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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 30.10.2020

30.10.2020 - Artikel

COVID-19-Pandemie: Behandlung von Patienten aus dem Ausland in Deutschland

ADEBAHR (AA): Ich will noch grundsätzlich hinzufügen, dass wir, was das Thema der EU-Koordination betrifft, heute in einer anderen Situation sind als im Frühjahr. Zum Beispiel haben wir jetzt 220 Millionen Euro Finanzmittel im sogenannten Emergency Support Instrument, ESI. Dies ist dafür da, die Koordinierung grenzüberschreitenden Transports medizinischer Ausrüstung, Patienten und medizinischen Personals mit Geld zu unterlegen. Für Patientenverlegungen gibt es auch das Frühwarn- und Reaktionssystem EWRS ‑ das sind immer solche Wortungetüme ‑ und den EU-Katastrophenschutzmechanismus. All diese Instrumente wurden seit dem Frühjahr geschaffen, um solche möglichen Anfragen und Transporte besser zu koordinieren.

ZUSATZFRAGE: Gibt es eine Übersicht, wie viele Patienten aus dem Ausland in dieser zweiten Welle bisher in deutschen Kliniken versorgt werden?

ADEBAHR: Mir sind jeweils zwei Patienten aus den Niederlanden und aus Belgien bekannt. Aber vielleicht hat das BMG eine aktuellere Übersicht.

NAUBER: Nein, dem kann ich nichts hinzufügen.

FRAGE: Wissen Sie, wohin diese Patienten gekommen sind? Nach Nordrhein-Westfalen?

ADEBAHR: Hm.

ZUSATZ: „Hm.“ Okay. ‑ Meine eigentliche Frage an das Gesundheitsministerium ‑ ‑ ‑

DEMMER (BReg): Ich möchte noch kurz ergänzen. Zum Zwecke der besseren Koordination innerhalb der Europäischen Union hat sich die Bundeskanzlerin gestern in einer Videokonferenz mit den Mitgliedern des Europäischen Rates zusammengesetzt und ein Format mit etablieren wollen. In dieser Runde will man sich zu dem Thema in regelmäßiger Form weiterhin austauschen.

Anschläge in Frankreich / Sicherheitslage in Deutschland

FRAGE: An das BMI zu den jüngsten islamistischen Zwischenfällen und Terroranschlägen in Frankreich: Wie wird die Sicherheitslage in Deutschland beurteilt? Gibt es möglicherweise Überlegungen, Kirchen stärker zu schützen als bisher?

GRÜNEWÄLDER (BMI): Ich möchte zunächst einmal sagen, dass seitens der Bundesregierung und vor allem seitens des Bundesinnenministers der gestrige Anschlag mit großer Bestürzung zur Kenntnis genommen worden ist. Bundesinnenminister Seehofer hat sich gestern dazu geäußert, und ich darf das Zitat vielleicht noch einmal wiedergeben:

„Die Nachrichten aus Frankreich haben mich zutiefst bestürzt. Erneut sind unsere Freunde innerhalb kürzester Zeit von mutmaßlich islamistischen Verbrechern angegriffen worden. Mein Mitgefühl gilt allen Opfern und Hinterbliebenen.

Wir stehen Frankreich solidarisch zur Seite und setzen unseren gemeinsamen Kampf gegen den Islamismus mit aller Entschiedenheit fort. Unsere gemeinsamen Werte verteidigen wir im engen Schulterschluss mit unseren europäischen und internationalen Partnern.

Auch in Deutschland besteht die Gefahr durch den islamistischen Terrorismus unverändert fort ‑ das hat uns erst kürzlich der Mord von Dresden auf schmerzliche Weise wieder vor Augen geführt.“

Zu Ihrer konkreten Frage: Es ist so, dass wir seit längerer Zeit eine Bedrohungslage auch durch islamistischen Terror in Deutschland haben, die abstrakt besteht und dazu führen kann, dass wir jederzeit mit Anschlägen rechnen müssen. Konkrete Hinweise bestehen im Moment nicht; es gibt also keine konkrete Bedrohungslage, aber abstrakt ist es eine unverändert Sicherheitslage. Dabei möchte ich es erst einmal bewenden lassen.

DEMMER (BReg): Ich möchte das gerne ergänzen.

Die Erschütterung über die Tat ist weltweit und europaweit groß. Sie macht fassungslos und erfüllt uns in Deutschland mit tiefer Trauer. Der französischen Nation gilt in diesen schweren Zeiten Deutschlands ungebrochene Solidarität und Verbundenheit. Den Opfern sowie ihren Familien, Angehörigen und Freunden gelten unser Mitgefühl und unsere tief empfundene Anteilnahme.

Drei unschuldige Menschen wurden auf schrecklichste Art und Weise getötet, weitere Menschen zum Teil schwer verletzt. Die Bundesregierung ist entsetzt über die Brutalität dieses islamistischen Terroranschlags in einer Kirche, einem christlichen Gotteshaus. Das hat die Bundeskanzlerin gestern auch persönlich sehr deutlich gemacht.

Die Bundesregierung verurteilt jede Art von religiös motivierter Gewalt auf das Schärfste. Auch die Staats- und Regierungschefs der EU haben gestern gemeinsam ihre Erschütterung über diese Taten und Solidarität mit Frankreich ausgedrückt, verbunden mit dem Aufruf, sich weltweit für Dialog und Verständnis zwischen den Gesellschaften und den Religionen einzusetzen. Heute will Bundesjustizministerin Lambrecht mit ihrem französischen Kollegen und weiteren EU-Justizministern sowie der EU-Kommission Gespräche zu diesem Thema führen.

