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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 25.04.2025
- Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine
- Medienberichterstattung im Zusammenhang mit der Aufnahme afghanischer Menschen in Deutschland
- Anschlag auf Touristen im indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir
- Treffen der nordischen und baltischen Ostseeanrainerstaaten (NB8) sowie der Mitgliedstaaten des Weimarer Dreiecks auf Bornholm
- Nuklearprogramm des Iran
- Nahostkonflikt
Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine
Zusatzfrage
Es geht um den Ukrainekrieg. Laut des russischen Außenministers Sergej Lawrow ist Russland zu einem Friedensabkommen mit der Ukraine bereit. Es gebe eine Bewegung in die richtige Richtung, heißt es. Trump sei wahrscheinlich der einzige Anführer auf der Welt, der die Notwendigkeit erkenne, die Ursachen anzugehen.
Das könnte bedeuten, dass die USA die Aufgabe der vier südukrainischen Oblasten und der Krim unterstützt. Wie bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung?
Hoffmann (BReg)
Wir sehen es zunächst einmal positiv, dass ein Treffen stattgefunden hat und dass es diesen Gesprächsprozess gibt. Natürlich ist unser aller Ziel ein fairer, gerechter und nachhaltiger Friede. Daran arbeiten wir zusammen mit unseren europäischen und internationalen Partnern.
Klar ist für uns aber auch, dass es sich dabei nicht um einen Diktatfrieden auf Kosten der Ukraine handeln kann und dass die Souveränität der Ukraine gewahrt bleiben muss. Wichtig ist auch, dass die Ukraine auch in Zukunft starke Streitkräfte brauchen wird. Das ist die wichtigste Sicherheitsgarantie, die die Ukraine haben kann. Sie wird auch nach einem Friedensschluss sehr entscheidend sein. Wichtig ist für uns auch, zu betonen, dass der Weg in die Europäische Union für die Ukraine auch in Zukunft offen stehen wird.
Ein fairer, gerechter Frieden, kein Diktatfrieden, wenn wir uns in diese Richtung bewegen ‑ daran arbeiten wir ‑, dann begleiten wir das positiv.
Zusatzfrage
Wie sieht die Bundesregierung mögliche Gebietsaufgaben zugunsten Russlands?
Hoffmann (BReg)
Wie gesagt, ist entscheidend, dass die Souveränität der Ukraine gewahrt wird und dass die Ukraine entscheiden muss, was für sie wichtig ist. Kein Friedensschluss ohne eine Zustimmung der Ukrainer. Der ukrainische Präsident hat sich in dieser Sache ja bereits geäußert.
Ich denke, wichtig wäre auch, zu sagen, dass wir jetzt zunächst die russische Regierung und den russischen Präsidenten am Zug sehen. Glaubwürdig würden Friedensbemühungen dann, wenn er zunächst einmal einem bedingungslosen Waffenstillstand zustimmen würde. Das muss jetzt als Erstes passieren. Die Waffen müssen schweigen, und das heißt vor allen Dingen, dass Russland seine Aggression gegen die Ukraine einstellen muss.
Frage
Frau Hoffmann, Sie haben die Position der Bundesregierung, die ja beständig ist, noch einmal sehr grundsätzlich wiedergegeben: kein Diktatfrieden.
Würden Sie das, was zurzeit auf dem Tisch liegt und auch offen diskutiert wird, als den Versuch eines Diktatfriedens klassifizieren?
Hoffmann (BReg)
Wir sind im Moment in Gesprächen darüber, wie eine Lösung gefunden werden kann. Natürlich ist es unser Interesse, dass die Waffen schweigen und es auch zu einem dauerhaften Friedensschluss kommen kann. Aber aus unserer Sicht ist es eben auch so, dass Putin, dass Russland mit seiner Aggression gegenüber der Ukraine nicht durchkommen darf. Mit seinen aggressiven Plänen darf er nicht durchkommen. Das ist unsere Position, und das bezieht sich natürlich auch auf alles, was wir jetzt im Moment verhandeln.
Zusatzfrage
Sie sagen, das sei Ihre Position. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das auch noch die Position der USA ist?
Hoffmann (BReg)
Ich will jetzt nicht bewerten, was die Position der USA ist. Wir sind in einem Gesprächsprozess, in dem wir sehr eng mit den USA, mit den E3 ‑ Deutschland, Frankreich und Großbritannien ‑ und der Ukraine dabei sind, gemeinsame Positionen zu entwickeln. Insofern will ich das jetzt nicht im Einzelnen einordnen.
