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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 06.11.2020

06.11.2020 - Artikel

Westbalkangipfel

FRAGE: Ich habe eine Frage sowohl an Herrn Seibert als auch an Frau Adebahr. Es hat ja zuletzt Spannungen zwischen Bulgarien und Nordmazedonien gegeben. Wenn jetzt ausgerechnet diese beiden die Gastgeber des Westbalkangipfels sein werden, für wie erfolgversprechend halten Sie denn dann eine solche Konferenz? Wie besorgt sind Sie, dass diese Spannungen zwischen den beiden Ländern den ganzen Annäherungsprozess des Westbalkans an die EU gefährden könnten?

SEIBERT (BReg): Wir sind sicher, dass der Gipfel am Dienstag trotz dieser Spannungen konstruktiv durchgeführt werden wird.

ADEBAHR (AA): Diese Fragen, die Sie gerade angesprochen haben, sind ja auch Gegenstand von Beratungen in verschiedenen Arbeitsgruppen in Brüssel, und wir sind zuversichtlich, dass wir dort konstruktiv mit allen Seiten vorankommen werden. Deshalb gilt für den Gipfel das, was Herr Seibert gerade gesagt hat.

ZUSATZFRAGE: Darf ich noch einmal nachfragen, weil die Spannungen ja offenbar von Bulgarien, also dem EU-Mitglied, ausgegangen sind und Merkel ja auch ein gutes Verhältnis zum bulgarischen Ministerpräsidenten nachgesagt wird? Wird sich die Kanzlerin in Sofia denn dafür einsetzen, dass die verbalen Angriffe auf Nordmazedonien beendet werden?

SEIBERT: Mit Blick auf die Konferenz am Dienstag habe ich jetzt nichts Weiteres zu sagen. Die Bundeskanzlerin steht mit den Partnern und einzelnen Vertretern in der Westbalkanregion ja auch immer wieder im direkten Gespräch.

US-Wahlen

FRAGE: Herr Seibert, angesichts des Verlaufs der Auszählung der US-Wahlen hätte ich gerne gewusst, wann sich die Kanzlerin denn überhaupt äußern kann. Es sind ja nun auch Klagen angekündigt. Wird sie also warten, bis auch über die Klagen gegen das Ergebnis der Wahl, wenn es denn einmal vorliegen wird, entschieden sein wird, oder plant sie, einem vorläufigen Gewinner der Wahl schon vorher zu gratulieren?

SEIBERT (BReg): Der Stand der US-Wahlen ist ja weiterhin so, dass es noch kein Endergebnis gibt und dass die Auszählung der Stimmen in mehreren Bundesstaaten noch läuft. Die heißt es abzuwarten, und das tut die Bundeskanzlerin, das tut die Bundesregierung. Ich bitte Sie daher um Verständnis, dass ich darüber hinaus nichts anderes zu sagen habe, als ich hier am Tag nach der Wahl gesagt habe: Wir werden die Entwicklung genau beobachten, und die Bundeskanzlerin wird sich zum geeigneten Zeitpunkt äußern.

FRAGE: Es gibt ja mittlerweile zahlreiche Berichte über mutmaßliche Unregelmäßigkeiten bei der Wahl. Mich würde interessieren: Wie ist denn da der Sachstand beim Auswärtigen Amt, und wie bewertet man grundsätzlich den bisherigen Verlauf der Wahl?

ADEBAHR (AA): Zur Beobachtung der Wahl würde ich gern darauf verweisen, was die Wahlbeobachtermission der OSZE gesagt hat und wie sie die Lage einschätzt. Denn sie ist vor Ort, und das ist das Gremium, das die Wahl beobachtet. Sie haben sicherlich die Äußerung des Vorsitzenden der Wahlbeobachtermission, Herrn Link, gesehen. Wir haben keinen Anlass, an seinen bisherigen Äußerungen zu zweifeln.

ZUSATZFRAGE: Wenn wir gerade bei Bewertungen sind: Wie bewertet denn das Auswärtige Amt die Tatsache, dass 18 Bundesstaaten es der OSZE und auch allgemein anderen internationalen Wahlbeobachtern untersagt haben, ihr Mandat der Wahlbeobachtung auszuüben?

ADEBAHR: Die OSZE ist diejenige Organisation, die sich zu ihrer Wahlbeobachtungsmission äußert. Es gibt eine Wahlbeobachtungsmission in den USA, die unter den gegebenen Bedingungen ‑ das ist die Coronapandemie, und das möchte ich hier noch einmal sagen ‑ arbeitet. Das ist also eine besondere Mission, die unter Coronabedingungen dorthin entsandt wurde. Das bedingt sicherlich ‑ so hat die OSZE sich auch geäußert ‑ Besonderheiten in der Mission. Ansonsten würde ich sagen: Fragen Sie die OSZE, wie sie ihre Wahlbeobachtungsmission einschätzt.

