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Rede von Außenminister Maas in der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag

21.11.2018 - Rede

Der griechische Philosoph Plutarch hat vor über 2 000 Jahren die Kriterien für einen idealen Haushalt benannt. Dieser dürfe nichts Überflüssiges wollen und nichts Notwendiges entbehren. Also müsste es heute eigentlich darum gehen: Was ist überflüssig, und was ist notwendig?

Diese Antwort in Fragen der Außenpolitik zu geben, ist alles andere als trivial; das haben einige Redner ja auch schon dargestellt. Im Moment gibt es so viele Veränderungen, dass in der Außenpolitik eigentlich nur eines gewiss ist, nämlich die Ungewissheit. Deshalb wird es darum gehen, wenn wir deutsche Außenpolitik betreiben, dass wir uns auch um die Frage kümmern müssen: Wie groß ist überhaupt unsere Gestaltungsmacht in der deutschen Außenpolitik?

Dazu kann ich Ihnen sagen: Unsere internationale Gestaltungsmacht steht und fällt vor allen Dingen mit einem, nämlich der Geschlossenheit Europas. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es das grundlegende Ziel der deutschen Außenpolitik - darauf ist sie auszurichten -, Europa zusammenzuhalten; denn alle Herausforderungen, mit denen wir es zu tun haben, sind 2018 längst grenzenlose Herausforderungen geworden: Die globalisierte Wirtschaft kennt keine Grenzen. Das Klima kennt keine Grenzen. Die Digitalisierung und das Internet kennen keine Grenzen, und die Migrationsfrage ist schon per se eine internationale Frage.

2018 und in den kommenden Jahren brauchen wir deshalb eine Organisation wie die Europäische Union mehr denn je, und wer sich dieser Erkenntnis verweigert, der beeinträchtigt und der verrät auch das deutsche Interesse.
Meine Damen und Herren,

ich finde, bei allen Schwierigkeiten, die wir in der Europäischen Union haben, ist das Jahr 2018 in der Außenpolitik der Europäischen Union durchaus ein erfolgreiches gewesen.

Herr Djir-Sarai, wenn Sie in vielen Punkten das Fehlen einer Strategie beklagen, will ich Ihnen, was China angeht, sagen: Die Europäische Union hat doch gerade ihre sogenannte Konnektivitätsstrategie auf den Weg gebracht, gerade mit Blick auf China. Wir sind dabei und wollen bis Ende des Jahres bzw. Anfang nächsten Jahres eine neue Zentralasienstrategie der Europäischen Union formuliert haben. Und bei der Diskussion um das Nuklearabkommen mit dem Iran etwa hat die Europäische Union doch allen Unkenrufen zum Trotz bis zum heutigen Tage große Geschlossenheit bewiesen.

Ich finde, wir sind auch gerade im letzten Jahr in der Außen- und Sicherheitspolitik ganz wesentlich vorangekommen. Nachdem wir Ende 2017 die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich aus der Taufe gehoben haben, haben wir uns als EU-Außenminister gerade am vergangenen Montag auf einen verbindlichen Pakt zur Stärkung der zivilen Seite der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik geeinigt. Das heißt, wir werden in Berlin ein europäisches Kompetenzzentrum gründen.

Wir werden dort Leute ausbilden, die wir in die Krisengebiete schicken, damit aus Krisen keine Kriege werden. Das ist, finde ich, etwas, was der deutschen Außenpolitik gut zu Gesicht steht.

Meine Damen und Herren, ein solches Europa - auch das ist angesprochen worden - setzt zwingend einen noch engeren Schulterschluss zwischen Deutschland und Frankreich voraus. Ein erster wichtiger Schritt waren unsere gemeinsamen Reformvorschläge zur Wirtschafts- und Währungsunion und auch zur Außen- und Sicherheitspolitik.

Ein weiterer Schritt wird der Abschluss eines neuen Élysée-Vertrages sein, der das Versprechen enthält, künftig alle zentralen Herausforderungen gemeinsam anzugehen.

Das entspricht dem, was Emmanuel Macron vor wenigen Tagen gesagt hat: Als deutsch-französisches Paar wollen wir uns diesen Herausforderungen stellen. - Dazu will ich Ihnen ein Beispiel mit Blick auf den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nennen. Wir werden im April nächsten Jahres den Vorsitz im Sicherheitsrat haben; die Franzosen werden ihn im März haben. Wir haben uns mit den Franzosen zusammen entschlossen, sozusagen als Paar aus zwei Vorsitzmonaten einen gemeinsamen Vorsitz zu machen. Das heißt, die Franzosen fangen auch mit unseren Themen an, und wir behandeln in den Wochen, in denen wir dran sind, auch die französischen Themen.