Fischer (AA)
Vielleicht darf ich noch ergänzen. Es ist doch sicherlich gut, dass es Bemühungen um eine Friedenslösung gibt, und es ist gut, dass sich die amerikanische Seite daran beteiligt. Wir waren vergangene Woche in Paris und diese Woche in London, wo wir als E3, als Europäer, uns in einem sehr engen Austausch mit der Ukraine und den USA darum bemüht haben, gemeinsamen Boden zu finden und auf dem Weg zu einer Friedenslösung voranzukommen. Wichtig ist doch, dass die Ukraine ihre Verhandlungsbereitschaft noch einmal betont und Russland erneut zu einem Waffenstillstand aufgerufen hat.
Klar ist: Die Ukraine ist zu einem sofortigen Waffenstillstand ohne Vorbedingungen bereit und hat, wie gesagt, Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Das hat der ukrainische Präsident wieder deutlich gemacht. Moskau hingegen beharrt auf Maximalforderungen, liefert Ausflüchte, spielt auf Zeit und greift die Ukraine immer wieder brutal an. Zuletzt gab es die Angriffe auf Kiew, die mindestens zwölf Todesopfer und eine hohe zweistellige Zahl an Verletzten gefordert haben. Es ist nicht absehbar, dass das eingestellt wird.
Gleichzeitig hat ‑ dabei beziehe ich mich noch einmal auf den Kollegen der New York Times ‑ in der Tat auch Herr Lawrow seine Bereitschaft zu Frieden ins Schaufenster gestellt, aber gleichzeitig von Feinheiten gesprochen, die noch geklärt werden müssten. Das ist das, was wir die ganze Zeit aus Russland hören: Grundsätzlich sind wir bereit, aber es müssen noch ganz viele Dinge geklärt werden, und von unseren Maximalforderungen gehen wir nicht zurück.
Medienberichterstattung im Zusammenhang mit der Aufnahme afghanischer Menschen in Deutschland
Frage
An das Auswärtige Amt oder das Innenministerium: Was sagen Sie zu der Berichterstattung der „BILD“-Kollegen zum Thema der Aufnahme afghanischer Menschen in Deutschland und der Frage der Sicherheitsinterviews?
Fischer (AA)
Die Berichterstattung enthält nichts, was unbekannt wäre. Sie enthält keine neuen Fakten. Es wird erwähnt, dass 2023 zusätzlich Sicherheitsinterviews eingeführt worden seien. Das ist korrekt. Aber es ist nicht so, dass vorher keine Sicherheitsüberprüfung der Afghaninnen und Afghanen in den verschiedenen Aufnahmeprogrammen stattgefunden hätten. Die Identität der Afghaninnen und Afghanen ist immer geklärt worden. Auch vorher haben Sicherheitsüberprüfungen stattgefunden.
Lassen Sie mich vielleicht einmal kurz ausholen. Nach der Flucht der Taliban 2001 haben wir als Deutschland uns im Verbund mit unseren internationalen Partnern und ganz vielen Afghaninnen und Afghanen 20 Jahre lang um den Aufbau eines besseren Afghanistans bemüht. Dafür haben unter anderem die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einen hohen Blutzoll gezahlt. Diese gewaltigen Anstrengungen sind mit dem Wiedererstarken der Taliban und dem Fall Kabuls 2021 gescheitert. Aber viele Afghaninnen und Afghanen haben in diesen 20 Jahren genau wie wir an einer besseren Zukunft ihres Landes gearbeitet. Das betrifft Ortskräfte, Journalistinnen und Journalisten, Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger, Lehrerinnen und Lehrer, Professorinnen, Polizistinnen, Richter und Richterinnen. Diese Liste kann man, denke ich, noch lange fortsetzen. All diese Leute haben sich auf uns verlassen und auf unser langfristiges Engagement gebaut. Mit dem Fall Kabuls und der Machtübernahme sind nicht nur ihre Träume von einem besseren Afghanistan zerstört worden, sondern diese Menschen sind durch die Taliban verfolgt worden und konkret in Gefahr geraten, und diese Gefahr hält auch noch heute an.
Das ist der Hintergrund, vor dem die damalige Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Merkel, Bundesinnenminister Seehofer, Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer und Bundesaußenminister Maas erste Aufnahmeprogramme aufgelegt haben. Diese Bundesregierung hat diese Aufnahmeprogramme fortgeführt und dieselben Sicherheitsmaßnahmen angewandt, die unter der damaligen Bundesregierung angewandt wurden, und sie dann nach und nach verfeinert und optimiert.