FRAGE: Bereitet Deutschland in den nächsten Wochen verschiedene Szenarien für ein mögliches politisches Chaos in den USA vor? Ist dies als gemeinsame europäische Haltung formuliert?

SEIBERT: Ich habe ein bisschen Schwierigkeiten, die Frage wirklich zu verstehen. Ich habe hier am Mittwoch gesagt ‑ ich wiederhole es gern noch einmal ‑: Die Bundesregierung hat Vertrauen in die demokratischen Institutionen und in die rechtsstaatlichen Institutionen der Vereinigten Staaten.

FRAGE: Das schließt sich direkt an. Eine Frage an Frau Adebahr: Hat der Bundesaußenminister Vertrauen in die Person und in die Amtsperson Donald Trump, nachdem er gestern zum zweiten Mal erklärt hat, er halte den derzeitigen Prozess, der ja eine demokratische Wahl umsetzt, für Fälschung und Betrug? Bezieht also das Vertrauen des Außenministers auch Donald Trump mit ein?

ADEBAHR: Der Außenminister hat sich heute Morgen und gestern Abend ja verschiedentlich geäußert und sein Vertrauen in einen demokratischen und fairen Wahlprozess in den USA zum Ausdruck gebracht. Er hat auch zum Ausdruck gebracht, dass es das Recht beider Seiten ist, wenn das Ergebnis knapp ist, eine Nachauszählung zu beantragen. Er hat auch zum Ausdruck gebracht, dass aus seiner Sicht ein fairer Wahlprozess ein solcher ist, bei dem jede Stimme gezählt wird.

ZUSATZFRAGE: Bei Trumps Äußerung geht es ja nicht einfach darum, dass er sagt „wir lassen juristisch überprüfen“, sondern er hat explizit ‑ und darauf zielt meine Frage hin ‑ von Betrug und Fälschung gesprochen. Kann der Außenminister einem Präsidenten, der sich so äußert, tatsächlich noch vertrauen?

ADEBAHR: Wissen Sie, ich möchte noch einmal darauf verweisen, dass der Minister zum Prozess, zu den USA und zu dieser Wahl allgemein ‑ denn es ist eine Wahl der Bürgerinnen und Bürger ‑ etwas gesagt hat. Das ist das, worum es ihm ging. Ich denke, diese Frage, die Sie jetzt stellen, wird beantwortet durch das Vertrauen in diesen Wahlprozess und in die rechtsstaatlichen Mechanismen, die es in den USA gibt.

FRAGE: Herr Seibert, Außenminister Maas hat dem amtierenden US-Präsidenten vorgeworfen, Öl ins Feuer zu gießen. Spiegelt das die Meinung der Kanzlerin wieder?

SEIBERT: Sie haben die Kollegin aus dem Auswärtigen Amt gerade gehört. Ich habe hier als Regierungssprecher gesprochen. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

FRAGE: Eine Frage an Herrn Seibert, weil aus der Trump-Familie auch der Begriff des „totalen Kriegs“ fiel: Wie kommen solche Äußerung in der Bundesregierung an?

SEIBERT: Ich möchte solche Äußerungen nicht kommentieren.

FRAGE: Eine kurze Verständnisfrage: Der Außenminister hat heute auf Twitter ein Interview ‑ ich glaube, mit der Funke Mediengruppe war es ‑ veröffentlicht, in dem er sagt: Wir brauchen die USA als Ordnungsmacht. ‑ Da würde mich nur grundsätzlich interessieren: Ist das die Haltung des Auswärtigen Amtes, dass man eine zentrale Ordnungsmacht braucht? Oder wäre auch eine multipolare Weltordnung denkbar?

ADEBAHR: Den Gegensatz, den Sie da hineinlesen, gibt es in dem Satz nicht. Der Satz lautet: „Die Welt braucht die USA als Ordnungsmacht und nicht als Chaosfaktor.“ Das schließt nicht aus, dass es verschiedene Staaten der Welt gibt, die sich international für die internationale Ordnung engagieren. Das ist ja sogar sehr wünschenswert.

Sie wissen zum Beispiel, dass wir in einer Allianz für den Multilateralismus gerade dafür werben, dass sich ganz viele Staaten beteiligen, um in der Welt das regelbasierte System, das wir in dieser Welt wollen und brauchen, aufrechtzuerhalten, zum Beispiel mit starken internationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen oder auch aktuell der Weltgesundheitsorganisation oder der Welthandelsorganisation. Ich denke, darin kommt unser Wunsch zum Ausdruck, dass die USA sich auch in einem solchen System engagieren.

