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„Weg der Reformen entschlossen fortsetzen“

18.05.2013 - Interview

Außenminister Guido Westerwelle über seinen Besuch in Algerien. Erschienen in der algerischen Tageszeitung „El Khabar“ am 18.05.2013.

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Wie bewerten Sie den Stand der deutsch-algerischen Beziehungen zu Beginn Ihres heutigen Besuchs?

Unsere traditionell guten Beziehungen zu Algerien haben sich in den vergangenen zwei Jahren ganz erheblich intensiviert. Alleine die Besuche deutscher Politiker in Algerien haben sich in den vergangen zwei Jahren von zwei auf dreizehn gesteigert! Ich selbst bin heute bereits das zweite Mal seit 2012 in Algier, mein Kollege Medelci war erst im März zu Gast bei mir in Berlin. Und trotz dieser sehr positiven Entwicklung sehe ich in vielen Feldern das Potential für noch intensivere Kontakte zwischen unseren Ländern. Die Zusammenarbeit in Sachen Kultur und der Austausch mit der Zivilgesellschaft liegen mir dabei besonders am Herzen.

Welche Themen werden im Mittelpunkt Ihrer Gespräche mit Ihrem algerischen Amtskollegen stehen ?

Das tägliche Leiden der Menschen in Syrien zu beenden, ist uns beiden ein Herzensanliegen. Wie und mit welchen Mitteln die internationale Gemeinschaft dies erreichen kann, werden wir diskutieren. Wichtig ist mir auch, eine Einschätzung der algerischen Kollegen zur Lage in Mali und im Sahel sowie der Maghreb-Region zu bekommen. Algerien kommt hierbei eine zentrale Rolle zu. Unsere europäische Erfahrung hat uns gelehrt, dass langfristige Stabilität und Sicherheit vor allem durch regionale Kooperation und Integration erreichbar ist. Ich verfolge deshalb mit Interesse, jüngste Bemühungen zu verstärkter regionaler Zusammenarbeit, um grenzüberschreitenden Terrorismus und organisierter Kriminalität zu bekämpfen.

Wie bewerten Sie den Stand der innenpolitischen Reformen in Algerien?

Seit zwei Jahren sehen wir außergewöhnliche Umbrüche in der arabischen Welt. Ich bin überzeugt, dass dies nur die ersten Minuten einer historischen Stunde sind. Dieser Prozess wird noch lange andauern. Algerien verfolgt seinen eigenen Weg. Das hat auch mit den Erfahrungen seiner jüngeren Geschichte zu tun. Seit meinem letzten Besuch im Januar 2012 gab es in Algerien Parlamentswahlen, die Ernennung einer neuen Regierung, Kommunal- und Regionalwahlen sowie jüngst die Einsetzung einer Expertenkommission für die angestrebte Verfassungsreform. Wir begrüßen dies und ermutigen die algerische Regierung, den Weg der Reformen entschlossen fortzusetzen.

Sind der Arabischen Revolution die Werte abhanden gekommen, für die sie angetreten ist?

Ich bin davon überzeugt, dass der mutige Einsatz der Menschen für Freiheit und Würde nicht umsonst ist. Junge Menschen haben ihr tiefes Verlangen nach Würde, Freiheit, Demokratie und wirtschaftlicher Teilhabe zum Ausdruck gebracht und erfahren, dass sie etwas bewegen und Diktatoren verjagen können. Die Herausforderungen, die jedes Land jetzt bewältigen muss, sind immens und könnten unterschiedlicher nicht sein. Auf diesem Weg wird es auch Rückschläge geben. Auch Deutschland hat nach der Wende 1989 nicht innerhalb von 2 Jahren alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme der Deutschen Einheit gelöst. Wir brauchen deshalb strategische Geduld.

Halten Sie eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Algerien für wichtig, damit Investitionen gelingen können?

Die Bekämpfung von Terrorismus ist eine gemeinsame Aufgabe der internationalen Gemeinschaft. Sicherlich spielt die Sicherheit des Standorts bei unternehmerischen Entscheidungen eine wichtige Rolle. Wir begrüßen es deshalb, dass die algerische Regierung nach der Geiselnahme von In Amenas Maßnahmen getroffen hat, um die Anlagen internationaler Unternehmen verstärkt zu schützen.

Ist die Bundesregierung bereit, den algerischen Wunsch nach Technologietransfer zu erfüllen?

Der Transfer von Wissen und Technik geht im besten Fall auf ganz natürliche Weise mit wirtschaftlichem Austausch einher. Als Liberaler bin ich überzeugt, dass kein staatliches Projekt den direkten Austausch algerischer und deutscher Unternehmen ersetzen kann. Und weil die deutschen Unternehmen in vielen wissens- und technikrelevanten Bereichen ein so ausgeprägtes Interesse an Algerien haben, ist mir eines besonders wichtig: ein gutes Geschäftsklima für die deutsche Investitionen in Algerien. Dazu gehören transparente Verfahren, rechtsstaatliche Entscheidungen, Vertragstreue. Algerien unternimmt hier Anstrengungen. Das begrüße ich sehr.

Minister Medelci hat bei seinem Besuch in Deutschland von der Möglichkeit einer vertieften Zusammenarbeit im Feld der Berufsbildung gesprochen – halten Sie das für möglich?

Wir freuen uns über das große Interesse in Algerien an der deutschen Berufsausbildung. Wir haben das Thema im Rahmen der dritten gemeinsamen Wirtschaftskommission in Berlin im Mai 2013 diskutiert und vereinbart, eine engere Kooperation zu prüfen. Bereits heute engagieren sich Unternehmen wie Linde bereits in der Ausbildung vor Ort. Ich freue mich, wenn sich unsere Beziehungen auch in diesem Bereich noch weiter intensivieren können.

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