FRAGE: Wie viele deutsche IS-Kämpfer sind nach aktuellen Zahlen nach Deutschland zurückgekehrt?

GRÜNEWÄLDER: Das müsste ich Ihnen gleich nachreichen; die aktuellen Zahlen müsste ich erst raussuchen.

FRAGE: Auch an Herrn Grünewälder: Gibt es irgendwelche Erkenntnisse, dass es bei den Anschlägen auch Verbindungen nach Deutschland gibt? Bei früheren islamistischen Anschlägen ist es ja durchaus vorgekommen, dass Täter sich über verschiedene Länder hinweg organisieren und Rückzugsräume suchen.

Der Tunesier, der diesen Anschlag verübt hat, soll anscheinend erst vor relativ kurzer Zeit über Italien nach Frankreich gekommen sein. Hat das irgendwelche Konsequenzen? Wollen Sie möglicherweise noch einmal das Screening von Leuten, die neu nach Deutschland kommen, verschärfen?

GRÜNEWÄLDER: Die Sicherheitsbehörden beobachten die Situation sehr aufmerksam und sind angesichts der fortbestehenden Bedrohung durch islamistischen Terror sehr wachsam. Es gibt nach meiner Information bisher keine Hinweise auf eine Verbindung nach Deutschland. Die Ermittlungen sind hier aber, glaube ich, noch nicht zum Ende gekommen; das müssten wir also abwarten.

Es gibt aktuell keine direkten Konsequenzen aus dem gestrigen Anschlag. Allerdings gibt es in Deutschland aufgrund des Agierens der Sicherheitsbehörden vor Ort die Praxis, dass die islamistischen Gefährder, die es gibt, sehr aufmerksam beobachtet werden und auch sehr aufmerksam überwacht werden. Insofern sind die Sicherheitsbehörden hier schon sehr wachsam und passen auf.

FRAGE: Direkt dazu, Herr Grünewälder: Gibt es im Moment aktuelle Gefährderansprachen?

GRÜNEWÄLDER: Die Einstufung als Gefährder und auch die entsprechende Behandlung ist Aufgabe der Sicherheitsbehörden der Länder. Insofern kann ich Ihnen von Bundesseite zu konkreten Gefährderansprachen nichts sagen.

ZUSATZFRAGE: Es könnte ja möglicherweise eine Empfehlung des Bundesinnenministers in diesem Zusammenhang geben?

GRÜNEWÄLDER: Die Behandlung von einzelnen Gefährdern richtet sich jeweils nach dem Einzelfall. Das kann man also so pauschal aufgrund von Geschehnissen nicht allgemein sagen. Das hängt jeweils von dem Einzelfall ab und wird vor Ort entschieden.

FRAGE: Haben denn die Sicherheitsbehörden die Einschätzung, dass das jetzt doch eine überwiegend französische Angelegenheit ist, weil sich das ja an dem Streit um die Karikaturen entzündet hat, oder ist die Befürchtung doch größer, dass es ähnlich wie in Frankreich jetzt vielleicht auch spontane Nachahmungstäter in Deutschland geben könnte? Ich bitte Sie, das einfach noch einmal ein bisschen auszuführen. Ich habe schon verstanden, dass Sie da jetzt wachsam sind, aber vielleicht können Sie dazu noch einmal eine Einschätzung abgeben.

GRÜNEWÄLDER: Ich kann Ihnen dazu dennoch nur allgemein sagen, dass die Sicherheitsbehörden sehr wachsam sind, dass Taten in Deutschland aufgrund der unverändert bestehenden abstrakten hohen Gefährdungslage nicht ausgeschlossen werden können und dass auch Nachahmungstaten nie ausgeschlossen werden können. Auch dass der zunehmende Konflikt, der auch schon nach vorigen Anschlägen in Frankreich und nach Äußerungen des französischen Staatspräsidenten bestand, auch auf deutschem Boden ausgetragen wird und dass es hier zu Nachahmungstaten kommt, kann nicht ausgeschlossen werden. Es gibt aber keine konkreten Hinweise darauf, dass so etwas bevorsteht. Insofern sind die Sicherheitsbehörden sehr wachsam und haben das im Blick.

ZUSATZFRAGE: Ich weiß, das wurde neulich schon einmal gesagt. Dennoch frage ich noch einmal: Wie viele islamistische Gefährder in Deutschland sind derzeit bekannt?

GRÜNEWÄLDER: Wie gesagt: Wenn ich die Zahlen vorliegen haben werde, werde ich sie nachliefern.

[…]

GRÜNEWÄLDER: Ich habe die Zahl jetzt gefunden. Aktuell legen Erkenntnisse über mehr als 1060 deutschen Islamisten und Islamisten aus Deutschland vor, die in den letzten Jahren in Richtung Syrien bzw. Irak ausgereist sind, um sich dort dem IS anzuschließen. Etwa ein Drittel dieser ausgereisten Personen befindet sich momentan wieder in Deutschland.

Außerdem kann ich Ihnen noch einmal die Zahl der aktuell als islamistische Gefährder eingestuften Personen nennen. Das sind ungefähr 620 in ganz Deutschland. Von denen befinden sich aber nur etwa 350 in Deutschland; der Rest ist wiederum ausgereist.

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