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Rede von Außenminister Heiko Maas anlässlich der Konferenz “Green Central Asia-Initiative”

28.01.2020 - Rede

Ein Kollege hat vor kurzem zu mir gesagt, dass die eigentliche Tätigkeit eines Außenministers sei „das Überwinden von Grenzen“. Er meinte das zunächst wohl durchaus wörtlich: Jede Reise ins Ausland beginnt mit dem Überqueren einer Grenze. Und aus Grenzen ergibt sich ja überhaupt erst die Notwendigkeit für Außenpolitik. Der Kollege wollte aber noch auf etwas anderes hinaus. Nämlich darauf, dass Außenpolitik vor allem mental beweglich sein muss. Weil wir nur so auch die Grenzen in unseren Köpfen überwinden, die es nach wie vor gibt. Vielleicht ist das gerade heute wichtiger denn je.

Die Herausforderungen unserer Zeit – die Digitalisierung, die Globalisierung, die Migration, der Klimawandel - haben alle eines gemeinsam: Sie kennen keine Grenzen. Und deshalb reichen heute rein nationale Antworten auf alle diese Herausforderungen nicht mehr aus.

Nirgends wird das so deutlich wie beim Klimawandel. Wenn der Meeresspiegel steigt, Smog die Luft verpestet, ganze Länder austrocknen oder überschwemmt werden, Regionen von der Größe deutscher Bundesländer brennen, dann ist das kein Problem eines einzelnen Staates oder einer einzelnen Region. Sondern das betrifft uns alle. Wo die Lebensgrundlagen von Menschen bedroht sind, da sind Konflikte vorgezeichnet. Was als ökologische Herausforderung begonnen hat, ist vielerorts längst zu einer Frage von Sicherheit und Stabilität geworden.

Meine Damen und Herren,
die Staaten Zentralasiens und Afghanistan sind besonders stark vom Klimawandel betroffen.

  • Ich rede hier nicht nur vom Rückgang des Aralsees.
  • Überall in der Region hat die Gefahr von Bergrutschen, Lawinen und Überschwemmungen zugenommen.
  • Wetterextreme werden immer häufiger – denken wir nur an die lange Dürre 2018 oder an die jüngste Kältewelle in Afghanistan. Viele Menschen sind dabei gestorben. Und viele mussten ihre Heimat verlassen.

Wenn der Klimawandel keine Grenzen kennt, so darf auch unsere Antwort darauf keine Grenzen mehr kennen.

Mit “My country first” kommen wir dabei nicht besonders weit. Denn am Ende bedeutet das mit Blick auf unsere gemeinsamen Lebensgrundlagen nichts anderes als: Jeder gegen jeden. Wir haben deshalb die sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels, die es längst gibt, zu einem Schwerpunkt unserer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gemacht. Unterstützt werden wir dabei von einer Freundesgruppe, an der bereits 48 Staaten, darunter auch Afghanistan, teilnehmen. Und ich würde mich sehr freuen, wenn sich auch die Staaten Zentralasiens dieser Freundesgruppe zu Klima und Sicherheit anschließen würden. Ihre Regionalerfahrung wäre für unsere Arbeit dort eine große Bereicherung. Schließlich gehen Sie mit “Green Central Asia” einen gemeinsamen Weg. Die Idee, klimabedingte Sicherheitsrisiken regional, über Grenzen hinweg zu behandeln, macht Ihre Region auch zu einem Vorbild für andere Länder.

Das Fundament für eine solche Kooperation gibt es bereits seit über zehn Jahren - dank der Zentralasien-Wasserinitiative, dem sogenannten „Berliner Prozess“. Damit wurde das Thema Wasser von einem heiklen Streitthema, von einem Konflikttreiber, nun zu einem Thema für grenzüberschreitende Verständigung. Dabei wissen Sie alle besser als ich, wie groß das Konfliktpotential noch vor einigen Jahren war. Denken wir an die Verteilungskonflikte zwischen wasserreichen Ländern am Oberlauf von Flüssen und solchen am Unterlauf, die unter Wasserknappheit litten. Umso bemerkenswerter war das Gipfeltreffen im Jahr 2018, bei dem alle zentralasiatischen Länder gemeinsam überlegt haben, wie man beim regionalen Wassermanagement besser kooperieren kann. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben aber auch gezeigt, dass wir uns breiter aufstellen müssen. Wasser ist nur ein Teil der komplexen Realität, vor die uns der Klimawandel stellt. Es geht um Gletscherschmelze, Wüstenbildung und um den Verlust von Ackerland. Und um die Auswirkungen all dieser Entwicklungen auf Ernährungssicherheit und auch Migration.

