Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts
Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 14.04.2025
Teilnahme der Bundesaußenministerin an der Konferenz zur Lage in Sudan
Tittel (AA)
Guten Morgen! Außenministerin Baerbock reist morgen nach London, um an einer Konferenz zur Lage in Sudan teilzunehmen. Am 15. April jährt sich der Kriegsausbruch in Sudan zum zweiten Mal. Deutschland richtet die Konferenz gemeinsam mit Großbritannien, Frankreich, der EU und der Afrikanischen Union aus. Wir bringen in London die Vertreterinnen und Vertreter von 17 Ländern und fünf multilateralen Organisationen zusammen.
Allein diese Dimension zeigt, wie komplex dieser Konflikt ist und wie wichtig es ist, mit den wichtigsten Akteuren daran zu arbeiten, Fortschritte zu erzielen. Wie dringend das ist, haben die schockierenden Berichte von Angriffen auf das Flüchtlingslager El Fasher kürzlich erst gezeigt.
Für die Konferenz konzentrieren wir uns auf zwei Bereiche:
Erstens wollen wir die humanitäre Lage und den Schutz der Menschen verbessern. Dazu gehört, dass unsere humanitären Partner endlich besseren Zugang zu den Notleidenden erhalten. Die Konfliktparteien stehen in der Verantwortung, dies sicherzustellen, anstatt die Zugänge weiter zu behindern. Auch die Finanzierung der humanitären Hilfe für Sudan wollen wir auf solide Füße stellen.
Zweitens wollen wir den Weg zu einem tragfähigen politischen Prozess ebnen, damit dieser schreckliche Konflikt endlich zu einem Ende kommt. Dazu müssen wir die internationalen Friedensbemühungen besser koordinieren.
Sudan braucht dringend eine Rückkehr zum zivilen Transitionsprozess, und wir unterstützen die EU darin, diesen Prozess voranzubringen. Neben Vertreterinnen und Vertretern der EU und der Afrikanischen Union nehmen auch Vertreterinnen und Vertreter der UN, der Arabischen Liga und der Organisation IGAD teil.
Frage
In welchem Umfang wird die Bundesregierung die humanitäre Hilfe für Sudan erhöhen, nachdem sie ja für den laufenden Haushalt halbiert wurde und die Amerikaner nicht mehr mitmachen? Was ist da zu erwarten?
Tittel (AA)
Es ist klar, dass die humanitären Bedarfe in Sudan enorm sind. Deswegen hat Deutschland 2024 325 Millionen Euro bereitgestellt, um die Menschen, die unter diesem Krieg leiden, zu unterstützen. Der Krieg endet nicht im Haushaltsjahr. Deswegen müssen wir natürlich auch darüber sprechen, wer welchen Betrag leisten kann, damit unsere humanitären Partner weiter in der Lage sind, lebensrettende Hilfe zu leisten.
Sudan bleibt 2025 humanitäre Priorität für Deutschland. Unsere Unterstützung geht weiter, auch unter den Vorgaben der vorläufigen Haushaltsführung. Wir analysieren fortlaufend die Bedarfe und richten unsere Unterstützung danach aus.
Zusatzfrage
Können Sie da ein bisschen konkreter werden? Was ist denn Ihre Zielmarke? Wie viel Geld wollen Sie für den Sudan aufwenden?
Tittel (AA)
Da kann ich jetzt noch keine konkrete Summe ankündigen. Wie gesagt, wir schauen weiter auf Sudan, aber wir befinden uns in der vorläufigen Haushaltsführung.
Vorsitzende Wefers
Will das BMZ vielleicht ergänzen?
Hebestreit (BReg)
Wir befinden uns ja in den letzten Wochen dieser Regierung. Die künftige Regierung wird dann die Haushaltsaufstellung für 2025 übernehmen müssen und sie mit ihren Prioritäten abgleichen. Insofern ist alles, was wir jetzt tun, verfahrenstechnisch sinnvoll. Aber ich glaube nicht, dass wir hier Zielmarken nennen können, die dann erfüllt werden müssen ‑ auch wenn ich Ihr Interesse verstehe. Das muss man dann der künftigen Bundesregierung überlassen.
