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Rede von Außenminister Heiko Maas anlässlich der Eröffnung des “Berlin Energy Transition Dialogue”: “Towards Climate Neutrality”

16.03.2021 - Rede

Wenn wir in fünf, zehn oder zwanzig Jahren zurückblicken auf unsere Zeit, auf diese weltumspannende Pandemie, woran werden wir uns dann wohl erinnern? An die aktuellen Debatten über knappen Impfstoff, Inzidenzwerte oder Risikogebiete? Wohl eher nicht – so bestimmend all‘ diese Fragen für unseren Alltag derzeit sindauch sein mögen. Zu flüchtig ist die Erinnerung, und zu schnelllebig ist auch unsere Zeit.

Zwei Erfahrungen aber, die wir in dieser Krise gemacht haben, werden hoffentlich bleiben.

Zum einen die Erfahrung, was exponentielles Wachstum bedeutet – und welche dramatischen Folgen es haben kann: in einer Pandemie, und genauso wie in derin einer Klimakrise, und zwar in der, über diewo Forscherinnen und Forscher schon seit Jahrzehnten berichten und davor warnen vor allen Dingen warnen vor einem exponentiellen Wachstum.

Zum anderen haben wir in dieser Krise erlebt, dass wir nicht machtlos sind, wenn wir entschlossen und geschlossen handeln. Dass wir selbst globale Katastrophen mit Hilfe der Wissenschaft und der Vernunft in den Griff bekommen können. In nur wenigen Monaten wurden wirksame Impfungen entwickelt. Und durch unser Verhalten haben wir die Infektionskurven mal beschleunigt, aber eben auch gedrückt.

Dieses „Yes we can!“, meine sehr verehrten Damen und Herren, brauchen wir auch mit Blick auf die Energiewende. Denn John Kerry, der heute Nachmittag zu uns sprechen wird, hat natürlich Recht: Die Lösung der Klimakrise liegt in der Energiepolitik.

Und damit ein herzliches Willkommen zum Berlin Energy Transition Dialogue im Auswärtigen Amt!

Es geht heute darum, die Weichen für die globale Energiewende zu stellen. Und seit einigen Monaten bin auch ich deutlich zuversichtlicher, dass uns das gelingtgelingen kann:

Die Stimmen aus aller Welt für den Klimaschutz waren noch nie so laut wie heute.

Europa hat sich vorgenommen, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent weltweit zu sein. Auch bei den Schritten dorthin haben wir während der deutschen Ratspräsidentschaft in der EU das Tempo deutlich erhöhterhöhen können: Bis 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen um mindestens 55% unter den Wert von 1990 sinken.

Wichtige Partner weltweit – darunter China, Japan, Südafrika und Südkorea – ziehen mit und haben sich ebenfalls zum Ziel der Klimaneutralität bekannt.

Die USA sind zurück an Bord.

Und auch das Interesse an dieser Konferenz ist so groß wie nie zuvor. Mehr als 50 Außen- und Energieministerinnen und -minister aus allen Kontinenten sind auf unseren Panels zugeschaltet. Menschen auf der ganzen Welt verfolgen die Konferenz im Internet. Schön, dass Sie dabei sindSie bei uns zu haben!

Ich denke, wir sind uns alle einig, dass die 20er Jahre eine Dekade der Investitionen in nachhaltige Technologien werden müssen. Der Europäische Green Deal der EU-Kommission ist dabei ein wichtiges Zugpferd. – Ursula von der Leyen wird ganz sicher darüber sicher gleich noch ausführlich sprechen.

Auch der Weg aus der Corona-Krise führt über „Green Recovery“ und eine Energiewende, die sich als Grundstein wirtschaftlichen Aufschwungs und der sozialen Erholung versteht. Dazu zählen eine umfassende CO2-Bepreisung und die Sicherung fairer Wettbewerbsbedingungen durch einen WTO-konformen CO2-Grenzausgleich. Daran sollten wir, auch gemeinsam mit den USA, in den kommenden Monaten arbeiten – nicht zuletzt auch mit Blick auf die UN-Klimakonferenz in wenigen Monaten in Glasgow.

Wir sind zum Erfolg verdammt, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir das Ziel der Klimaneutralität erreichen wollen, sind wir zum Erfolg verdammt. Aber der Weg dahin wird nicht linear verlaufen.