Sicherheitsüberprüfungen in den Aufnahmeverfahren finden, wie gesagt, seit jeher, seit dem Fall Kabul, seit 2001, statt. Auch vor der Einführung der Sicherheitsinterviews im Sommer 2023 wurden alle Personen, die über die Aufnahmeprogramme nach Deutschland gekommen sind, sicherheitsüberprüft. Dokumenten- und Visaberater der Bundespolizei sind auch vor Einführung der Sicherheitsinterviews an unserer Botschaft in Pakistan gewesen. Alle Dokumente, die vorgelegt wurden, wurden überprüft. Auch die Sicherheitsbehörden in Deutschland wurden in jedem einzelnen Verfahren, in jedem einzelnen Fall immer beteiligt. Unsere Botschaft in Islamabad haben wir damals in Abstimmung mit dem Bundesministerium des Innern mit Verbindungsbeamten der Bundespolizei und auch des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge verstärkt. Im Rahmen des Visaverfahrens wurden vertiefte Gespräche geführt. Das war sozusagen ein Vorläufer der Sicherheitsinterviews.
Um es klar zu sagen: Weder ist die Berichterstattung neu, noch bringt sie irgendeinen neuen Fakt auf die Tagesordnung oder waren die Dinge, die dort berichtet wurden, unbekannt. Im Gegenteil haben wir all diese Themen hier regelmäßig diskutiert, auch die Einführung der Sicherheitsinterviews.
Kall (BMI)
Das kann ich für das BMI nur unterstreichen. Sicherheit hat in den Aufnahmen besonders gefährdeter Menschen aus Afghanistan ‑ um sie geht es ja ‑ oberste Priorität, und sie hat sie immer gehabt. Die Sicherheitsüberprüfungen haben von Anfang an bei allen Aufnahmen stattgefunden; Herr Fischer hat es gesagt. Die Sicherheitsinterviews, die alle drei Sicherheitsbehörden, Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundespolizei, gemeinsam durchführen, sind eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme, die im Sommer 2023 eingeführt wurde. Inzwischen haben über 5000 solcher Sicherheitsinterviews stattgefunden ‑ insofern stimmt auch die Zahl bei der „BILD“-Zeitung nicht ganz ‑, und zwar als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme über die Überprüfung aller Erkenntnisse hinaus, die den Sicherheitsbehörden zu Personen vorliegen und auch im Austausch mit internationalen Partnern bei sehr dezidierten Überprüfungen untersucht werden, weil natürlich allen das Sicherheitsumfeld klar ist. Deswegen werden die Personen so genau und mehrfach gecheckt.
Es gibt im gesamten Bereich der Migration wahrscheinlich wenige Verfahren, bei denen es so genaue Überprüfungen gibt und man so genau checkt, wer die Personen sind, denen wir eine Aufnahme in Deutschland und letztlich auch eine Einreise ermöglichen. Diese Überprüfungen finden in jedem Stadium des Verfahrens statt, und sie führen dazu, dass, wenn es nur die kleinste Unklarheit gibt, gegebenenfalls auch die Einreise verweigert wird. Insofern gibt es da von Anfang an sehr genaue Überprüfungen, und ansonsten kann ich nur das unterstreichen, was Herr Fischer gesagt hat.
Zusatzfrage
Herr Kall, wenn Sie so genau geprüft haben, dann wissen Sie doch sicherlich auch, was aus den Menschen geworden ist und ob es in irgendeinem Fall im Nachgang noch Probleme mit den Eingereisten gab. Können Sie uns davon berichten, ob es hier irgendwelche Unklarheiten, Schwierigkeiten, Terrorverdachte oder ähnliches gegen auch nur eine einzige der auf diesem Wege eingereisten Personen gab?
Kall (BMI)
Meines Wissens gibt es ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen einen Familienangehörigen einer aufgenommenen Person. Das ist auch medienbekannt. Da müssten Sie sich an die zuständige Staatsanwaltschaft wenden, weil das Verfahren noch läuft. Andere Verfahren sind mir jetzt nicht bekannt. Ausschließen kann man das nicht. Entscheidend ist aber, dass alle vor einer Einreise vorliegenden Erkenntnisse ganz genau geprüft werden, und das geschieht durch die Sicherheitsbehörden, wie gesagt, mit der zusätzlichen Maßnahme der Sicherheitsinterviews, die auch durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden in Islamabad geführt werden und eine weitere, sehr aufwendige Sicherheitsmaßnahme sind.