Koufen (BMZ)
Ich kann sagen, dass wir im vergangenen Jahr das Land mit 80 Millionen Euro regierungsfern unterstützt haben, aber für das kommende Jahr kann ich auch keine Zielmarke nennen.
Frage
Frau Tittel, meine Frage geht in eine ähnliche Richtung. Können Sie einmal etwas zum Charakter dieser Konferenz sagen? Ist das mittlerweile so eine Art Pledging-Konferenz geworden, wo finanzielle Zusagen von den Organisatoren erwartet werden, und wer ist nicht eingeladen? Sitzen zum Beispiel die Bürgerkriegsparteien mit am Tisch oder nicht?
Tittel (AA)
Die Konfliktparteien sind nach wie vor nicht bereit, sich an einen Tisch zu setzen und über einen Waffenstillstand zu verhandeln. In London werden die wichtigsten Staaten und Organisationen vertreten sein, die Einfluss auf die Konfliktparteien haben. Wir wollen die internationalen Vermittlungsbemühungen stärker koordinieren, mit einer Stimme sprechen und so den Druck auf die Konfliktparteien erhöhen, ernsthaften Verhandlungen dann auch zuzustimmen.
Der Krieg im Sudan passiert nicht im luftleeren Raum. Es gibt ganz viele Akteure mit unterschiedlichen Positionen. Und solange die beiden Konfliktparteien denken, sie können diesen Krieg militärisch für sich entscheiden, wird sich die Situation kaum verbessern.
Was den humanitären Teil angeht, das müsste ich Ihnen die Antwort nachliefern.
Zusatzfrage
Wollen Sie nachliefern, ob das eine Pledging-Konferenz ist? Denn das ist ja für die Erwartungshaltung an die Konferenz wichtig.
Tittel (AA)
Das Treffen schließt an ein Gesprächsformat in Paris vom letzten April an und an weitere Gespräche in New York. Ich denke, das Pledging steht nicht im Vordergrund, sondern mehr die Koordinierung. Aber ich kann dazu gerne etwas nachliefern.
Koufen (BMZ)
Ich könnte hier ergänzen: Es ist keine Pledging-Konferenz.
Rüstungslieferungen an die Ukraine
Frage
Eine Frage an den Regierungssprecher: Der voraussichtliche Bundeskanzler hat der Ukraine in Absprache mit den Partnern Marschflugkörper vom Typ Taurus in Aussicht gestellt und das damit begründet, die Ukraine müsse vor die Lage kommen, unter anderem, um möglicherweise die Verbindung zwischen der Krim und dem Festland zu zerstören. Hat der geschäftsführende Bundeskanzler vor dem Hintergrund der verschärften Lage in der Ukraine Verständnis für diese Ankündigung, oder überwiegen bei ihm immer noch die Sorgen, die ja dazu geführt haben, dass er eine solche Lieferung bisher abgelehnt hat?
Hebestreit (BReg)
Der Bundeskanzler hat seine Haltung zu diesem Thema sehr hinlänglich dargelegt, und zu dieser Frage gibt es keine Veränderung seiner Position.
Zusatzfrage
Ich möchte die Frage an das Auswärtige Amt weitergeben, da die Bundesaußenministerin da, glaube ich, eine andere Position hat und so eine Lieferung befürwortet. Freut sie sich darüber, dass eine künftige Bundesregierung dann voraussichtlich die seit zwei Jahren nicht getroffene Entscheidung treffen wird?
Tittel (AA)
Ich habe dem auch nichts hinzuzufügen.
Frage
Eine Frage technischer Natur an das Verteidigungsministerium. Können Sie sagen, wie lange es ab der Entscheidung, Taurus zu liefern, dauern würde, bis die tatsächlich in der Ukraine ankämen? Und zweitens: Wie sähe die notwendige Unterstützung aus, die Deutschland leisten müsste, damit die Ukraine dieses Waffensystem einsetzen könnte?
Jenning (BMVg)
Wir haben hier in der Vergangenheit tatsächlich unsere grundsätzliche Position wiedergegeben. Auch mir steht es von dieser Stelle nicht zu, die Aussagen zu kommentieren oder darauf einzugehen.
