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Rede von Außenministerin Annalena Baerbock zur Eröffnung der 6. Deutsch-Belgischen Konferenz „Klimawandel und Energiewende: deutsch-belgische Lösungsansätze für die Herausforderungen unserer Zeit“

18.10.2022 - Rede

Unsere beiden Länder sind sich sehr nah – wie nah, das haben mir zu Beginn meiner Amtszeit meine Kolleginnen und Kollegen hier im Auswärtigen Amt mit einer kleinen Anekdote erklärt.

Sie haben gesagt: Es kommt vor, dass deutsche Diplomatinnen und Diplomaten bei offiziellen Terminen im Ausland nicht die deutsche, sondern die belgische Flagge auf Konferenztischen und in Pressesälen vorfinden.

Manchmal versuchen ihre Gegenüber dann, ganz unauffällig diese Verwechslung aufzulösen, indem sie die Flagge umdrehen, auf den Kopf stellen.

Aus Sicht des diplomatischen Protokolls ist das natürlich ein unverzeihlicher Fehltritt – aber unsere Kolleginnen und Kollegen nehmen das eher amüsiert auf und schelten unsere internationalen Partnerinnen und Partnern nicht.

Denn wir sehen es als Ausdruck dessen, dass eben nicht nur unsere Flaggen sehr ähnlich sind – sondern wie nah sich die Menschen in unseren Ländern sind. Als einen Ausweis dafür, wie eng Belgien und Deutschland eben zusammenstehen:

International, bei den vielen Treffen, die wir im europäischen Kreis in der EU haben – aber in diesen Zeiten gerade auch in der NATO.

Angesichts des brutalen russischen Angriffskrieges sind wir in Europa und im transatlantischen Bündnis seit dem 24. Februar nochmals enger zusammengerückt.

Und als Nachbarn haben wir eine offene Grenze, über die sich jeden Tag ganz selbstverständlich tausende Menschen bewegen auf dem Weg zur Arbeit, an die Uni oder zu Familie und Freunden – ohne dass sie überhaupt wahrnehmen, dass sie zwischen zwei Ländern hin- und herfahren.

Über unsere Unternehmen haben wir jedes Jahr einen Handel von mehr als 100 Milliarden Euro – und gerade auch in der Zusammenarbeit im wissenschaftlichen Bereich, zwischen Universitäten und Schulen, sieht man die Nähe zwischen unseren beiden Gesellschaften – und eben nicht nur zwischen unseren Regierungen.

Foren wie die deutsch-belgische Konferenz sind für diese Nähe ein besonderer Ausdruck. Sie bringen nicht nur Diplomatinnen und Diplomaten zusammen. Sondern die deutsch-belgische Konferenz zielt darauf ab, die engen Beziehungen zwischen unseren Gesellschaften auszubauen. Deswegen treffen sich heute hier Wissenschaftlerinnen und Unternehmerinnen, Politikerinnen und Politiker, aber auch viele Akteure der Zivilgesellschaft.

Alle gemeinsam heiße ich Sie hier im Auswärtigen Amt sehr herzlich willkommen!

Die deutsch-belgische Konferenz wurde ins Leben gerufen, um bei zentralen Themen, bei denen Deutschland und Belgien bereits sehr eng kooperieren, nochmal in den vertieften Austausch zu gehen.

Und daher ist es kein Zufall, dass dieses Jahr als Konferenzthema der Austausch zu Klimafragen und zu Energiepartnerschaften im Mittelpunkt steht. Denn gerade bei Klimaschutz und Energiepolitik arbeiten unsere Länder schon seit langem zusammen.

Wir sehen die großen Herausforderungen, vor denen wir derzeit stehen.

Mit Blick auf den brutalen russischen Angriffskrieg und die europäische energiepolitische Verwundbarkeit.

Aber auch mit Blick auf die Tatsache, dass die Klimakrise mittlerweile die größte Sicherheitsgefahr in diesem Jahrhundert darstellt.

Daher widmet sich diese Konferenz der Klimakrise und der grünen Transition – auch als kleiner Auftakt für die in wenigen Wochen beginnende internationale Klimakonferenz COP27 in Ägypten.

Als Industriestaaten haben Länder wie Deutschland und Belgien eine besondere Verantwortung:

Dafür, unsere Emissionen zu reduzieren, um endlich auf den 1,5 Grad-Pfad zu kommen.

Und zugleich dafür, anderen Ländern und Regionen, in denen die Klimakrise bereits das größte Sicherheitsrisiko ist, deutlich zu machen: Wir sind solidarisch mit den Menschen dort und stehen an ihrer Seite.

Denn diese Länder und Regionen haben am allerwenigstens zum Klimawandel beigetragen – aber bereits heute leiden sie am heftigsten unter starken Fluten, Dürren und Stürmen.

Die Klimakrise und ihre Bewältigung ist für viele Staaten der Welt, besonders in Afrika, im Nahen Osten und in Asien, mittlerweile eine der zentralen außenpolitischen Fragen.

Denn wenn die Klimakrise das größte Sicherheitsrisiko für die eigene Gesellschaft darstellt, dann ist sie auch ein Schlüsselthema für die internationale Zusammenarbeit.

