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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 27.11.2020

27.11.2020 - Artikel

Gespräch des Bundesaußenministers mit seinem äthiopischen Amtskollegen

SASSE (AA): Ich möchte Ihnen mitteilen, dass Außenminister Maas heute seinen Amtskollegen aus Äthiopien trifft, Herrn Demeke Mekonnen, der gleichzeitig auch der Vizepremierminister Äthiopiens ist. Das Gespräch hat bereits um 12 Uhr begonnen. Inhaltlich geht es um bilaterale und regionale Fragen, vor allem aber natürlich um den aktuellen Konflikt in der nordäthiopischen Region Tigray.

FRAGE: Ich nehme an, dass das ein Treffen virtueller Art ist. Ist das richtig?

Gab es die Überlegung, vorher oder nachher Pressestatements oder eine Pressekonferenz zu machen?

SASSE: Was Ihre erste Frage angeht, so befindet sich der äthiopische Außenminister im Moment auf einer Europareise. Das heißt, dass auch das Treffen mit unserem Außenminister im Moment physisch stattfindet.

Aus terminlichen Gründen ist keine Pressebegegnung geplant.

Reform der Migrations- und Asylpolitik in der EU

FRAGE: Herr Seibert, Spanien, Italien, Griechenland und Malta haben in einem Schreiben an die EU-Kommission und an die Bundeskanzlerin mehr Solidarität anderer EU-Länder bei der Aufnahme und Verteilung von Migranten und Flüchtlingen und einen dauerhaften europäischen Mechanismus gefordert.

Wie ist die Haltung der deutschen Ratspräsidentschaft zu den Forderungen dieser vier Mittelmeeranrainer?

SEIBERT (BReg): Ich kann den konkreten Brief jetzt nicht kommentieren, weil er mir nicht vorliegt. Ich kann sagen, dass die Europäische Kommission im September ihren Vorschlag für eine Reform der Migrations- und Asylpolitik in Europa vorgelegt hat. Wir sehen darin eine gute Grundlage, um Fortschritte zu erzielen.

Auch wir sind der Überzeugung, dass eine gemeinsame europäische Migrations- und Asylpolitik notwendig und sinnvoll ist. Dazu hat es schon einen Austausch der Innenminister gegeben. Es war Thema des Rats der europäischen Innenminister. Ein Vorantreiben dieser Reform ist ein wichtiger Schwerpunkt unserer deutschen Ratspräsidentschaft.

Verhandlungen über das EU-Budget

FRAGE: Aus Polen gibt es die Meldung, dass der Premierminister mit der Kanzlerin telefoniert. Es soll um die Verhandlungen über das EU-Budget gehen. Herr Seibert, für wie groß schätzt die Kanzlerin die Chancen noch ein? Wie viel Spielraum ist im Streit um den Rechtsstaatsmechanismus noch da? Wie viel Zeit bleibt für die Einigung noch? Gibt es irgendwelche Fortschritte?

SEIBERT (BReg): Die Kanzlerin hat sich zu der Situation im Zusammenhang mit dem mehrjährigen Finanzrahmen, dem Aufbaupaket und dem Konditionalitätsmechanismus nach der Videokonferenz des Europäischen Rates in der vergangenen Woche geäußert. Sie hat ganz klar gesagt, dass weitere Gespräche mit Ungarn und Polen anstehen, und zwar Gespräche darüber, wie es eine Lösung geben kann. Das ist ein andauernder Prozess. Ich muss Sie um Verständnis dafür bitten, dass ich nicht über Einzelheiten dazu Auskunft geben kann. Aber das ist natürlich eine noch nicht gelöste und sehr schwere Aufgabe.

ZUSATZFRAGE: Wie beurteilt die Kanzlerin es, dass der EVP-Fraktionschef Manfred Weber aus der ungarischen Regierungspartei Fidesz mit Gestapovergleichen beschimpft wird?

SEIBERT: Beschimpfungen führen in Europa sowieso nie zu positiven Resultaten für alle Seiten. Darüber hinaus will ich das nicht kommentieren.

Wir sehen, dass es eine sehr schwierige Aufgabe zu lösen gibt, die darin besteht, einen Weg zu finden, der für das Europäische Parlament und für die Mitgliedsstaaten annehmbar ist. Die Bundeskanzlerin hat ihre Überzeugung klar zum Ausdruck gebracht, dass mit der Einigung, die wir als Ratspräsidentschaft mit dem EP bezüglich des Konditionalitätsmechanismus ausgehandelt haben, ein sehr guter und ausgewogener Kompromiss gefunden wurde. Nun müssen Gespräche darüber geführt werden, wie eine Lösung aussehen kann.

Forderung des Bundesinnenministers nach Prüfung möglicher Abschiebungen aus Deutschland nach Syrien

FRAGE: Ich beziehe mich auf ein Zitat der dpa von Herrn Seehofer. Ich zitiere:

„Ich werde bei der Innenministerkonferenz dafür eintreten, dass wir anstelle eines generellen Abschiebestopps künftig zumindest für Straftäter und Gefährder wieder in jedem Einzelfall prüfen, ob Abschiebungen nach Syrien möglich sind“.