Tatsächlich kann ich Ihnen jetzt auch nicht sagen, wie lange das dauern würde. Ich will nicht darüber spekulieren, inwiefern es da ganz allgemeine Positionen gibt. Das müsste ich prüfen lassen. Wenn wir etwas nachzureichen haben und wir das in ganz allgemeiner Natur beantworten können, dann machen wir das gerne.
Frage
Auch an das Verteidigungsministerium: Können Sie bitte sagen, ob die Bombardierung der Landverbindungen zur Krim auch aus Sicht des Verteidigungsministeriums ein richtiges und lohnendes Ziel ist?
Jenning (BMVg)
Auch das möchte ich von dieser Stelle nicht kommentieren, sondern mich auf die Aussagen zurückziehen, die wir in dieser Diskussion auch schon im Vorfeld schon gemacht haben. Ich möchte von dieser Stelle nicht über Äußerungen oder etwaige weitere Entscheidungen der neuen Regierung spekulieren und weder unser Gefühl oder unsere Bewertung dazu abgeben.
Zusatzfrage
Das bezog sich jetzt gar nicht auf die neue Regierung, sondern auch auf Aussagen der ukrainischen Regierung, ob das lohnende Ziele sind.
Hebestreit (BReg)
Vielleicht kann ich das ergänzen: Wir haben von dieser Stelle niemals einzelne Entscheidungen der ukrainischen Militärführung kommentiert, was angegriffen werden kann oder was nicht angegriffen werden kann. Wir würden es auch in diesem Fall so handhaben. Das gilt für diese Bundesregierung, und ich gehe davon aus, dass das auch die künftige Bundesregierung so handhaben wird.
Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan
Frage
Die Frage richtet sich an das Auswärtige Amt und eigentlich auch an das Innenministerium. Es gibt Berichte, dass es noch drei Flüge aus Afghanistan mit Menschen geben soll, die nach Deutschland gebracht werden. Dazu gibt es scharfe Kritik der Union. Herr Linnemann hat sich heute Morgen kritisch geäußert und gesagt, dass die Personen, die in den Flugzeugen sein sollen, teilweise nicht sicherheitsüberprüft sind. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob Sie erst einmal diese drei Flüge bestätigen, die noch stattfinden sollen, und zweitens erklären können, ob diese Personen sicherheitsüberprüft sind.
Dr. Kock (BMI)
Ich kann gern anfangen. Zunächst möchte ich sagen ‑ das wissen Sie, vor allem diejenigen, die öfters hierherkommen ‑, wir kündigen grundsätzlich keine Flüge an. Deshalb möchte ich mich dazu nicht äußern. Auch Kommentare oder Aussagen aus dem politischen Raum kommentieren wir von dieser Stelle nicht.
Zu Ihrer Frage nach der Sicherheit kann ich gern die allgemeine Einordnung geben, die wir hier schon mehrfach vorgetragen haben: Die Erklärung der Aufnahme besonders gefährdeter Personen aus Afghanistan und die Einreise dieser Personen setzt immer voraus, dass die strengen Aufnahme- und Sicherheitskriterien erfüllt werden. Sicherheit hat dabei oberste Priorität.
Alle Personen werden vor der Einreise strikt überprüft. Dazu finden unter anderem detaillierte Sicherheitsbefragungen statt. Außerdem werden alle den Sicherheitsbehörden zu Personen vorliegenden Erkenntnisse überprüft. Die Überprüfungen dienen dazu, Personen von einer Aufnahme und Einreise nach Deutschland auszuschließen, bei denen Sicherheitsbedenken bestehen oder sonstige Ausschlussgründe vorliegen. Wenn hierfür Anhaltspunkte bestehen, dann ist eine Aufnahme und Einreise nach Deutschland ausgeschlossen.
Zusatzfrage
Das Auswärtige Amt?
Tittel (AA)
Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Frage
Ich würde es trotzdem noch einmal mit Zahlen versuchen; denn ich habe Verschiedenes gelesen. Ich habe gesehen: 2800 haben noch eine Aufnahmezusage. Dann habe ich aber auch von 2600 gelesen. Können Sie uns einmal aufklären, wie viele Menschen im Ausland noch darauf warten, nach Deutschland eingeflogen zu werden? Die Frage richtet sich an das Auswärtige Amt.