Wir müssen uns auch auf diese Folgen des Klimawandels einstellen. Um nicht nur reagieren zu können, müssen wir die Risiken früher erkennen, sie bewerten und die richtigen Konsequenzen daraus ziehen. Und wir müssen in die Resilienz, in die Widerstandsfähigkeit der betroffenen Menschen investieren.

Genau darum geht es bei “Green Central Asia”. Und ich freue mich, dass wir dabei kompetente Mitstreiter haben: die Experten des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung oder des Geo-Forschungs-Zentrums.

Meine Damen und Herren,
hinter “Green Central Asia” steht ein weiteres klares Prinzip, nämlich das der Vernetzung. Vernetzung zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie der Zivilgesellschaft. Vernetzung aber auch zwischen Deutschland und den zentralasiatischen Staaten und Afghanistan. Uns ist genau diese Zusammenarbeit ganz besonders wichtig. Wir glauben an das große Potential Ihrer Länder und Ihrer jungen Bevölkerung. Und wir haben großes Interesse an nachhaltiger Stabilität und Wachstum in der ganzen Region. Deshalb haben wir uns auch so stark für die EU-Zentralasienstrategie eingesetzt. Und ich freue mich ganz besonders, dass Josep Borrell heute hier ist und mit seiner Anwesenheit diesem Thema auch für die EU ein ganz besonderes Gewicht gibt. Wir, als Mitgliedsland der EU, spüren jeden Tag, wie wichtig regionale Integration ist. Deshalb möchten wir auch Zentralasien dabei unterstützen, seine Interessen als Region stärker als bisher zu definieren und auch vertreten zu können.

Es ist natürlich kein Zufall, dass Afghanistan heute mit dabei ist. Ihre Länder insgesamt werden zwar von Grenzen geteilt, auch von den politischen Verwerfungen der letzten Jahre und Jahrzehnte. Aber ich bin fest davon überzeugt: Sie verbindet deutlich mehr als sie trennt:

  • ein weit zurückreichendes kulturelles und historisches Erbe,
  • gemeinsame Wasserressourcen,
  • und natürlich die Herausforderungen des Klimawandels.

Deshalb ist es uns so wichtig, dass sich die Zusammenarbeit der zentralasiatischen Staaten mit Afghanistan in Sachen Infrastruktur, Wirtschaft oder Bildung in den letzten Jahren entwickelt hat. Wir werden das weiter unterstützen, denn wir verfolgen dieselben Ziele: Sicherheit und Stabilität in und um Afghanistan und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in der Region. Kurzum: Wir wollen die Bedingungen schaffen für Frieden und für Wohlstand. Deshalb haben wir vor gut einem Jahr die Konnektivitätsstrategie EU-Asien ins Leben gerufen. Dabei geht es darum, den Ausbau von Wegen, Verbindungen und Netzen über den Kontinent hinweg zu verbessern. Basierend auf gemeinsamen Regeln und vor allen Dingen ausgerichtet auf Nachhaltigkeit. Sei es durch ein Projekt wie die “Green Ports” am Kaspischen Meer oder durch den Ausbau digitaler Netze.

Je enger wir, je enger die Menschen in Ihren Regionen miteinander verbunden sind, umso mehr können wir auch gemeinsame Lösungen finden. Zentralasien spielt dabei nicht nur dem Namen nach, sondern auch aufgrund seiner Lage zwischen Europa, Russland, China und Südasien eine, wenn nicht die zentrale Rolle.

Meine Damen und Herren,
wenn ich gerade über Nachhaltigkeit gesprochen habe, ist mir in diesem Zusammenhang besonders wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen: Diese Konferenz heute, sie darf keine Eintagsfliege sein. Deshalb ist sie auch eingebettet in einen Prozess, den wir zusammen mit Ihnen weiter ausgestalten wollen. Darüber wollen wir heute reden. Ein nächster Schritt steht auch schon fest: Die zweite “Berlin Climate and Security Conference” am 15. und 16. Juni hier in Berlin, zu der ich Sie herzlich einladen möchte. Am Ende wird sich unsere Initiative aber nicht an der Zahl internationaler Konferenzen messen lassen müssen. Sondern daran, was wir gemeinsam umsetzen, und zwar über Grenzen hinweg. Dass Sie heute alle gekommen sind, zeigt mir, dass Sie genau das auch wollen. Ich glaube, das war es, was mein Außenminister-Kollege meinte, als er davon sprach, wie Außenpolitik Grenzen überwindet.

Vielen Dank, dass Sie heute hier sind und dazu auch bereit sind!

Und nun, Josep, the floor is yours!
Thank you.

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