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Es gibt keine besseren Partner

16.11.2020 - Namensbeitrag

Gemeinsamer Namensartikel von Außenminister Heiko Maas und seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian, erschienen bei zeitonline, Le Monde und Washington Post.

Europa und Amerika brauchen einen transatlantischen New Deal. Im Kern geht es darum, unsere Partnerschaft den globalen Umbrüchen anzupassen - auf Basis unserer engen Beziehungen, unserer gemeinsamen Werte und geteilter Interessen. Unsere Länder, Deutschland und Frankreich, werden auf dieses Ziel hinarbeiten - gemeinsam mit dem gewählten Präsidenten Joe Biden und der gewählten Vize-Präsidentin Kamala Harris, die an internationale Partnerschaften und an die Freundschaft zwischen den Vereinigten Staaten und Europa glauben.

Es gibt viel zu reparieren. Die Regeln und Institutionen, auf denen unsere Sicherheit und unser Wohlstand gründen, werden angegriffen. Die Erwartungen an einen erfolgreichen Neuanfang sind auf beiden Seiten des Atlantiks hoch. Schließlich liegt vor Europäern und Amerikaner die gleiche große Aufgabe: Die Ursachen der gesellschaftlichen Spaltungen in unseren Ländern anzugehen.

Die Welt, in der wir leben, hat sich in den letzten vier Jahren verändert – leider zum Schlechteren. Mit Biden aber wird wieder größere transatlantische Geschlossenheit möglich, sowohl gegenüber Autokraten als auch gegenüber Staaten, die ihre Macht durch das Untergraben der internationalen oder regionaler Ordnungen zu mehren versuchen. Prinzipienfestigkeit schließt Dialog und Zusammenarbeit jedoch nicht aus. Wir hoffen, dass es den Vereinigten Staaten und Russland gelingen wird, den New START-Vertrag über Februar 2021 hinaus zu verlängern. Auch wir sind bereit, bei Fragen, die die europäische Sicherheit betreffen, auf Moskau zuzugehen, und erwarten eine konstruktive Reaktion. Die Europäische Union muss sich darauf vorbereiten.

Unter einer Regierung Biden wird sich die Kompassnadel der US-Außenpolitik auch weiterhin eher auf China ausrichten, ein Land, das wir gleichzeitig als Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen sehen. Gemeinsam müssen wir einen wirksamen Hebel finden, wie wir mit dem wachsenden Selbstbewusstsein Chinas umgehen und zugleich die notwendigen Kanäle für eine Zusammenarbeit mit Peking offenhalten, um globalen Herausforderungen wie der COVID-19-Pandemie und dem Klimawandel zu begegnen. Dies erfordert jedoch, dass die Vereinigten Staaten und Europa sich enger miteinander abstimmen, um beispielsweise im Umgang mit Menschenrechten, digitaler Infrastruktur und fairem Handel gemeinsam vorzugehen.

Als Europäer wollen wir die Vereinigten Staaten dazu bewegen, wieder gemeinsam mit uns darauf hinzuarbeiten, dass das iranische Nuklearprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Und zugleich wollen wir auch die anderen Probleme anzugehen, die Irans Verhalten für unsere Sicherheit und die gesamte Region darstellt. Wir müssen uns zudem mit dem problematischen Auftreten der Türkei im östlichen Mittelmeerraum und darüber auseinandersetzen. Und wir müssen bei der Bekämpfung von Terrorismus und Radikalisierung, die unsere Sicherheit und unsere Gesellschaften auf beiden Seiten des Atlantiks bedrohen, Hand in Hand arbeiten.

Europa hat sich zum Besseren verändert. Wir Europäer fragen nicht länger nur, was Amerika für uns tun kann. Sondern was wir tun können, um unsere eigene Sicherheit zu verteidigen und zugleich die transatlantische Partnerschaft ausgewogener zu gestalten. Dies sind zwei Seiten derselben Medaille. Die europäische Souveränität ist so mit den Jahren gewachsen. Wir entwickeln gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungskapazitäten. Diese braucht es, um sowohl die Europäische Union als auch die NATO zu stärken. Europa übernimmt bereits jetzt wesentlich mehr Verantwortung für die Sicherheit in seiner Nachbarschaft - von der Sahelzone über das Mittelmeer bis zum Nahen und Mittleren Osten einschließlich der Golf-Region. Dies ist der Weg, dem wir weiter folgen werden. In einigen Wochen wird eine Gruppe von hochrangigen Sicherheitsexperten ihre Empfehlungen vorlegen, wie wir die NATO für diese Aufgabe fit machen können. Wir stehen zu diesem Ziel – auch als Investition in die Zukunft der transatlantischen Partnerschaft.

Sicherheit im 21. Jahrhundert hängt auch davon ab, ob wir gemeinsame Antworten auf die globalen Herausforderungen unserer Zeit finden. Wir sind froh über die Ankündigung von Joe Biden, die USA in das Pariser Klimaschutzübereinkommen und in die WHO zurückzuführen. Dies kann zum Ausgangspunkt einer gemeinsamen transatlantischen Kraftanstrengung werden, um den Multilateralismus zu stärken und an die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft anzupassen. Darin liegt die einzig wirksame Antwort auf eine Welt, in der immer mehr Akteure versuchen, die regelbasierte Ordnung zu unterminieren. Und die Zusammenarbeit zwischen Europa und den Vereinigten Staaten wird auch von entscheidender Bedeutung sein für eine faire und globale Verteilung von Impfstoffen und Medikamenten gegen COVID-19 und für eine Wiederbelebung der Weltwirtschaft nach der Pandemie.

So können Europa und die Vereinigten Staaten auch in Zukunft Garanten für Frieden und Stabilität, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in dieser Welt bleiben. Natürlich wissen wir, dass wir nicht immer und in allen Fragen einer Meinung sein werden. Wir müssen zum Beispiel die Konflikte um Zölle, Sanktionen, Steuern und Subventionen lösen, die unsere Partnerschaft mit den USA in den letzten Jahren schwer belastet haben.

Aber wir haben den festen Willen, gemeinsam mit den Vereinigten Staaten an Lösungen zu arbeiten. Denn für die nächste Generation von Europäern und Amerikanern steht gleichermaßen viel auf dem Spiel: Es geht um nicht weniger als um die Bewahrung unserer Lebensweise und darum, unser Streben nach individueller Freiheit und kollektivem Fortschritt fortsetzen zu können. Dabei gibt es auch heute keine besseren, engeren und natürlicheren Partner als Amerika und Europa.

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