Tittel (AA)
In allen Aufnahmeverfahren befinden sich circa 2600 Personen mit einer Aufnahmezusage in den verschiedenen Phasen des Ausreiseverfahrens.
Zusatzfrage
Können Sie sagen, wie lange diese Aufnahmezusage schon besteht? Werden jetzt darüber hinaus noch weitere Zusagen gemacht? Denn das Programm soll ja eigentlich mit der neuen Regierung eingestellt werden.
Tittel (AA)
Bereits erteilte Aufnahmezusagen im Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan sind verbindlich. Es ist bei allen Personen, denen ein Aufnahmebescheid erteilt wurde und bei denen weiter ein Ausreisewunsch besteht, das Ausreiseverfahren zu ermöglichen. Weitere Zusagen werden aktuell nicht ausgesprochen. Darüber, wie es dann mit dem Aufnahmeprogramm Afghanistan weitergeht, muss die künftige Bundesregierung entscheiden.
Zusatzfrage
Wenn ich es im Kopf überschlage, dann warten noch 2600, und es gibt drei Flüge. Mal sehen, wie viele es dann werden. Das wird eng, würde ich sagen. Dann lassen wir uns einmal überraschen.
Wird jetzt mehr Tempo gemacht, weil man nicht mehr lange im Amt ist, um die Menschen noch nach Deutschland zu holen? Hat sich die Frequenz erhöht, oder ist das nur ein Gefühl, dass man jetzt mehr davon liest?
Tittel (AA)
Dazu habe ich keinen Kommentar.
Frage
Zur Situation in Afghanistan: Es mehren sich jetzt die Stimmen von sogenannten Afghanistan-Experten, die sagen, es gebe keinen einzigen Beleg dafür, dass ehemalige Ortskräfte von den Taliban existenziell bedroht werden. Angebliche Briefe, die dies belegen sollen, seien Fälschungen, die dann den deutschen Behörden vorgelegt würden, um Einreisegenehmigungen zu erwirken. Ist das in irgendeiner Weise Kenntnisstand der Bundesregierung, oder ist das eine Form von Propaganda, die Ihren Erkenntnissen widerspricht?
Tittel (AA)
Die Menschenrechtssituation in Afghanistan hat sich seit der Machtübernahme des De-facto-Regimes der Taliban deutlich verschlechtert, und das geht immer weiter bergab.
Die systematische Diskriminierung und Unterdrückung hat Afghanistan zu einem der weltweit gefährlichsten Orte für Frauen und Mädchen werden lassen, und Kritikerinnen und Kritiker der Taliban sind starken Repressionen ausgesetzt. Deswegen vielleicht noch einmal der Hinweis, dass es sich beim Bundesaufnahmeprogramm nicht um die Ortskräfte handelt, sondern es hier um Personen geht, die selber in Afghanistan Verfolgung ausgesetzt waren, die sich dort für Menschenrechte eingesetzt haben, die dort als Journalistinnen und Journalisten gearbeitet haben.
Zusatzfrage
Bei denen, die eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland erhalten, geht es, wenn ich das richtig sehe, doch auch ‑ von der Historie her ‑ um Ortskräfte. Mich interessiert: Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber beziehungsweise gehen Sie davon aus, dass die Menschen, die eine Aufnahmezusage für Deutschland erhalten haben, tatsächlich ‑ nachweisbar ‑ existenziell durch die Taliban bedroht sind?
Tittel (AA)
Es gibt in der Tat verschiedene Stränge. Das eine sind die Ortskräfte, das andere ist das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan, nur um das zu trennen. Wie gesagt: Die Bedrohungslage ist sehr reell und wird auch individuell geprüft. Wir fühlen uns den Menschen, die für uns gearbeitet haben, verpflichtet.
Frage
Es hat vor ungefähr zwei Wochen Berichte gegeben, dass die Bundespolizei nach der Einreise noch einmal Sicherheitsbedenken geltend gemacht hat. Ich wollte einmal nachhören, ob diese Fälle inzwischen überprüft worden sind, wie das zustande kommen kann. Denn eigentlich ist vorgesehen, dass diese Überprüfung schon in Pakistan stattfindet.