Fischer (AA)
Vielleicht nur zum Verhältnis: Bislang sind über 36 300 Afghaninnen und Afghanen über die vier Aufnahmelinien eingereist.
Frage
An das AA oder an das BMI: Vergangene Woche ist ein Flieger aus Islamabad in Leipzig gelandet. Im Nachgang gab es Berichte und es wurde auch bestätigt, dass über die Bundespolizei Ermittlungsverfahren ‑ ich glaube, in acht Fällen ‑ wegen des Verdachts einer Urkundenfälschung eingeleitet wurden. Was ist da der Stand?
Kall (BMI)
Um zu erfahren, was der genaue Stand der Verfahren ist, müssten Sie sich an die Bundespolizei wenden. Solche Verfahren werden standardmäßig eingeleitet, wenn es irgendwelche Unklarheiten bezüglich der Dokumente gibt. Herr Fischer kann dazu gleich vielleicht noch etwas ergänzen. Gerade bei Afghaninnen und Afghanen ist ja oftmals das Problem, dass sie auf bestimmte Dokumente, bestimmte Nachweise nicht zugreifen können. Das heißt aber nicht, dass nicht die Identität genauestens geprüft wurde; das ist bei allen Personen der Fall. Auch dass die Sicherheit und der Hintergrund der Personen genau durchleuchtet wurde, ist bei allen Personen der Fall. Da geht es dann, wie gesagt, um bestimmte Dinge in den Dokumenten, die dann noch untersucht werden. Die Identität steht aber fest, und auch der Hintergrund, was die Sicherheit angeht, ist gecheckt worden.
Fischer (AA)
Es ist ja ein mehrstufiger Ablauf, der auch nach der Identitätsprüfung und der Sicherheitsüberprüfung einschließlich der Sicherheitsinterviews an der Botschaft Islamabad noch nicht beendet ist. Alle Personen, die auf einen dieser Charterflüge steigen, werden am Flughafen noch einmal von Dokumenten- und Visaberatern der Bundespolizei kontrolliert. Das heißt, sie schauen sich dort die Urkunden an und geben dann ihr grünes Licht für das Betreten des Flugzeugs und die Reise nach Deutschland. Am Flughafen werden sie dann von den Grenzbeamten und auch von der Bundespolizei in Empfang genommen. Mir ist nicht bekannt, dass es bei irgendeinem der Betroffenen auf dem Charterflug Zweifel an der Identität oder an der Sicherheitsüberprüfung bzw. an den einreiseberechtigenden Dokumenten gegeben hätte.
Ich nenne als Beispiel einmal eine mögliche Fallkonstellation: Ein afghanischer Staatsbürger hat einen sogenannten Proxypass dabei. Das ist ein von Afghanistan als legitim anerkanntes Reisedokument. Es ist sozusagen eine Art Reisepass, der auch in vielen verschiedenen Ländern anerkannt wird. Wir als Bundesrepublik Deutschland erkennen diese Proxypässe nicht an, weil sie bei den zuständigen Passbehörden von einem Dritten beantragt oder abgeholt werden können. Wenn jetzt Kolleginnen und Kollegen feststellen, dass ein Afghane einen Proxypass hat, dann wird dieser Pass nicht visiert, sondern es wird ein anderes Dokument ausgestellt, nämlich ein sogenannter Reiseausweis für Ausländer, der zur Einreise legitimiert und mit einem Visum versehen wird. Mit diesen Reiseausweisen für Ausländer, kurz RAfA genannt, treten die Afghanen dann ihre Reise an, selbst wenn ihr Postdokument nicht den deutschen Standards entspricht. Fairerweise muss man sagen: Das ist öfter einmal so, weil das Urkunden- und Personenstandswesen in Afghanistan sicherlich nicht auf dem Stand wie in Deutschland ist. Die Identität dieser Afghanen ist aber überprüft worden und die Sicherheitsüberprüfung ist erfolgreich durchlaufen worden. Dann kommen sie dort an, zeigen ihren RAfA vor, und dann wird gefragt: Gibt es auch noch andere Dokumente, die sie mitführen? Dann wird der Proxypass vorgelegt und gezeigt, und dann wird festgestellt, dass ein Proxypass nach deutschem Recht und aus unserer Sicht, aus Sicht der Bundespolizei, ein verfälschtes Dokument ist. Andererseits ist es aber so, dass dieser Proxypass natürlich mitgeführt werden kann; denn wenn diese Menschen in Länder reisen möchten, in denen diese Proxypässe anerkannt werden, dann müssen sie mit diesen Pässen ja auch dort einreisen können.
