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Rede von Außenminister Heiko Maas anlässlich der Anträge zu Äthiopien und Eritrea im Deutschen Bundestag

12.10.2018 - Rede

Was wir zur Zeit am Horn von Afrika beobachten macht wirklich Hoffnung. Einige sprechen sogar von „einem afrikanischen Märchen“. Der Friedensschluss zwischen Äthiopien und seinen Nachbarn grenzt tatsächlich fast an ein Wunder, vor allen Dingen wenn man sich die Entwicklung in den letzten Jahren dort anschaut. Vor allem aber wird er das Leben und die Zukunft der Menschen in Ostafrika, aber auch weit darüber hinaus verbessern. Er liegt im fundamentalen Interesse Ostafrikas sowie der Golfstaaten an der Ostküste des Roten Meeres.
Aber der Friedensschluss liegt auch in unserem Interesse: Er bedeutet, dass eine krisengeschüttelte Region langsam zu Stabilität zurückfindet – mit all den Chancen, die das für Handel, Wirtschaft, Migration und der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität haben kann.
Das ist für Europa und damit auch für uns in Deutschland von großer Bedeutung. Deshalb freue ich mich sehr darüber, dass der Deutsche Bundestag das heute zum Thema macht.

Der äthiopische Premierminister Abiy hat erreicht, was kaum denkbar schien: Er brach mit innenpolitischen Tabus. Er hat das Land in eine Art Reformeuphorie versetzt und einen Versöhnungsprozess mit dem Erzfeind Eritrea angestoßen. Dabei ist nach all dem, was wir sehen und hören, ein großer Veränderungswille im Land spürbar, vor allen Dingen bei der jungen Generation, die weiß, was das für sie und ihre Perspektiven bedeutet.
Dieser Prozess und die Verantwortlichen dort sollen auf unsere Unterstützung zählen können. Wir bauen dabei auf jahrzehntelanges Engagement in Äthiopien und die langjährige, besondere Beziehung zwischen unseren Ländern. Ende des Monats wird Premierminister Abiy in Berlin am G-20-Afrikagipfel teilnehmen, bei dem es vor allem um den wirtschaftlichen Austausch zwischen unseren Ländern geht.

Alles in allem muss man aber realistisch bleiben. Politische und gesellschaftliche Transformationen schafft man nicht über Nacht - das wissen wir aus eigener Erfahrung. Abiy steht vor gewaltigen Herausforderungen: Armut, Bevölkerungswachstum, rapide Urbanisierung, und ethnische Konflikte, in deren Folge es 4 Millionen Vertriebene gibt, halten das Land trotz der positiven Entwicklung nach wie vor unter permanenter Spannung.

Auch in Eritrea werden die mutigen Reformen in Äthiopien bislang nicht gespiegelt – im Gegenteil: Es gibt nach wie vor keine Strategie, aus der hervorgeht, wie eine geordnete Öffnung in diesem Land aussehen könnte.

Ich halte deshalb auch nicht viel davon, jetzt maximalen öffentlichen Druck zu entfalten. Es geht darum, die Reformkräfte zu ermutigen und auf geeignetem Wege innenpolitische Öffnung anzumahnen. Dazu loten wir gerade konkrete Ansatzpunkte aus.
Vor allem im europäischen Rahmen verfügen wir über geeignete Mittel und Maßnahmen. Aber auch bei den Vereinten Nationen werden wir als Sicherheitsratsmitglied ab kommendem Jahr die Entwicklung vor Ort weiter beeinflussen können; das haben wir uns fest vorgenommen.
Die Bundesregierung engagiert sich bereits in vielfältiger Weise bei Krisenmanagement und präventiver Diplomatie am Horn von Afrika.

Wir unterstützen zum Beispiel regionale Mechanismen, um eine Regelung für die sogenannte Nilwasserproblematik zu finden. Wir engagieren uns bei der Vermittlung im
Darfur-Konflikt und im bürgerkriegsgeplagten Südsudan. In Somalia unterstützen wir den Aufbau föderaler staatlicher Institutionen und funktionierender Polizeistrukturen. Wir wollen so die afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur nachhaltig stärken, damit sie der Krisen und Konflikte auf dem Kontinent Herr werden kann, und dies, wenn es geht, aus eigener Kraft.

Die gesamte Region um das Rote Meer steht heute unter Spannung. Gleichzeitig gibt es keinerlei organisierte Dialogforen, geschweige denn Mechanismen kooperativer Sicherheit, wie wir sie in Europa kennen.

Das darf so nicht bleiben. Auf unsere Initiative haben sich daher die EU-Außenminister schon im Juni mit der Lage am Roten Meer befasst. Ein Ergebnis war, dass die EU sich für ein regionales Forum für Dialog und Zusammenarbeit einsetzen will. Das ist aber kein Selbstläufer. Die Interessenlagen sind so komplex, das Misstrauen unter den Beteiligten sitzt nach wie vor extrem tief.

Gemeinsam mit dem EU-Sonderbeauftragten für das Horn von Afrika sind wir jedoch mit den Staaten der Region im Gespräch, um die Chancen für solch ein Forum auszuloten. Ein solches Forum wäre ein vehementer Fortschritt, wenn es darum geht, Länder zusammenzuführen und dabei zu unterstützen, die Probleme vor Ort selbst zu lösen.

Eine Entspannung am Horn von Afrika wäre vor allem auch ein Segen für die Frauen, Männer und Jugendlichen, die aus Furcht vor Krieg und Unterdrückung und angesichts erdrückender Perspektivlosigkeit ihre Heimat verlassen. Das akute Leid der Menschen zu lindern und die aufnehmenden Gemeinden zu entlasten, genau dazu tragen wir mit unserer humanitären Hilfe bei. Allein 2018 werden unsere Hilfeleistungen für die Region rund 200 Mio. Euro umfassen.

Aber das soll kein Dauerzustand sein. Den Menschen die Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen, muss auch das Ziel einer Außenpolitik sein, die bereit ist, dort Verantwortung zu übernehmen.

Deshalb unterstützen wir die Friedensvermittlung nicht nur im Südsudan, in Sudan oder in Somalia, sondern wir verfolgen auch die Annäherung zwischen Äthiopien und Eritrea mit großem Interesse.

Allerdings hat der Friedensschluss mit Äthiopien zum jetzigen Zeitpunkt zu keiner Verbesserung der Menschenrechtslage in Eritrea geführt. Auch am verpflichtenden Nationalen Dienst als zentrales gesellschaftliches Kontrollelement hält das Regime dort nach wie vor fest.

Deshalb werden wir uns gemeinsam mit unseren europäischen Partnern Gedanken über Anreize gegenüber Asmara machen, die helfen sollen, um diese Logik, die in ganz erheblichen Menschenrechtsverletzungen endet, endlich zu durchbrechen.

Weil die Lage so ist, weil es Hoffnung gibt und weil es viele Verantwortliche dort gibt, die sich die gleichen Ziele gesetzt haben wie wir, bin ich dankbar, dass wir heute darüber reden. Die Herausforderungen für uns und für Europa sind groß in dieser Region. Aber auch die Chancen sind es. Im Moment ist ein guter Zeitpunkt. Lassen Sie uns die historische Wende am Horn von Afrika gemeinsam nach allen Kräften unterstützen. Die Bundesregierung wird das tun. Dass sich der Deutsche Bundestag heute damit befasst, ist ein gutes Zeichen, das sicherlich auch dort wahrgenommen wird.

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