Dr. Kock (BMI)
Dazu habe ich mich auch hier schon geäußert und habe Sie unbefriedigenderweise an das Bundespolizeipräsidium verwiesen. Ich gehe fest davon aus, dass diese Fälle sich noch einmal angeschaut werden.
Grundsätzlich ist es so, dass sowohl vor der Abreise als auch vor Ort diese Überprüfungen, wie ich sie eben geschildert habe, stattfinden. Selbstverständlich kontrollieren Bundespolizisten Personen, die hier einreisen. Polizisten sind dem Legalitätsprinzip verpflichtet. Das heißt, wenn sie bei der Einreise oder bei der Kontrolle der Papiere Unregelmäßigkeiten feststellen, dann dürfen diese Personen gegebenenfalls nicht einreisen. Das ist also ein mehrstufiges Verfahren.
Frage
Was heißt eigentlich Kontrolle vor Ort? Wie schaut das aus? Wenn ich richtig informiert bin, dann haben wir doch zurzeit gar keine Botschaft in Kabul, die das machen könnte.
Dr. Kock (BMI)
Ich kann nur das wiederholen, was ich gerade schon ausgeführt habe. Das kann ich gerne machen. Es finden vor Ort unter anderem detaillierte Sicherheitsbefragungen statt. Es werden Papiere überprüft, und es wird mit Erkenntnissen abgeglichen, die den Sicherheitsbehörden in Deutschland vorliegen.
Zusatzfrage
Aber wer macht das denn?
Hebestreit (BReg)
Das Ganze findet in Pakistan statt, nicht in Afghanistan. Das ist der Ort, an dem noch eine konsularische Vertretung stattfindet und auch diese Themen behandelt werden. In Afghanistan selber gibt es kein Personal und keine Überprüfung dazu.
Tittel (AA)
Das heißt, die Personen reisen selbstständig nach Pakistan aus.
Frage
Um es richtig zu verstehen, was die Verbindlichkeit angeht: Frau Tittel, Sie hatten gesagt, falls ein Aufnahmebescheid erteilt wurde, seien das verbindliche Entscheidungen. Ich würde ganz gerne wissen, was das rechtlich heißt. Ist es richtig, dass es dann gar keine politische Abwägungsentscheidung ist, ob wir diese Menschen auch aufnehmen, sondern dass diese Menschen einen Rechtsanspruch auf Aufnahme haben? Was passiert, wenn der nicht eingehalten wird?
Tittel (AA)
Wie gesagt, bereits erteilte Aufnahmezusagen im Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan sind verbindlich. Deshalb ist allen Personen, denen einen Aufnahmebescheid erteilt wurde, das Ausreiseverfahren zu ermöglichen.
Hebestreit (BReg)
Für den Fall, dass eine solche verbindliche Zusage nicht eingehalten wird, stünde den Betroffenen dann der Verwaltungsweg offen.
Zusatzfrage
Von Pakistan aus?
Hebestreit (BReg)
Ja.
Frage
Ich habe eine Lernfrage: Was droht den Menschen, die es nach Deutschland geschafft haben, wenn jetzt die neue Regierung an die Macht kommt, die ja so tut ‑ zumindest eine Partei ‑, als ob das alles Terroristen wären, die wir da aufnehmen? Können diese Menschen wieder zurückgebracht werden, wieder abgeschoben werden, kann ihnen der Aufenthaltstitel sofort entzogen werden, oder ist das rechtlich erst einmal bindend?
Dr. Kock (BMI)
Nach meinem Verständnis ist es rechtlich bindend, dass wir diese Personen hier aufnehmen. Wie das dann in der Folge genau aussieht, müsste ich gegebenenfalls nachreichen.
[…]
Dr. Kock (BMI)
Die Kollegen haben mich versorgt, was Ihre Frage von vorhin angeht. - Die Personen, die aus Afghanistan über die entsprechenden Programme eingereist sind, erhalten hier je nach persönlicher Situation ‑ das wird im Einzelfall geprüft ‑ einen Aufenthaltstitel für zunächst drei Jahre. Ob diese Aufenthaltstitel zurückgenommen werden können oder verlängert werden, richtet sich dann jeweils nach dem geltenden Recht. Entsprechende Entscheidungen sind, wie im Rechtsstaat üblich, vor den Verwaltungsgerichten überprüfbar.