Klimaneutralität ist mehr als nur eine Frage von Windrädern, Elektroautos und Ladesäulen. Es geht auch um die Verschiebung globaler Machtverhältnisse, um Energiesicherheit, die Umstrukturierung von Handelsströmen und um die Sicherung von Wasser- und Nahrungsmittelzugang.

Ich will das an einem ganz zentralen Beispiel verdeutlichen: Wasserstoff. Zusammen mit den Erneuerbaren Energien bietet Wasserstoff den Ausweg aus der globalen Klimakatastrophe, in die uns fossile Brennstoffe hineingeführt haben. Dementsprechend entsteht hier gerade ein riesiger Zukunftsmarkt.

Wenn Erdöl früher als das „Schwarze Gold“ bezeichnet wurde, dann ist Wasserstoff das unsichtbare Gold der Zukunft.

Fossile Brennstoffe haben bislang die politische und ökonomische Weltkarte geprägt. Ganze Regionen haben davon profitiert. Weltkonzerne wie Standard Oil, Exxon, Chevron, BP und Shell und Kartelle wie die OPEC sind auf diese Weise entstanden. Handelsrouten wie die Straßen von Hormuz oder Malakka wurden zu neuralgischen Punkten der Weltwirtschaft. Und immer wieder war Erdöl auch Anlass für zwischenstaatliche Konflikte, insbesondere natürlich vor allen Dingen im Mittleren Osten.

All‘ das, meine Damen und Herren, wird sich verändern. Zugleich entstehen neue, inklusivere Energieräume – und zwar weltweit, denn Wasserstoff lässt sich fast überall auf der Welt produzieren. Diese Chance zu nutzen und zugleich die Risiken des weltweiten Umbruchs in der Energiepolitik zu minimieren – das ist es, was wir mit unserer Wasserstoff-Außenpolitik erreichen wollen.

Zuallererst geht es jetzt um den Aufbau neuer Partnerschaften. Deutschland und die EU werden auch 2050 große Mengen Energie importieren müssen, vor allem in Form von Wasserstoff. Dafür brauchen wir die enge Kooperation mit allen Weltregionen.

In Chile, Marokko oder Australien werden bereits heute mit Hilfe von Windkraft und Solarenergie große Pilotanlagen für die Produktion von grünem Wasserstoff gebaut. Und darauf wollen wir aufbauen: Deutschland investiert in den nächsten Jahren zwei Milliarden Euro, um einen internationalen Wasserstoffmarkt zu stimulieren.

Zweitens: Wir müssen auch die heutigen Exporteure fossiler Brennstoffe unterstützen, wenn wir weltpolitische Disruptionen vermeiden wollen. Das Auswärtige Amt wird hierfür den Dialog mit fossilen Produzenten wie Russland, Saudi-Arabien und anderen ausbauen, damit sie rechtzeitig auch ihre Geschäftsmodelle anpassen. In diesem Sinne arbeiten wir zurzeit an der Einrichtung von Wasserstoff-Büros unter anderem in Moskau und Riad.

Drittens, muss ein künftiger globaler Wasserstoffmarkt offen sein für alle. Das gelingt aber nur mit verbindlichen internationalen Absprachen. Es geht zum Beispiel um die Frage, was wir unter „grünem Wasserstoff“ verstehen. Aber auch um Fragen von Marktzugang und Konnektivität.

Darüber sind wir mit der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien, der Internationalen Energieagentur und den G20 längst im Gespräch. Gemeinsam mit der Europäischen Kommission arbeiten wir an internationalen Standards, Förderinstrumenten und Zertifizierungsmodellen für um grünemn Wasserstoff den Weg zu bereiten.

Meine Damen und Herren,
knapp 30 Jahre bis zur Klimaneutralität sind nicht mehr viel Zeit, um den dafür nötigen enormen technologischen, politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel über die Bühne zu bringen. Aber denken wir daran, welche Kräfte wir im Kampf gegen die Coronoa-Pandemie mobilisiert haben.

Wir sind nicht nur die erste Generation in der Weltgeschichte, die eine solche Pandemie in wenigen Monaten besiegen kann. Wir sind auch die letzte, die den Klimakollaps verhindern kann. Vor allem aber sind wir alles andere als machtlos.

Darin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liegt die Chance dieses Jahrhunderts.

Unsere Chance.

Vielen Dank!

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