Das heißt, wenn ich das richtig verstanden habe, ging es nicht um die Einreise selber, sondern um mitgeführte Dokumente der Afghaninnen und Afghanen, bei denen es sozusagen Beanstandungen der Bundespolizei gab. Das können Proxypässe sein, das können Geburtsurkunden sein. Selbst zur Zeit der Republik Afghanistans wurden schließlich Geburtsurkunden ausgestellt. Man kam vielleicht nicht immer zum Standesamt, und dann wurde sozusagen ein Datum in die Geburtsurkunde eingetragen. Dieses Datum ist möglicherweise nicht das korrekte Datum gewesen, und dann wurde das korrigiert. Eine solche Urkunde entspricht dann in der Tat nicht den hohen Standards des deutschen Personen- und Urkundenwesens, was dann dazu führt, dass in dem Verfahren des Bundesaufnahmeprogramms die Dokumenten- und Visaberater, wie es ihre Aufgabe ist, darauf hinweisen, dass es Probleme mit diesen Dokumenten gibt. Dann findet etwas statt, wozu wir durch höchstrichterliche Rechtsprechung gehalten sind, nämlich die alternative Glaubhaftmachung der Identität dieser Personen. Dann wird anhand anderer Dokumente und anderer vorgelegter Unterlagen überprüft, ob es sich bei der Person, in deren Geburtsurkunde möglicherweise ein falsches Datum steht, tatsächlich um die betreffende Person handelt. Dazu können andere Dokumente herangezogen werden, dazu können DNA-Prüfungen gemacht werden.
Der Punkt ist: Erst wenn die Identität vollständig geklärt ist und das Sicherheitsinterview durchlaufen ist, kommen diese Leute in die Flugzeuge. Trotzdem kann es natürlich sein, dass sie diese Dokumente mitführen; denn natürlich gibt es auch in Deutschland Situationen, in denen es sinnvoll ist, eine Art von Geburtsurkunde zu haben, selbst wenn sie möglicherweise verfälscht ist, oder einen Proxypass zu haben, mit dem man in bestimmte Länder reisen kann. Dementsprechend leitet die Bundespolizei dann sicherlich von Amts wegen und sicherlich mit gutem Willen Ermittlungen ein. Was daraus dann wird, müssen Sie aber in der Tat die Bundespolizei und die zuständigen Staatsanwaltschaften fragen.
Zusatzfrage
Das war jetzt eine sehr lange Antwort; ich würde trotzdem gerne etwas nachfragen. Ich kann Ihnen sehr gut folgen, Herr Fischer.
Fischer (AA)
Das ist gut!
Zusatzfrage
Was ich allerdings nicht verstehe, ist: Bundespolizisten sind doch in Islamabad an dieser Prüfung beteiligt. Wie erklären Sie dann, dass es nach der Landung erneut diese Kontrolle durch Bundespolizisten gibt und wir dann sofort in der „BILD“-Zeitung lesen müssen: Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung eingeleitet. Arbeitet da eine Stelle gegen die andere oder weiß die linke Hand nicht, was die rechte Hand tut? Das ist ja von außen nicht nachvollziehbar.
Fischer (AA)
Das kann ich nicht abschließend auflösen. Ich kann nur sagen, dass in der Tat die verschiedensten Sicherheitsbehörden einschließlich der Bundespolizei sowohl in Islamabad als auch in Deutschland daran beteiligt sind. Die Passagierlisten werden auch der Bundespolizei hier in Potsdam noch einmal vorab übermittelt. Die Bundespolizisten haben dann bis zum Schluss Gelegenheit, noch einmal eine Rückmeldung zu geben. In vielen Fällen tun sie das auch und sagen, dass ihnen da noch etwas aufgefallen ist, und dann kommen die betreffenden Personen nicht auf den Flieger.
Was ich dazu sagen kann, ist das, was ich gesagt habe: Die Identität der Personen, die ankommen, ist geklärt, diese Personen sind sicherheitsüberprüft, ihre Verfolgungshistorie ist geklärt und ist damals auch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkannt worden. Wenn sie dann ankommen, haben sie alle Ausweise oder Dokumente, die zur Einreise nach Deutschland berechtigen. Es ist ja keine dieser Personen an der Grenze zurückgewiesen worden. Das Einzige, was ich mir vorstellen kann, ist, dass sie weitere Dokumente mit sich geführt haben, die aus Sicht eines deutschen Grenzbeamten verfälscht sind.