Frage
Aber die Menschen haben dann erst einmal drei Jahre lang Sicherheit? Die können jetzt nicht von einer unionsgeführten Bundesregierung aus irgendwelchen Gründen wieder abgeschoben werden?
Dr. Kock (BMI)
Ich habe ja gerade auch gesagt: Ob diese Aufenthaltstitel zurückgenommen werden können, richtet sich nach dem geltenden Recht.
Präsidentschaftswahl in Ecuador
Frage
Ich habe eine Frage zur Wahl in Ecuador. Erst einmal allgemein gefragt: Wie bewertet die Bundesregierung den Wahlausgang?
Tittel (AA)
Zunächst einmal begrüßen wir den friedlichen Verlauf des Wahlgangs. Sowohl die EU als auch die OAS, die Organisation Amerikanischer Staaten, sind mit Wahlbeobachtern vor Ort. Bisher wurden dabei keine nennenswerten Unregelmäßigkeiten festgestellt. Jetzt gilt es erst einmal, die Auszählung sämtlicher Wahlzettel und die Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses durch die ecuadorianische Wahlbehörde abzuwarten.
Zusatzfrage
Die unterlegene Kandidatin González erkennt das Wahlergebnis ja nicht an. Da müsste man, was die Beurteilung durch die internationalen Beobachter betrifft, also noch warten, bis alles fertig ist?
Tittel (AA)
Wie gesagt, das endgültige Wahlergebnis steht noch nicht fest. Das muss erst einmal ausgesprochen werden, und dann gibt es auch die Möglichkeit, das vor den zuständigen ecuadorianischen Behörden anzufechten.
Hebestreit (BReg)
Das ist kein internationaler Zusammenhang, sondern das passiert innerhalb Ecuadors. Auch die dortigen Behörden müssen das amtliche Endergebnis zunächst bestätigen. Wenn es vorliegt, werden wir uns dazu einlassen, aber vorher nicht.
Frage
Sind deutsche Wahlbeobachter oder OECD-Beobachter vor Ort?
Wie bewerten Sie die amerikanischen Berichte, dass sich Amerikaner in diese Wahl eingemischt hätten, um dem amtierenden Präsidenten zu helfen?
Tittel (AA)
Es sind Wahlbeobachter sowohl der EU als auch der Organisation Amerikanischer Staaten vor Ort. Ob auch deutsche Staatsangehörige in der EU-Mission sind, kann ich Ihnen jetzt aus dem Stand nicht sagen.
Zusatzfrage
Und meine zweite Frage?
Tittel (AA)
Dazu liegen mir keine Informationen vor.
Zusatzfrage
Sie werden ja auch die Zeitungen und die Nachrichten lesen und mitbekommen, wenn es um die Einmischung in Wahlen souveräner Staaten geht?
Tittel (AA)
Wie gesagt, dazu habe ich hier nichts mitzuteilen.
Nahostkonflikt
Frage
Die EU-Kommission möchte, glaube ich, 1,6 Milliarden Euro zur Unterstützung der Palästinenserbehörde in Ramallah zur Verfügung stellen, verbindet das aber mit der Aufforderung nach Reformen der Behörde. Um welche Reformen, die an diese finanzielle Unterstützung zu knüpfen sind, geht es da aus Sicht der Bundesregierung?
Hebestreit (BReg)
Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass das eine Forderung und ein Vorgang innerhalb der Europäischen Union ist. Deshalb würde ich bitten, dass Sie die Europäische Union um die Stellungnahme dazu bitten, welche Reformen Sie an dieser Stelle mit dieser Zusage verbindet.
Zusatzfrage
Das ist schon klar. Die Antwort überrascht auch nicht. Andererseits ist Deutschland nun wirklich einer der wichtigen Akteure, auch finanziell und auch bei EU-Finanzierungen. In der Vergangenheit hat auch die Bundesregierung immer wieder Forderungen zur Reform der Palästinenserbehörde formuliert. Deswegen kann ich mir gar nicht vorstellen, dass sie in diesem Kontext keine eigene Position haben. Insofern wüsste ich gerne Ihre Position.
