er groß geworden ist, dass sie immer noch dort sind. Und er musste das Haus verlassen, er musste das Land verlassen, er sagte, ich sitze jetzt hier in der Wüste und habe nichts außer einer Matratze und einer Decke. Es sind schon erschütternde Sachen, die man dort hört.

Nun fordern die Grünen von der Bundesregierung, Syrien-Flüchtlingen zu helfen, sowohl durch Hilfe für die Nachbarländer Syriens als auch dadurch, dass Deutschland unbürokratisch selbst Flüchtlinge aufnimmt. Werden Sie das der Bundesregierung so vorschlagen?

Das ist nicht der richtige Moment, um darüber zu diskutieren, sondern im Moment geht es zunächst mal darum, den Flüchtlingen dort vor Ort zu helfen, sowohl im Libanon also auch in Jordanien. Aber wir müssen natürlich auch schauen, dass wir den Leuten in Syrien selbst nach Möglichkeit helfen können. Das versuchen wir zurzeit. Die Leute wollen dort nicht weg, weil sie natürlich die Hoffnung haben, dass die Kämpfe bald vorbei sind und dass sie wieder nach Hause können. Darüber zu diskutieren, ob die Leute nach Deutschland kommen, ist einfach völlig fehl am Platze zurzeit.

Unionsfraktionschef Kauder sagte, die Regierung prüfe, wie man - Zitat „zumindest den Christen helfen“ könne, die aus Syrien geflohen sind. Halten Sie das für vertretbar, Hilfe nach Religionszugehörigkeit anzubieten?

Nein, humanitäre Hilfe geht völlig unabhängig davon, was es für Leute sind. Ich halte es auch für einen Fehler, jetzt dort etwas Religiöses hinein zu interpretieren, wo man zurzeit nichts Religiöses sieht. Wir sollten nichts herbeireden, was wir im Moment so nicht sehen können. Den Menschen muss geholfen werden, egal, welche Religion sie haben oder ob sie keiner Religion sind. Wer den Kindern und den Frauen - darum geht es nämlich, es sind vor allem Kinder und Frauen, die betroffen sind - wer denen in die Augen geguckt hat, der kann doch nicht sagen, dir gebe ich, weil du Christ bist und deinem Nachbarn gebe ich nicht, das finde ich eine falsche Debatte.

Also, eine ganz klare Absage an die Äußerung Herrn Kauders?

Richtig.

Die Flüchtlingsströme aus Syrien werden vermutlich noch stärker. Die Kämpfe zwischen Truppen von Machthaber Assad und seinen Gegnern eskalieren weiter. Die United Nations Organization steht als zahnloser Tiger daneben. Ist das hinnehmbar, oder muss die Mehrheit in der UNO nicht endlich handeln. Vielleicht müssen ja Obama, Merkel, Hollande, Cameron gemeinsam zu Russlands Präsident Putin reisen und ihn zu überzeugen zu versuchen?

Das ist im Moment das Problem und Kofi Annan hat das mit seinem Rücktritt als Sondergesandter ja auch sehr klar gemacht. Er hat keinen Erfolg erzielen können, weil die Weltgemeinschaft nicht geschlossen hinter ihm steht. Und gemeint sind in diesem Fall vor allem Russland und China. Das sind die beiden großen Länder, die endlich sich bewegen müssen in dieser Frage. Es ist mir völlig unverständlich, wie die russische Regierung der syrischen Regierung jetzt auch noch Hilfe zur Verfügung stellen kann. Es muss mit dem Blutvergießen Schluss gemacht werden. Und das wird nur gelingen, wenn alle gemeinsam auf Präsident Assad und sein Regime Druck ausüben, wenn dafür gesorgt wird, dass er zurücktritt und den Weg frei macht für eine politische Lösung in Syrien. Dazu gehört die Geschlossenheit der Weltgemeinschaft, die wir, im Moment, leider nicht haben.

Wäre es denn vielleicht eine Möglichkeit, dass Obama, Hollande, Merkel, Cameron gemeinsam zu Herrn Putin reisen?

Nun, es sind ja unendlich viele Anstrengungen gemacht worden in den letzten Wochen und Monaten. Und ich bin mir sicher, dass jede weitere Anstrengung, wenn sie denn erfolgsversprechend ist, auch gemacht werden wird. Die Bundeskanzlerin hat sich sehr eingesetzt, der Außenminister hat sich sehr eingesetzt, dass diese Geschlossenheit der Weltgemeinschaft endlich hergestellt wird. Und auch Präsident Hollande und Präsident Obama haben sie ja eingesetzt. Also, ich denke, dass die genannten Damen und Herren alles tun werden, was nötig ist, um endlich dort eine politische Lösung erreichen zu können.

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