Kall (BMI)
Und dann ‑ vielleicht darf ich das ganz kurz ergänzen ‑ herrscht das sogenannte Legalitätsprinzip, das heißt, dann müssen die Bundespolizistinnen und Bundespolizisten, die das kontrollieren, standardmäßig ein Ermittlungsverfahren einleiten. So sieht es das deutsche Recht einfach vor, wenn es einen Anfangsverdacht gibt.
Wie gesagt, Sie können sich ja noch an die Bundespolizei wenden und fragen, wie es in diesen Fällen weitergegangen ist. Auch aus unserer Sicht ist das Entscheidende, dass bei allen Personen, die eingereist sind, die Identität geklärt ist und die Sicherheit mehrfach überprüft worden ist.
Frage
An Herrn Fischer und Herrn Kall: Wie ist denn die Zusammenarbeit mit den Taliban bzw. den afghanischen Sicherheitsbehörden, was die Identitätsüberprüfungen und Sicherheitsüberprüfungen angeht? Welche Behörden bzw. welche deutschen Behörden sind vor Ort in diese Überprüfungen eingebunden?
Fischer (AA)
Sie wissen ja, dass wir mit den Taliban nicht zusammenarbeiten. Gerade wenn es um Menschen geht, die vor den Taliban flüchten und durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sozusagen als Verfolgte des Taliban-Regimes anerkannt werden, kann ich mir nicht vorstellen, dass man in diesem Zusammenhang ‑ oder selbst in einer anderen Situation ‑ Anfragen an die Taliban stellen würde.
Zur Frage, welche Bundesbehörden beteiligt sind: An unserer Botschaft in Islamabad sind Vertreter der Bundespolizei, und zwar sozusagen zwei verschiedene Einheiten, nämlich zum einen die Dokumenten- und Visaberater, die unsere Kolleginnen und Kollegen im Visumsvergabeprozess unterstützen, und zum anderen Bundespolizisten, die die Sicherheitsinterviews mit durchführen. An den Sicherheitsinterviews nehmen zudem Teams des Bundeskriminalamts und des Bundesamtes für Verfassungsschutz teil. Diese prüfen alle aufzunehmenden Afghaninnen und Afghanen auf Herz und Nieren und geben dann entweder ihr grünes Licht, oder sie haben Sicherheitsbedenken, und dann wird den betreffenden Personen die Aufnahmezusage entzogen und sie reisen nicht nach Deutschland.
Noch einmal: Es ist so, wie Herr Kall gesagt hat: Es gibt, glaube ich, kein anderes Visaprogramm, das solch hohe Sicherheitsstandards hat wie das Bundesaufnahmeprogramm.
Zusatzfrage
Also arbeiten Sie praktisch mit gar keinen afghanischen Behörden zusammen?
Fischer (AA)
Sie können davon ausgehen, dass unsere Sicherheitsbehörden auch aus ihrer langjährigen Tätigkeit mit Blick auf unser Engagement in Afghanistan über umfangreiche Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten verfügen. Und nein, wir arbeiten nicht mit Taliban-Sicherheitsdiensten zusammen, die diese Menschen ja verfolgen.
Frage
Bereits im vergangenen Jahr gab es Flüge, bei denen festgestellt wurde, dass irgendetwas nicht richtig stimme, und dann wurden Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes eingeleitet. Gibt es da einen neuen Stand? Ist das inzwischen aufgelöst worden?
Fischer (AA)
In diesen Fällen wurden genau zwei Ermittlungsverfahren gegen zwei Kollegen des Auswärtigen Amtes eingeleitet. Das sind alles noch Vorverfahren, wenn ich das richtig sehe. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ihr Verfahren bereits eingestellt, und ich empfehle Ihnen auch die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Berlin dazu, die die Vorwürfe gegen den betreffenden Kollegen Stück für Stück abarbeitet und zu dem Schluss kommt, dass davon nichts übrigbleibt, weshalb sie noch nicht einmal ein Verfahren eingeleitet hat. Die Staatsanwaltschaft Cottbus prüft weiterhin. Weitere Fragen müssten Sie dann aber an die Staatsanwaltschaft Cottbus richten.
Anschlag auf Touristen im indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir
Frage
Zur Situation in Indien an das AA: Hat sich die Sicherheitslage für deutsche Staatsbürger geändert? Es gab ja noch keine aktualisierte Reise- und Sicherheitswarnung.