Deshalb ist es so wichtig, dass auch wir – die EU und Länder wie Deutschland und Belgien – die Klimapolitik ins Zentrum unserer Außenpolitik stellen, anstatt sie als Randthema zu behandeln, wie das vielleicht in noch in vergangenen Jahren der Fall war.

Auf unseren Sprechzettel stand damals: Zu Klimafragen werden unsere Umweltminister sprechen.

Aber nein, Klimapolitik ist im Kern auch Außenpolitik. Wenn wir den Eindruck hinterlassen, dass wir diese Themen nicht ernst nehmen, dann fragen uns zurecht unsere Kolleginnen und Kollegen weltweit:

Ihr bittet uns in diesen Tagen, an Eurer Seite zu stehen. Aber warum steht Ihr nicht an unserer Seite, wenn unser größtes Sicherheitsrisiko – nämlich die Klimakrise – uns derart bedroht?

Zentral ist dabei auch die Frage der Migration. Denn egal ob man mit Außenministerinnen und Außenministern aus dem Irak, aus Chile oder Bangladesch spricht – alle sagen sehr deutlich: Wenn Klimafolgen auftreten, mit Überschwemmungen oder in anderen Regionen mit Trockenheit und fehlendem Wasser – dann bewegen sich Menschen.

Klimabedingte Migration ist daher eine große Herausforderung, wenn es um Sicherheit geht – und diese Migration macht natürlich wie CO2 nicht an Grenzen Halt.

Daher ist es so wichtig, dass wir in unserer Außenpolitik die Klimaaußenpolitik als Kernstück verankern. Für unsere internationale Glaubwürdigkeit. Aber auch aus Eigeninteresse, denn wir haben in den letzten Jahren und diesen Sommer gespürt, wie heftig die Klimakrise auch bei uns bereits zuschlägt.

Darum geht es bei dieser Konferenz:

Darum, wie wir selbst zu Emissionsreduktion beitragen. Darum, wie wir in Zukunft unsere humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Klimafinanzierung enger verzahnen können. Und darum, wie wir Klimapartnerschaften mit Drittstaaten aufbauen, für eine Weiterentwicklung von erneuerbaren Energien. Aber nicht im Sinne von Charity, die wir anderen zur Verfügung stellen. Sondern als Energiepartnerschaften, mit grünen Technologien, die wir auch als außenwirtschaftliches Instrument nutzen. Diese Partnerschaften basieren auf dem Pariser Klimavertrag – und berücksichtigen immer, dass wir die Klimakrise nur gemeinsam meistern können.

Ihr, liebe Hadja Lahbib, seid beim Thema Wasserstoff und vor allem grünem Wasserstoff ganz vorne mit dabei. Durch die Pipelines, die aktuell aus Zeebrügge in Belgien Deutschland mit Gas versorgen, könnte in Zukunft einmal grüner Wasserstoff fließen. In der jetzigen Situation schaffen sie vor allem Sicherheit gegen die hybride Kriegsführung Russlands im Gasbereich.

Gemeinsam mit den Niederlanden und Dänemark arbeiten wir darüber hinaus am Ausbau der Offshore-Windkraft in der Nordsee.

Und, liebe Hadja, das belgische Außenministerium hat jüngst Klimadiplomatie zum neuen Querschnittsthema seiner Entwicklungszusammenarbeit gemacht – vielleicht können wir uns da bei Euch etwas für unsere neue Klimaaußenpolitik im Auswärtigen Amt abschauen. Bei uns ist natürlich die Entwicklungszusammenarbeit in einem anderen Haus angesiedelt – aber wir arbeiten beim Querschnittsthema Klima als AA eng mit dem BMZ zusammen.

Der ehemalige belgische Premierminister und große Europäer Paul Henri Spaak hat einmal gesagt: „Für verlorene Gelegenheiten in der Politik gibt es kein Fundbüro.“ Das gilt gerade auch für die internationale Klimapolitik: Wenn wir jetzt nicht handeln, gibt es kein Zurück mehr. Das CO2, das einmal in die Atmosphäre ausgestoßen wurde, können wir kaum von dort zurückholen.

Vor uns liegen so viele Gelegenheiten für mehr Ambition, für mehr Solidarität und vor allem für noch tiefere Zusammenarbeit – für die Menschen in unseren beiden Ländern und gerade auch weltweit.

Lassen Sie uns gemeinsam diese Gelegenheiten, die jetzt gerade auch in dieser Krise vor uns liegen mit Blick auf den Ausbau erneuerbarer Energien und der grünen Transition, im wahrsten Sinne des Wortes am Schopfe packen – bei dieser Konferenz, auf dem Weg nach Sharm el Sheikh und in den nächsten Jahren.

In diesem Sinne wünsche Ihnen heute gute Gespräche, neue Kontakte – und dass wir das nächste Mal, wenn eine Flagge falsch aufgestellt ist, daran denken, wie viel wir gemeinsam bewegen können.

Herzlichen Dank, merci beaucoup und Heel erg bedankt!

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