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„Wir wollen, dass die Ukraine auf dem Weg nach Europa bleibt“

03.05.2012 - Interview

Außenminister Guido Westerwelle im Interview zur inhaftierten ukrainischen Ex-Präsidentin Julia Timoschenko sowie über die Zukunft Afghanistans. Erschienen in der Rheinischen Post vom 03.05.2012.

Frau Timoschenko ist im Hungerstreik, die Ärzte der Charité machen sich große Sorgen um ihre Gesundheit, wie viel Zeit hat die ukrainische Führung noch, um zu reagieren?

Frau Timoschenko und andere erkrankte Häftlinge aus der früheren Regierung brauchen unverzüglich angemessene medizinische Behandlung. Deshalb habe ich persönlich gegenüber dem ukrainischen Außenminister das Angebot der Bundesregierung erneuert, dass Frau Timoschenko auch hier in Deutschland ärztliche Behandlung bekommen kann.

Nun wird eine Verlegung der Fußball-EM diskutiert. Wie sehen Sie das?

Ich rate davon ab, den Gesprächsfaden zu durchschneiden. Wir wollen ein gutes Ergebnis für Frau Timoschenko und die anderen Häftlinge.

Wären Sie bereit, Frau Timoschenko persönlich abzuholen?

Es wird alles getan, was nötig ist, um Frau Timoschenko zu helfen. Ich habe sie mehrfach getroffen und sie auch als Oppositionsführerin bewusst aufgesucht, um ein Zeichen zu setzen. Ich bin in großer Sorge um sie.

Kiew spricht vom Kalten Krieg.

Ein abwegiger Vergleich. Die Ukraine selbst hat sich zur Einhaltung von Menschenrechtsstandards verpflichtet. Wir erwarten, dass Kiew diese Verpflichtungen nach den Buchstaben der Verträge und im europäischem Geist erfüllt. Wir wollen, dass die Ukraine auf dem Weg nach Europa bleibt. Die Brücke nach Europa ruht auf den beiden Pfeilern: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Gibt es weitere Instrumente, um den Druck auf die Ukraine zu erhöhen?

Wir setzen die gesamte Palette diplomatischer Möglichkeiten ein, um die Lage zu verbessern. Das ist in erster Linie die Suche nach Lösungen im Gespräch. Mit unseren Partnern in der Europäischen Union sind wir uns einig, dass das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine nicht ratifiziert werden kann, solange sich die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine nicht in die richtige Richtung entwickelt.

Der Nato-Gipfel rückt näher, wird als Ergebnis der Abzugsplan für Afghanistan unumstößlich sein?

Es kann in Afghanistan keine militärische, sondern nur eine politische Lösung geben. Der Aussöhnungsprozess geht voran. Bei der Reintegration von früheren Mitläufern und Mitkämpfern sehen wir ermutigende Erfolge. Der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte liegt ebenso im Plan wie die schrittweise Übergabe der Sicherheitsverantwortung. Es bleibt dabei, dass der Abzug der internationalen Kampftruppen bis Ende 2014 abgeschlossen sein soll.

Wie wollen Sie verhindern, dass die Taliban sich dann wieder breit machen und 13 Jahre Kampf vergeblich waren?

Es darf kein Sicherheitsvakuum entstehen. In diesem Jahr sollen schon mehr als zwei Drittel des Staatsgebietes unter afghanischer Sicherheitsverantwortung stehen. Die letzten terroristischen Attacken in Kabul haben die afghanischen Sicherheitskräften ja schon selbst bekämpft, und zwar in einer Weise, die Experten durchaus Respekt abgenötigt hat. Deutschland und die internationale Gemeinschaft werden auch nach 2014 an der Seite Afghanistans stehen.

Welche Rolle werden die Taliban in einer afghanischen Nachkriegsordnung spielen?

Das Angebot zu Reintegration und Versöhnung steht, setzt aber voraus, dass die Taliban dem Terror abschwören, die Verfassung akzeptieren und grundlegende Menschenrechte, insbesondere die von Frauen, respektieren. Klar ist: Wirklichen Frieden wird es nur geben, wenn ein politischer Ausgleich zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen Afghanistans gelingt.

[...]

Fragen: G. Mayntz. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Rheinischen Post.

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