Wir sind also nicht erst jetzt, sondern schon lange dabei, diese Zeit vorzubereiten. Ich finde, das ist ein schönes Beispiel dafür, dass das „deutsch-französische Paar“ nicht nur eine schöne Formulierung, sondern schon längst Realität ist, und zwar dort, wo es darauf ankommt, zum Beispiel in einem Gremium wie dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

Ein weiterer Punkt, der uns in Europa ganz besonders beschäftigt, ist der Austausch mit unseren mittel- und osteuropäischen Nachbarn. Den haben wir in den letzten Monaten in der deutschen Außenpolitik ganz maßgeblich verstärkt. Ein Stichwort ist zum Beispiel die Drei-Meere-Initiative, der wir beigetreten sind.

Letztlich, glaube ich, dürften gerade wir Deutschen kein Interesse an einer neuen Spaltung unseres Kontinentes, und zwar in Ost und West, haben. Das nennen wir eine europäische Ostpolitik, die den derzeit herrschenden Minimalkonsens in der Politik der Europäischen Union gegenüber ihren östlichen Nachbarn überwindet. Das gelingt nur, wenn Prinzipienfestigkeit und Dialog dabei Hand in Hand gehen. Davon müssen wir aber erst einmal viele unserer Partner in Europa überzeugen.

Auf jeden Fall ist Deutschland innerhalb der Europäischen Union bzw. in Europa ein guter Brückenbauer zwischen Ost und West. Deshalb ist gerade in dem Bereich die deutsche Außenpolitik nicht die des erhobenen Zeigefingers, sondern der ausgestreckten Hand, und auch das ist gut für unser Bild in Deutschland, in Europa und darüber hinaus.

Meine Damen und Herren, auch Großbritannien ist ein wichtiges Thema. Niemand weiß heute, wie im Unterhaus in London entschieden wird. Aber wir sind auf alles vorbereitet beim Austritt Großbritanniens: mit oder ohne Abkommen. Aber eines ist dabei auch klar: Großbritannien ist für uns ein wichtiger Wertepartner, wenn es um Demokratie, Menschenrechte und Freiheit in Europa, aber auch darüber hinaus, geht. Unabhängig davon, ob Großbritannien Mitglied der Europäischen Union ist: Wir werden auch in Zukunft zusammen mit Großbritannien unsere Ziele abstimmen. Deshalb arbeiten wir daran, dass wir in der Außenpolitik auch nach dem Austritt einen engen strategischen Dialog realisieren. Auch das ist gut und wichtig.

Was sind unsere Themen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Frau Deligöz? Natürlich sind das keine Themen, die wir uns aus den Fingern saugen. Das alles ist in der Wahlkampagne deutlich kommuniziert worden. Ich kann sagen: Es sind Menschenrechtsfragen, es ist die Schlüsselrolle von Frauen in Friedensprozessen und die Verbindung zwischen Klimawandel und Sicherheit, die unsere prioritären Themen für die zwei Jahre im Sicherheitsrat sind. Ich finde, diese sind wirklich gut gewählt.

Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen. Deutschland und Europa werden als Säulen der internationalen Ordnung stärker gebraucht als je zuvor. Das gilt vor allen Dingen und gerade aktuell für die Abrüstungs- und Rüstungskontrollarchitektur. Wir wollen Abrüstung und Rüstungskontrolle in den kommenden Monaten wieder auf die internationale Tagesordnung setzen. Es geht dabei um nicht mehr und nicht weniger als um eine Überlebensfrage der Menschheit. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die Vereinigten Staaten nicht vorschnell aus dem INF-Vertrag aussteigen. Wir wollen nicht, dass Europa zum Schauplatz einer nuklearen Aufrüstungsdebatte wird.

Aber wir wollen noch mehr; denn das wird nicht reichen. Es gibt mittlerweile Fragen, die seit 1987, als der INF-Vertrag abgeschlossen wurde, entstanden sind und um die sich damals keiner kümmern konnte. Die Fragen betreffen: „Was geht heute in der Rüstung?“, künstliche Intelligenz, Weltraumwaffen, Cyberkriege. Gerade das Letztgenannte ist wichtig. Ich bin fest davon überzeugt, dass eine Bedrohungslage in Europa oder sonst wo auf der Welt am ehesten durch die Möglichkeiten entsteht, die die Cyberwelt bietet. Die größte Herausforderung ist, etwas dagegen zu unternehmen, dass Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen stattfinden.

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