ZUSATZFRAGE: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wo die USA in den letzten zwei Jahrzehnten als Ordnungsmacht aufgetreten sind, in welcher Weltregion?

ADEBAHR: Die USA waren in den letzten Jahrzehnten immer wieder und in ganz verschiedenen Bereichen ein wichtiger Teil der internationalen Ordnung, beispielsweise in den Vereinten Nationen, in denen sie gewirkt haben.

Ich glaube, das ist jetzt eine sehr allgemeine Frage, auf die Sie eine Antwort erwarten, die nicht dem Schema oder dem Sinn dieser Bundespressekonferenz entspricht, in der wir aktuelle politische Themen der Bundesregierung besprechen.

Rechtshilfeersuchen im Fall Nawalny

FRAGE: Ich habe eine Frage zum Fall Nawalny. Das russische Außenministerium hat heute behauptet, dass Berlin auf mehrere Anfragen zum Fall Nawalny keine Antworten gegeben hat. Frau Adebahr, stimmt das? Welche Informationen wurden aus Ihrem Haus überhaupt nach Moskau übermittelt?

ADEBAHR (AA): Es geht um die Frage der Rechtshilfeersuchen, die Russland an Deutschland gestellt hat. Das Bundesjustizministerium hat hier die Federführung und den aktuellen Stand.

ZUSATZFRAGE: Nicht Ihr Ministerium?

ADEBAHR: Für Rechtshilfeersuchen ‑ darauf bezieht sich die Äußerung des russischen Außenministeriums ‑ ist das Bundesjustizministerium federführend zuständig.

ZIMMERMANN (BMJV): Vielen Dank für die Frage. ‑ Ich kann noch einmal darauf hinweisen ‑ wir hatten dies ja schon getan ‑, dass die russischen Behörden insgesamt vier Rechtshilfeersuchen im Fall Nawalny an Deutschland übermittelt haben. Alle vier Ersuchen sind an die Berliner Landesjustiz weitergeleitet worden und werden dort bearbeitet. Die Weiterleitung bedeutet allerdings noch keine Bewilligung der Ersuchen.

Die Erledigung der Rechtshilfeersuchen erfordert, dass die im europäischen Rechtshilfeübereinkommen und im deutschen Strafverfahrensrecht festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Im konkreten Fall liegen dazu noch nicht alle erforderlichen Informationen vor. Das Bundesamt für Justiz hat deshalb die russische Generalstaatsanwaltschaft mit Schreiben vom 28. Oktober über den Stand der Verfahren in Deutschland informiert und darum gebeten, die erforderlichen Informationen zu übermitteln.

Das Bundesamt für Justiz hat darauf hingewiesen, dass eine Übermittlung von personenbezogenen Daten von Herr Nawalny nur dann in Betracht kommt, wenn in der Russischen Föderation ein formelles Ermittlungsverfahren zur Aufklärung dieses Verbrechens eröffnet wird. Dies folgt aus den nach dem europäischen Rechtshilfeübereinkommen und dem deutschen Recht vorzunehmenden Abwägungen.

Wie wir hier in der Regierungspressekonferenz schon mehrfach betont haben, muss dieses Verbrechen in Russland aufgeklärt werden. Nur aus einem entsprechenden formellen Ermittlungsverfahren kann sich dann ein öffentliches Aufklärungsinteresse ergeben, das die Übermittlung der persönlichen Daten, die hier einen Opferzeugen betreffen, rechtfertigen könnte. Hierzu hat das Bundesamt für Justiz die russische Generalstaatsanwaltschaft um Stellungnahme gebeten. Eine Antwort der russischen Generalstaatsanwaltschaft ist heute beim Bundesamt für Justiz eingegangen. Diese Antwort wird nun geprüft.

ZUSATZFRAGE: Das war ein bisschen zu schnell für mich. Sie haben gesagt, dass es insgesamt vier Rechtshilfeersuchen gab, die bei den zuständigen Stellen in Berlin vorliegen. Können Sie noch einmal auflisten, welche Stellen das sind? Das ist einmal die Staatsanwaltschaft in Berlin. Welche Stellen sind das noch?

ZIMMERMANN: Das ist kein neuer Stand. Die vier Rechtshilfeersuchen liegen ja schon seit längerer Zeit vor. Sie sind an die Berliner Landesjustiz weitergeleitet worden.

ZUSATZFRAGE: Welche Stellen sind das konkret?

ZIMMERMANN: Ich würde Sie bitten, sich an die Berliner Landesjustiz zu wenden.

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