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„So wird die Energiewende zum Exportschlager“

05.04.2019 - Namensbeitrag

Beitrag von Außenminister Heiko Maas anlässlich des am 9. und 10. April im Auswärtigen Amt stattfindenden Berlin Energy Transition Dialogue. Erschienen in der Wirtschaftswoche.

Auf meinen Reisen als Außenminister passiert eine Sache eher selten: dass mich Kollegen auf Deutsch ansprechen. Nur wenige kennen mehr als zwei, drei deutsche Wörter. Und doch gibt es Begriffe, die weltweit verstanden werden, für die es nicht einmal eine Übersetzung gibt. So spricht man auch im Englischen vom Reinheitsgebot, vom Wirtschaftswunder, von Ostpolitik. Und neuerdings von der Energiewende. “Tell me more about Energiewende”, habe ich nicht erst einmal gehört.

Der Grund dafür ist: Der Klimawandel ist real, er wirkt global. Und das, was wir uns in Deutschland als „Energiewende“ vorgenommen haben, spielt sich inzwischen in viel größerem Maßstab auch weltweit ab. Der Anfang vom Ende des Zeitalters fossiler Energieträger ist eingeleitet. Schon ab Mitte der 2020er-Jahre soll die weltweite Erdölproduktion laut Studien sinken. Gleichzeitig werden Erneuerbare Energien immer wettbewerbsfähiger.

Diese globale Energiewende eröffnet große Chancen – nicht nur für Länder wie Deutschland oder China, die frühzeitig das Potenzial erneuerbarer Energien erkannt haben. Auch viele Entwicklungsländer werden profitieren. Energie aus Sonne, Wind und Wasser bietet ihnen die Chance, das fossile Zeitalter quasi zu überspringen, ihre Abhängigkeiten zu reduzieren und die Energieversorgung ihrer Bevölkerung und ihrer Wirtschaft zu sichern.

Doch es wird nicht nur Vorteile und Gewinner geben. Mit der Bedeutung von Erdöl und Erdgas wird die Rolle maritimer Handelswege abnehmen, während jene von Netzen zum Transport erneuerbarer Energien zunimmt. Solche kritische Infrastruktur muss künftig besser geschützt werden. Zwar sind Sonne, Wind und Wasser als Energiequellen viel gleichmäßiger auf der Welt verteilt als Öl und Gas. In öl- und gasreichen Ländern aber wird das Risiko ökonomischer Krisen und die Gefahr politischer Instabilität steigen.

Klimapolitik ist keine reine Umweltpolitik und spätestens seit #fridaysforfuture auch Gesellschaftspolitik. Sie ist Wirtschafts-, Gesundheits-, aber eben auch Sicherheits- und Außenpolitik. Die geopolitischen Folgen der Energiewende müssen wir dementsprechend umfassend gestalten. Ob und wie uns das gelingt, das ist eine der großen Zukunftsfragen. Sie entscheidet ganz wesentlich über Deutschlands Rolle und Einfluss in einer post-fossilen Welt.

Fünf Weichen müssen wir dafür richtig stellen: Zunächst einmal müssen wir den in Deutschland eingeschlagenen Weg konsequent fortsetzen und unsere Energiewende zum Erfolg führen. Wenn Erneuerbare Energien heute bereits 40 Prozent zur Stromproduktion in Deutschland beitragen, dann ist das nicht nur ein klimapolitischer Fortschritt. Es ist ein entscheidender Schritt hin zu energiepolitischer Unabhängigkeit Deutschlands, zu größerer europäischer Souveränität. Wie wichtig das ist, das haben die kontroversen Debatten um Gaskraftwerke als Brückentechnologie und um die Gaspipeline Nord Stream 2 gezeigt.

Zweitens wird der Klimawandel immer mehr zur Gefahr für Frieden und Sicherheit. Schon jetzt ist absehbar, dass Dürren, Überschwemmungen und andere klimabedingte Katastrophen dramatische Auswirkungen auf Frieden und Sicherheit weltweit haben. Deshalb machen wir die sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels zu einem Schwerpunkt unserer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in den nächsten zwei Jahren.

Drittens werden wir unsere Bemühungen um ein Fortschreiten der globalen Energiewende noch einmal intensivieren. Wenn etwa heutige Erdölexporteure ihre Geschäftsmodelle nicht rechtzeitig anpassen, droht politische Instabilität auch über die jeweiligen Landesgrenzen hinaus. Das wollen wir durch vorausschauende Politik abfedern, beispielsweise, indem wir Partnerschaften zur Diversifizierung der jeweiligen Wirtschaftsmodelle anbieten. Die deutsche Wirtschaft ist dafür ein hervorragender Partner.

Viertens müssen wir die regionale Vernetzung vorantreiben: Zum einen innerhalb der EU – durch die Umsetzung der Energieunion und gezielte Technologietransfers. Zum anderen brauchen wir neue, engmaschigere Energienetze mit unseren Nachbarn. Das gilt besonders für die Länder Nordafrikas, die dank Solarenergie künftig zu wichtigen Energieexporteuren werden können. Wenn wir die geopolitischen Folgen der Energiewende bewältigen wollen, dann brauchen wir solche neuen, strategischen Partnerschaften. Deshalb sind wir bereit, Investitionen deutscher Unternehmer in Erneuerbare Energien in Entwicklungsländern noch gezielter zu fördern. Das bringt mehr Energiesicherheit und weniger Konflikte.

Wir werden uns, fünftens, für globale Standards im Bereich der Erneuerbaren einsetzen. Unser Ziel ist, dass die Technologien breit verfügbar sind und wachsende Märkte offen bleiben für europäische Unternehmen. Auch in diesen Fragen gilt: Europa ist bereit für Zusammenarbeit mit allen, solange faire Regeln gelten.

Für viele Länder sind wir bei der Energiewende ein Vorreiter. Wir werden diese Rolle stärker nutzen, um auch international Tempo zu machen. Dem dient der Berlin Energy Transition Dialogue, zu dem in den nächsten Tagen Außen-, Energieminister und Experten aus über 90 Ländern nach Berlin kommen. Denn in der globalen Energiewende liegt eine Riesenchance – gerade für Deutschland. Umso schöner, wenn dafür dann von Neu Delhi bis New York auch ein deutsches Wort genutzt wird.

www.wiwo.de

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