Fischer (AA)
Wir haben die Sicherheitslage natürlich fortlaufend im Blick. Es gelten weiterhin unsere aktuellen Reise- und Sicherheitshinweise, die ja auch fortlaufend aktualisiert werden. Ich kann jetzt nicht beurteilen, ob es in den nächsten Minuten oder Stunden eine weitere Aktualisierung geben wird. Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir bereits seit Langem von Reisen nach Jammu und Kaschmir, wo ja dieser furchtbare Terroranschlag stattgefunden hat, dringend abraten.
Lassen Sie mich noch einmal deutlich machen: Die Bundesregierung verurteilt diesen brutalen terroristischen Angriff auf Touristen in Pahalgam auf das Schärfste und steht in diesen Tagen der Trauer solidarisch an der Seite Indiens. Den Angehörigen der Opfer gilt unser tiefstes Mitgefühl. Wir als Bundesregierung wünschen den Verletzten schnelle Genesung. Wie Sie wahrscheinlich gesehen haben, hat sich der geschäftsführende Bundeskanzler Scholz und haben auch wir als Auswärtiges Amt uns bereits am Dienstag auf Bluesky und X dazu geäußert. Auch ein Kondolenzschreiben des Bundespräsidenten wurde bereits an die indische Seite übermittelt.
Zusatzfrage
Hat sich aufgrund der aktuellen Lage aus Sicht der Bundesregierung etwas an der Sicherheitslage in Pakistan geändert? Denn auch Pakistan ist ja in diesen Konflikt involviert.
Fischer (AA)
Auch hier gilt das, was ich vorhin schon gesagt habe: Die Kolleginnen und Kollegen an unseren Botschaften, aber auch bei uns im Krisenreaktionszentrum, halten die Lage fortlaufend im Blick. Ich bin mir sicher, dass sie, wenn das angezeigt ist, auch die Reise- und Sicherheitshinweise noch einmal anpassen werden.
Treffen der nordischen und baltischen Ostseeanrainerstaaten (NB8) sowie der Mitgliedstaaten des Weimarer Dreiecks auf Bornholm
Frage
Meine Frage richtet sich vermutlich an das Auswärtiges Amt: Wenn ich richtig informiert bin, soll es am Montag ein Treffen der NB8, also der nordisch-baltischen Staaten, auf Bornholm in Dänemark geben. Können Sie etwas zu diesem Treffen sagen? Wer ist da vertreten?
Fischer (AA)
Wir kündigen Reisen der Außenministerin ja erst an, wenn sie tatsächlich anstehen.
Zusatz
Montag ist ja relativ bald.
Fischer (AA)
Am Montag findet ja auch noch eine Bundespressekonferenz statt. ‑ Ich gehe sehr davon aus, dass die Bundesaußenministerin an dem Treffen teilnehmen wird. Es ist ein Treffen der NB8, also der nordischen und baltischen Ostsee-Anrainerstaaten, sowie der Vertreterinnen und Vertreter des Weimarer Dreiecks. Sie treffen sich in der Tat auf Bornholm, und zu den wichtigen Themen gehören die Sicherheit des Ostseeraums, die hybride Sicherheit und auch die weitere Sicherheitslage in Europa einschließlich der Bemühungen um eine Friedenslösung in der Ukraine.
Zusatzfrage
Ist dort ausschließlich das Außenministerium vertreten, oder sind auch das Verteidigungs- oder das Innenministerium dabei?
Fischer (AA)
Das Treffen findet auf Ebene der Außenministerinnen und Außenminister statt.
Nuklearprogramm des Iran
Frage
Laut US-Außenminister Marco Rubio seien die USA bereit, Irans Recht auf ein ziviles Atomenergieprogramm zu unterstützen, sofern das Land die Urananreicherung im Inland aufgebe. Man strebe keinen bewaffneten Konflikt an, aber man behalte sich jedes Recht vor, militärisch einzugreifen, falls die Diplomatie scheitere. Wie betrachtet die Bundesregierung diese Äußerung? Was ist Ihre Linie zur Nutzung von Atomenergie durch den Iran?
Fischer (AA)
Wir stehen ‑ das haben wir ja auch schon am Mittwoch besprochen ‑ mit unseren amerikanischen Partnern hinsichtlich des iranischen Atomprogramms in Kontakt. Die Amerikaner sprechen mit den Iranern. Die E3, wir, sprechen mit den Iranern schon seit Längerem auf Ebene der Politischen Direktoren. Wir begrüßen sehr, dass auch unsere amerikanischen Partner wieder den Gesprächsfaden mit Iran aufgenommen haben und sich gemeinsam mit uns darum bemühen, das iranische Atomprogramm einzuhegen.