Hebestreit (BReg)
Wie Sie zu Recht gesagt haben, hatten wir in der Vergangenheit immer wieder auch auf Reformen innerhalb der Palästinensischen Autonomiebehörde gedrungen. Bei dieser Forderung bleibt es.
Frage
Ich habe eine Frage zu dem Angriff auf ein Krankenhaus in Nordgaza. Frau Tittel, dazu würde mich erst einmal die Aussage von Frau Baerbock interessieren. Sie hat lediglich kritisiert, dass die Israelis den Menschen im Krankenhaus nur 20 Minuten Zeit zur Evakuierung gegeben haben; den Angriff auf das Krankenhaus selbst hat sie jedoch nicht kritisiert. Wie viel Evakuierungszeit erwartet die Bundesregierung, wenn ein Krankenhaus bombardiert wird?
Tittel (AA)
Die Außenministerin hat sich zu dem Angriff auf das christliche Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza-Stadt gestern geäußert, wie Sie schon sagen, und auf eine besondere Schutzverpflichtung für zivile Orte hingewiesen. Die Außenministerin hat auch darauf hingewiesen, dass es einen festen Waffenstillstand für Gaza braucht. Die Geiseln müssen freikommen und die humanitäre Hilfe muss nach Gaza gelangen. Wir appellieren an alle Parteien, insbesondere an Israel, im Interesse der Geiseln und der Menschen in Gaza auf Verhandlungen über eine Waffenruhe und Geiselfreilassung zu setzen, anstatt weiter den Weg einer militärischen Eskalation zu beschreiten.
Zusatzfrage
Danke, dass Sie das noch einmal vorgelesen haben; das hat meine Frage aber nicht beantwortet. Was ist die Schutzverpflichtung, wenn sie lediglich die 20 Minuten Evakuierungszeit kritisiert? Wie viel Evakuierungszeit soll gegeben werden, wenn ein Krankenhaus bombardiert wird?
Tittel (AA)
Ich glaube, es gibt da keine allgemeingültige ‑ ‑ ‑
Zusatzfrage
20 Minuten sind zu wenig, aber wie viel ist okay?
Vorsitzende Wefers
Vielleicht lassen Sie Frau Tittel erst einmal antworten, dann können Sie auch noch einmal fragen.
Zusatz
Sie will ja nicht antworten.
Tittel (AA)
Ich war gerade dabei zu antworten. ‑ Es gibt da keine allgemeingültige Antwort. Ein Angriff muss militärisch notwendig und verhältnismäßig sein. Die Zeit für die Evakuierung muss so bemessen sein, dass der gebotene Schutz für Zivilisten gewährleistet ist, das heißt, dass Patienten in Sicherheit gebracht werden können und die durchgehende medizinische Versorgung gewährleistet bleibt. Da sind natürlich die Regeln des humanitären Völkerrechts einschlägig.
Zusatzfrage
Dann würde ich um eine Nachreichung bitten. Wenn die Ministerin die 20 Minuten kritisiert, dann muss es ja in ihrer Vorstellung eine angemessene Evakuierungszeit geben.
Sie sprachen gerade von militärisch notwendigen Angriffen. Die IDF haben in keiner Weise Beweise, Hinweise oder Indizien gegeben, dass dieses Krankenhaus ein notwendiges Ziel war. Warum wird das von Ihnen nicht kritisiert?
Tittel (AA)
Wie gesagt, die Ministerin hat darauf hingewiesen, dass Zivilisten zu schützen sind, und das auch in dem Kontext eines Krankenhauses. Ich habe Ihnen gerade erklärt, dass es da keine allgemeingültige Antwort gibt, wie viele Minuten Evakuierungszeit es geben muss, die ich Ihnen hier präsentieren kann. Es ist vielmehr wichtig, dass die Zeit für die Evakuierung so bemessen ist, dass die Zivilisten, die sich in diesem Krankenhaus befinden, evakuiert werden können.
