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Statement von Außenministerin Annalena Baerbock bei der Plenarsitzung des OSZE-Ministerrats in Łódź

01.12.2022 - Rede

Dieses Vorsitzjahr war mehr als schwer – aber es war auch noch nie so notwendig. Die Ukraine, Euer Nachbarland, lieber Zbigniew Rau, wurde am 24. Februar überfallen. Seitdem erleben wir in der Ukraine einen brutalen Angriffskrieg. Nicht nur auf Infrastruktur, sondern gezielt auf die Zivilbevölkerung.

Mehr als 15 Millionen Menschen sind bis heute aus der Ukraine geflohen, die Mehrheit nach oder durch Polen. Und das Drehbuch ist klar: Es geht um die Zerstörung der Ukraine als unabhängiger Staat. Aber es geht auch um die Zerstörung der europäischen Friedensordnung, des internationalen Rechts und dieser unserer gemeinsamen Organisation, der OSZE.

In dieser Lage hast Du, lieber Zbigniew Rau, hast Du, liebe Helga Schmid, die OSZE geführt – als Inbegriff von kooperativer, wertebasierter Sicherheit. Ihr habt die Verpflichtungen aus Helsinki und Paris verteidigt, unsere Werte hoch- und das Leid der Menschen in der Ukraine im Fokus gehalten. Dafür bin ich als deutsche Außenministerin, dafür ist mein Land, dafür sind alle hier im Raum Euch sehr dankbar.

Denn wie bereits gestern Abend gesagt geht es dem russischen Regime um die Zerstörung unserer europäischen Friedensordnung. Es ging ihm darum – so wie es in ein paar Tagen Kiew einnehmen wollte – in ein paar Tagen diese, unsere Organisation zu zerstören. Dass wir das gemeinsam verhindern konnten, war aus meiner Sicht keine Selbstverständlichkeit. Sondern es war möglich durch ein Rückbesinnen auf unsere gemeinsamen Werte:

In dem Moment, in dem das Leben, die Freiheit, der Frieden angegriffen wurden, haben wir uns gemeinsam entschieden: Dafür auf der Seite des Angegriffenen zu stehen, und nicht auf der Seite des Angreifers. Wir haben uns entschieden – bei all unserer Unterschiedlichkeit – uns auf das zurückzubesinnen, was für diese Organisation und die Menschen in unserem gemeinsamen Europa am wichtigsten ist. Und das sind der Frieden, die Freiheit und die Menschenrechte. 55 Länder, so unterschiedlich sie sind, so viel wir auch über andere Themen streiten, haben sich für Frieden und Freiheit entschieden.

Ein Staatspräsident mit seiner Regierung hat sich entschieden, Europa in Feuer und Flammen zu legen. Und es ist an diesem einen Mann, es ist an dieser einen Regierung, dieses brutale Feuer, den Angriff auf unsere gemeinsame Ordnung, endlich einzustellen.

Ich möchte der Generalsekretärin und dem Vorsitz danken, dass sie in diesen Momenten, in denen die Ukraine und unsere Friedensordnung angegriffen wurden, weitergemacht haben – auch mit dem neuen Support Programme for Ukraine. Wir stehen in diesem Moment enger beisammen als je zuvor. Weil wir wissen, worauf es jetzt ankommt: die Menschen in der Ukraine zu unterstützen – aber auch in den Nachbarländern.

Wir haben daher gemeinsam die Moldau-Unterstützungsplattform auf den Weg gebracht, die auch von der OSZE vor Ort mit ihrer Arbeit zu guter Regierungsführung, Korruptionsbekämpfung und zur Eindämmung von Kleinwaffen begleitet wird.

Wir haben uns gemeinsam dafür entschieden – obwohl wir gerade unsere Freiheit und unseren Frieden verteidigen müssen – andere Länder, andere Regionen nicht aus dem Blick zu verlieren.

Denn es ist jetzt wichtig, dass unsere Arbeit gerade in Zentralasien verstärkt weitergeführt wird, dass die regionale Kooperation mit der OSZE dort ausgebaut wird – mit Blick auf Grenzsicherheit, die Bekämpfung von Drogen- und Waffenhandel und die Eindämmung der Klimakrise.

Denn angesichts der komplexen Bedrohungen unserer Zeit kann gerade der umfassende Sicherheitsbegriff der OSZE einen echten Mehrwert für die Menschen bringen. Mit Rüstungskontrolle, mit Cyberkooperation, mit Terrorismusbekämpfung, mit Zusammenarbeit bei Umwelt und Klima – aber auch zu Frauenrechten, Medienfreiheit und Sicherheit.

Denn wir haben erlebt, dass der Angriff auf Frauenrechte und Zivilgesellschaft ein Gradmesser und Warnsignal in Gesellschaften ist. Wir haben das vor Jahren bereits in Russland gesehen. Daher gilt es umso mehr, diese Arbeit gemeinsam auszubauen. Weil wir erleben, dass Destabilisierung auch auf andere Regionen übergreift. Und der beste Schutz gegen Desinformation, Fake-News und Manipulation ist Vertrauen in die eigene Regierung. Und Vertrauen in die eigene Regierung erreicht man durch Transparenz, Selbstkritik und Selbstreflektion.

In diesem Sinne liegen viele Aufgaben vor uns. Die allerwichtigste ist, die Menschen in der Ukraine durch diesen furchtbaren Winter zu bringen. Ich wünsche uns allen dafür nicht nur viel Erfolg – sondern ich bin davon überzeugt, dass wir gemeinsam stärker sind als dieser Krieg.

Und daher, lieber Bujar Osmani, wird das nächste Jahr wahrscheinlich alles andere als einfach werden – aber wir freuen uns schon auf den von Euch organisierten OSZE-Ministerrat und ein Wiedersehen in Skopje.

Ob wir dann deutlich machen können, dass wir gemeinsam diesen Krieg gewonnen haben, das wissen wir noch nicht. Aber wir wissen schon heute: Wir stehen gemeinsam an der Seite der Menschen in der Ukraine – für Frieden und Freiheit.

Ich möchte abschließend eine Frau zitieren, die eine der stärksten Freiheitskämpferinnen in unserem gemeinsamen Europa ist.

Maria Kalesnikova hat gesagt: “Freedom is worth fighting for” – und deshalb kämpfen wir in der OSZE gemeinsam für Frieden.

Thank you.

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