Ganz grundsätzlich kann ich sagen: Wir sind weiterhin äußerst besorgt über das iranische Nuklearprogramm. In den vergangenen Monaten hat Iran die Lage weiter eskaliert, unter anderem durch die massive Ausweitung der Anreicherungskapazitäten. Eine Lösung hierfür wird umso dringlicher vor dem Hintergrund der UN-Sicherheitsratsresolution 2231, die im Oktober ausläuft.
Vielleicht nur als ein Beispiel dafür, dass die Situation wirklich sehr besorgniserregend ist: Das iranische Atomprogramm war noch nie so weit fortgeschritten wie heute, und Iran reichert auf bis zu 60 Prozent an. Das ist deutlich mehr, als jemals im JCPOA sozusagen vereinbart war, nämlich 30-mal so viel. Zudem baut Iran seine Anreicherungskapazitäten weiter aus. Unser Ziel bleibt es, Iran von seinem Eskalationspfad abzubringen und glaubhafte und belastbare Zusicherungen von Iran zu erhalten, dass das iranische Nuklearprogramm ausschließlich friedlicher Natur ist und keine militärische Zielsetzung verfolgt.
Frage
Herr Fischer, Sie sprachen von der Anreicherung auf mehr als 60 Prozent. Das heißt, es handelt sich dabei um atomwaffenfähiges Material, wenn ich Sie richtig verstehe. Wie weit sieht das Auswärtige Amt Iran denn noch von der Erlangung einer entsprechenden Schlagfähigkeit mit Kernwaffen entfernt?
Fischer (AA)
Darüber werde ich hier nicht spekulieren. Für einen Nuklearbombe braucht man ja verschiedene Elemente. Das eine ist die Anreicherung, das andere sind aber zum Beispiel auch Trägersysteme, Zündmechanismen und solche Dinge. Insofern muss man das alles zusammen betrachten, und vor dem Hintergrund würde ich jetzt hier nicht spekulieren wollen.
Zusatzfrage
Sehen Sie denn, dass der Iran bereit ist, sich von seinen derartigen Zielen zu verabschieden?
Fischer (AA)
Der iranische Außenminister hat ja zumindest gestern sein Interesse an einem konstruktiven Dialog noch einmal unterstrichen. Das ist auch der Grund, warum wir uns als E3 mit dem Iran regelmäßig austauschen und diesbezüglich Kontakt haben. Die Erwartung und Hoffnung ist natürlich, dass es uns durch diplomatische Mittel, aber auch Druck gelingt, den Iran wieder in eine Richtung zu bringen, bei der sein Nuklearprogramm allein zivile Ziele verfolgt.
Nahostkonflikt
Frage
Herr Fischer oder wahrscheinlich auch Frau Hoffmann, die Nachrichten aus Gaza sind katastrophal. Ich habe heute Morgen gelesen, die Mehlreserven seien leer. Es gibt nur 250 Lebensmittelpakete. Das reicht für eine siebenköpfige Familie für zwei Wochen. Israel blockiert die humanitäre Hilfe weiter und nimmt den Tod durch Hunger als eventuelle Kriegswaffe in Kauf. Warum gibt Ihr Ministerium nicht zu, dass diese Art von Kriegsführung Züge eines Kriegsverbrechens hat?
Hoffmann (BReg)
Ich kann dazu zunächst einmal etwas sagen und dann an Herrn Fischer weitergeben. – Sie haben recht: Die humanitäre Lage in Gaza ist schlimm. Wir kritisieren das seit einiger Zeit und jetzt noch einmal verstärkt, seitdem ja im Grunde seit fast einem Monat keine humanitäre Hilfe mehr nach Gaza durchgelassen wird. Auch der Bundeskanzler hat gesagt, dass das so nicht bleiben darf und dass Hilfslieferungen nach Gaza endlich wieder durchgelassen werden müssen. Es muss möglich sein, dass dort die dringend notwendige Hilfe geleistet wird.
Fischer (AA)
Dem habe ich eigentlich gar nichts hinzuzufügen, zumal ich mich ja auch schon am Mittwoch ausführlich und auf ganz genau derselben Linie zu dem Thema geäußert habe. Ich verweise nur noch einmal auf das Statement der E3-Außenministerinnen und -Außenminister vom Mittwoch, in dem dieses Thema ja auch angesprochen worden ist und sozusagen ein sofortiges Ende der Blockade humanitärer Hilfe für den Gazastreifen gefordert worden ist.
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