Frage
Frau Tittel, ist ein Angriff gegen ein ziviles Krankenhaus nicht per se ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht?
Tittel (AA)
Zu den grundlegenden Regeln des humanitären Völkerrechts gehört es in der Tat, dass militärische Operationen sich stets gegen militärische Ziele richten müssen. Zivile Infrastruktur und Zivilpersonen dürfen nicht gezielt angegriffen werden. Krankenhäuser sind im Grundsatz zivile Infrastruktur, aber sie können im Einzelfall zu legitimen Zielen werden, wenn sie militärisch genutzt werden.
Wie gesagt, wir verfolgen genau wie Sie die Berichterstattung zu diesem Vorfall. Wir können von dieser Stelle aus jetzt aber nicht bewerten, was genau dort vor Ort vorgefallen ist. Wichtig ist, dass die Zivilisten in Gaza geschützt werden; darauf hat die Ministerin hingewiesen.
Zusatzfrage
Nun hat die Außenministerin sich ja auf ihrem privaten Account geäußert. Ist das jetzt eigentlich die Haltung der Privatperson Annalena Baerbock oder ist das die Haltung der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock? Oder gibt es da keinen Unterschied?
Tittel (AA)
Das ist nicht ihr privater Account, das ist der Account der Außenministerin Annalena Baerbock.
Frage
Eine generelle Frage zu diesem Thema: War die Bundesregierung von der Ankündigung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Palästina als Staat anerkennen zu wollen, überrascht?
Hebestreit (BReg)
Ich glaube, das hatten wir hier schon am vergangenen Freitag als Thema. Wir haben noch einmal deutlich gemacht, dass wir uns für eine verhandelte Zweistaatenlösung einsetzen. Ich habe dem Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung entnommen, dass das auch weiterhin die Position Deutschlands ist. In diesem Fall müsste am Ende eines solchen Prozesses oder im Verlauf eines solchen Verhandlungsprozesses aus unserer Sicht eine Anerkennung stehen.
Frage
Noch einmal zu der Aussage, militärische Notwendigkeit könne einen Angriff auch auf zivile Objekte rechtfertigen: Die IDF haben bislang lediglich abstrakt behauptet, unterhalb des Krankenhauses habe es Hamas-Befehlsstruktur gegeben. Hat die Bundesregierung irgendeinen Beleg dafür, dass dieser Vorwurf nachvollziehbar belegt ist?
Hebestreit (BReg)
Die Bundesregierung hat weder einen Beleg dafür, dass das stimmt, noch einen Beleg dafür, dass das nicht stimmt. Das trägt sich alles in einem Kriegsgebiet zu; insofern sind wir auf die Informationen angewiesen, die uns aus diesem Kriegsgebiet zur Verfügung gestellt werden. In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass zivile Infrastruktur auch für militärische Infrastruktur der Hamas genutzt wird. Ich will jetzt nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass es in diesem Falle auch so war. Ich kann zu diesem Zeitpunkt aber auch nicht generell ausschließen, dass es in diesem Fall so gewesen sein mag.
Grundsätzlich ist es so, dass für zivile Infrastruktur ein besonderer Schutz gilt, und diesen Schutz gilt es zu gewährleisten. Wenn in einem solchen Konflikt eine Seite ‑ in diesem Fall die israelische Armee ‑ zu der Entscheidung kommt, dort trotzdem anzugreifen, dann muss sie das sehr gut rechtfertigen.
Zusatzfrage
Eben darauf zielt meine Frage ab. Sie haben im Grunde noch einmal die besondere Notwendigkeit eines Nachweises betont. Fordert die Bundesregierung von der israelischen Regierung nachvollziehbare Belege dafür, dass sich unter diesem Krankenhaus Hamas-Befehlsstrukturen befanden? Oder bleibt es dabei ‑ was jetzt der Eindruck zu sein scheint ‑, dass Sie sagen: Das ist ein Kriegsgebiet, und wir wissen es auch nicht so genau? Ist es nicht naheliegend zu sagen: Wir fordern von der israelischen Regierung nachvollziehbare Belege für diese Begründung?
Tittel (AA)
Die Bundesaußenministerin hat die Forderungen der Bundesregierung gestern formuliert.