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Libyen-Konferenz: „Die teilnehmenden Staaten müssen beweisen, wie ernst sie es mit ihrer Unterstützung des Berliner Prozesses meinen.“

17.01.2020 - Interview

Außenminister Heiko Maas im Interview mit der Passauer Neuen Presse zur am Sonntag in Berlin stattfindenden Konferenz zum Bürgerkrieg in Libyen.

Die Bundeskanzlerin lädt zum Libyen-Gipfel nach Berlin, dämpft aber die Erwartungen. Rechnen Sie mit einem Erfolg auf höchster politischer Ebene?

Wir haben in den letzten Monaten auf Bitten der UN intensive Verhandlungen mit den Staaten geführt, die Einfluss nehmen auf den libyschen Bürgerkrieg. Dabei konnten wir uns bereits auf viele wichtige Punkte für den zukünftigen politischen Prozess in Libyen einigen. Schon allein dass dies in der aktuell schwierigen Situation gelungen ist, stimmt uns vorsichtig optimistisch. Aber die Lage in Libyen und der Region ist sehr dynamisch und am Ende müssen die teilnehmenden Staaten selbst beweisen, wie ernst sie es mit ihrer Unterstützung des Berliner Prozesses meinen.

Welche Signale haben Sie von Rebellengeneral Chalifa Haftar bei ihrem Treffen in Bengasi erhalten?

Bei meinem Besuch in Libyen hat General Haftar deutlich gemacht: Er will zum Erfolg der Libyen-Konferenz in Berlin einen Beitrag leisten. Und: Er hat zugesagt, den bestehenden Waffenstillstand einzuhalten. Das ist außerordentlich wichtig.

General Haftar hatte gerade erst in Moskau die Unterschrift unter ein Waffenstillstandsabkommen mit seinem Rivalen Fajis al Sarradsch, dem Chef der international anerkannten Regierung, verweigert. Schlechte Vorzeichen?

Einen Waffenstillstand würden wir sehr begrüßen. Das ist vor allem wichtig für die Fortführung der Bemühungen der Vereinten Nationen, die sich mit dem innerlibyschen Prozess beschäftigen. Unser Fokus im Berliner Prozess liegt aber auf einem anderen Kreis, nämlich den internationalen Kräften, die die Konfliktparteien von außen unterstützen. Das ist die Voraussetzung, um den weiteren Friedensprozess in Libyen zu ermöglichen.

Der türkische Präsident Erdogan hat bereits angekündigt, dass die Türkei auch weiterhin in Libyen militärisch aktiv sein werde. Ist damit eine Waffenruhe nicht von vornherein aussichtslos?

Die Nichtbeachtung des Waffenembargos ist ein enormes Hindernis auf dem Weg zu einer politischen Lösung im Libyen-Konflikt. Deswegen ist der Stopp von Waffenlieferungen ein Schwerpunkt unserer Bemühungen. Die Türkei ist seit Beginn des Berliner Prozesses mit an Bord. Natürlich erwarten wir, übrigens nicht nur von der Türkei, dass dieses Engagement ernst gemeint ist.

Was erwarten Sie von Russland auf dem Weg zu einer Friedenslösung für Libyen?

Ich habe den Eindruck, dass Russland die Notwendigkeit von Fortschritten und einer internationalen Einigung im Libyen-Konflikt erkannt hat. Auch Russland war von Anfang mit an dem Prozess und den Vorbereitungstreffen beteiligt. Alle Partner hatten ausreichend Gelegenheit ihre Positionen einzubringen. Das Verhandlungsergebnis werden wir am Sonntag sehen und muss dann von allen Seiten umgesetzt werden.

Müssten Europäer und Amerikaner nicht auf General Haftar und die ihn unterstützenden Vereinigten Arabischen Emirate Druck ausüben?

Die Konfliktparteien, also auch General Haftar, sind wie gesagt nicht erster Adressat des Berliner Prozesses. Die internationalen Unterstützer aber sehr wohl. Diese wollen wir explizit dazu bringen, sich aus dem Konflikt zurückzuziehen. Denn selbstverständlich ist dabei unser Ziel, dass der Weg für echte Friedensverhandlungen frei gemacht wird.

Droht in Libyen jetzt eine Eskalation wie in Syrien?

Libyen hat das Potenzial, ebenfalls zu einem echten Stellvertreterkrieg zu werden, dessen Eskalationsspirale sich immer weiter nach oben dreht. Gerade deswegen ist es so wichtig, jetzt das Fenster zu nutzen, welches sich durch die Arbeit der letzten Monate geöffnet hat.

Wann wäre die Berliner Konferenz ein Erfolg?

Wir hoffen auf Fortschritte bei der Festlegung von Rahmenbedingungen, die dann den innerlibyschen politischen Prozess begünstigen sollen. Wir wollen die Umsetzung der Ergebnisse der Konferenz und auch die weiteren Schritte der UN vor Ort in Libyen mit einem strukturierten Nachfolgeprozess begleiten.

Atempause im Konflikt zwischen den USA und Iran. Wie lassen sich eine weitere Zuspitzung und ein Flächenbrand in Nahost verhindern?

Wir führen dazu intensive Gespräche sowohl mit den USA und Iran als auch innerhalb der EU und mit den Staaten der Region. Wichtig dabei sind vor allem drei Punkte: Erstens kommt es nun auf die größtmögliche Zurückhaltung aller Seiten an, um eine echte Entspannung herbeizuführen. Zweitens ist es für die Stabilität des ganzen Nahen- und Mittleren Ostens immens wichtig, dass Irak im Zuge der Entwicklungen nicht unter die Räder kommt. Und drittens müssen wir alles daran setzen, dass Terrororganisationen wie der IS sich die gegenwärtige Situation nicht zunutze machen und zu neuer Stärke gelangen. Wir haben einiges erreicht im Anti-IS-Kampf der letzten Jahre. Dies gilt es nun zu bewahren und fortzuführen.

Hat US-Präsident Donald Trump die Welt mit seiner Begründung für die Tötung des iranischen Generals Soleimani getäuscht, die US-Botschaften und amerikanische Soldaten seien bedroht gewesen?

In den letzten Wochen – nicht erst seit der Tötung Soleimanis – hatte sich die Situation in der Region zugespitzt. Es gab verstärkt Proteste und Angriffe auf amerikanische Einrichtungen im Irak, die wir klar verurteilt haben. Die Aussagen der USA zu den Hintergründen der Tötung von General Soleimani kennen wir. Allerdings fehlen uns die notwendigen Details für eine eigene Bewertung der konkreten Bedrohungslage für US-Einrichtungen. Wir konzentrieren uns aktuell darauf, alles dafür zu tun, dass die Situation nicht weiter eskaliert.

Der Iran droht mit der Wiederaufnahme seines Nuklearprogramms. Ist das Atomabkommen damit hinfällig?

Die angekündigten Schritte des Irans, sich immer weiter von seinen Verpflichtungen aus der Nuklearvereinbarung zurückzuziehen, sind inakzeptabel. Deswegen haben wir gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich nach intensiven Beratungen entschieden, den Streitschlichtungsmechanismus des Abkommens auszulösen. Das Ziel muss sein, dass Abkommen zu bewahren. Wir sind daher fest entschlossen, eine diplomatische Lösung zu finden, damit Iran wieder zu seinen Verpflichtungen zurückkehrt. Iran hält sich nach wie vor an die umfassenden Transparenz- und Kontrollregeln des Abkommens. Damit ist Irans Atomprogramm noch immer weltweit das am schärfsten kontrollierte. Das sollten wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Interview: Andreas Herholz

www.pnp.de

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