Wie steht das Auswärtige Amt zu dieser Forderung? Halten Sie es für möglich, dass die Einschätzung zur Lage in Syrien geändert wird?

SASSE (AA): Zu dieser Frage kann sich das Innenministerium im Detail sicherlich besser äußern. Denn wir haben an dieser Stelle schon mehrfach gesagt, dass die Entscheidung darüber, ob Abschiebungen nach Syrien überhaupt möglich sind ‑ das betrifft also auch die Frage eines Abschiebungsstopps ‑, nicht das Auswärtige Amt trifft, sondern die Innenministerkonferenz.

VICK (BMI): Mit Blick auf Syrien gilt derzeit bis zum Ende des Jahres ein genereller Abschiebestopp. Das heißt, ganz unabhängig vom Einzelfall, ob Straftäter oder Gefährder, werden Syrer nach jetziger Praxis unter gar keinen Umständen abgeschoben. Das kann, wie in der Frage ja offen angesprochen wurde, nach Auffassung des Bundesinnenministers nicht ausnahmslos gelten. Die Innenministerkonferenz wird im Dezember über die Verlängerung genau dieses Abschiebestopps entscheiden. Der Bundesinnenminister wird hierbei dafür eintreten, dass anstelle eines generellen Abschiebestopps künftig zumindest wieder für Straftäter und Gefährder in jedem Einzelfall geprüft wird, ob Abschiebungen nach Syrien nicht doch möglich sind.

FRAGE: Ich habe doch noch eine Frage an das Auswärtige Amt, was die Sicherheitseinschätzung für Syrien angeht. Bin ich richtig informiert, dass die letzte aus dem Mai stammt? Hat sich, was diese Sicherheitseinschätzung angeht, noch einmal etwas wesentlich geändert? Ist die dann nicht mehr grundlegend, oder kann das Innenministerium noch einmal eine eigene Einschätzung vornehmen?

SASSE: Es ist richtig: Das Auswärtige Amt erstellt regelmäßig Berichte über die Lage in Syrien, die den Ist-Zustand im Land beschreiben. Auch im Dezember werden wir einen solchen Bericht wieder an die Innenbehörden übermitteln. Diese Lageberichte dienen dann eben als eine von verschiedenen Entscheidungsgrundlagen für die mit Asylfragen befassten Gerichte und Behörden, um eine Entscheidung in Einzelfällen zu treffen.

ZUSATZFRAGE: Wird diese Einschätzung dann vor der Innenministerkonferenzsitzung am 9. Dezember vorliegen und kann dann die Grundlage für mögliche Entscheidungen sein, oder können Sie das noch nicht beantworten?

SASSE: Der nächste Lagebericht wird turnusgemäß im Dezember den Innenministern vorgelegt werden.

FRAGE: Ich würde das BMI noch einmal fragen wollen, auf was sich die Einschätzung von Herr Seehofer denn stützt, weil wir gerade gelernt haben, dass der aktuelle Bericht noch nicht vorliegt. Er hat die Aussage ja aber jetzt schon getätigt. Auf was stützt er sich also? Wie kommt er zu der Einschätzung?

VICK: Es geht im Grunde darum, dass der Innenminister ein Signal an Straftäter und Gefährder senden will, und zwar, dass Straftäter und Gefährder ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland verwirkt haben und dass sich die gesamte Bundesregierung dafür einsetzen muss, dass im Einzelfall entschieden wird, dass Straftäter und Gefährder wieder abgeschoben werden.

ZUSATZ: Es geht also um das Signal und nicht um einen Schluss, den er aus einer veränderten Lage in Syrien zieht.

VICK: Es geht am Ende darum, dass sich die gesamte Bundesregierung dafür einsetzen muss, dass Straftäter und Gefährder unser Land wieder verlassen.

[…]

FRAGE: Wird der neue Syrien-Lagebericht vor oder nach der Innenministerkonferenz vorliegen?

SASSE: Diese Frage kam eben schon in einem anderen Zusammenhang auf. Es ist so, dass dieser Lagebericht in regelmäßigen Abständen erstellt wird. Er wurde zuletzt im Juni dieses Jahres aktualisiert, und im Dezember wird den Innenministern ein neuer Bericht vorliegen.

Berichte über illegale Push-backs durch Frontex in der Ägäis

FRAGE: Wie steht die Bundesregierung als aktuelle Ratspräsidentschaft zu den illegalen Push-backs in der Ägäis, die unter Beobachtung und zum Teil auch unter Mitwirkung von Frontex stattgefunden haben? Ist aus Sicht der Bundesregierung Frontex-Chef Leggeri noch haltbar?

SASSE (AA): Ich würde vorschlagen, das Innenministerium antwortet, weil das diese Woche bereits ein Thema war.

VICK (BMI): Ja, wir kennen die Medienberichte. Auf Bitten der Europäischen Kommission wird der Frontex-Verwaltungsrat innerhalb der nächsten zwei Wochen weitere Sitzungen abhalten, um den von Frontex vorgelegten Bericht zu den Vorwürfen bezüglich der Push-backs zu erörtern.

ZUSATZFRAGE: Ist aus Sicht der Bundesregierung der aktuelle Frontex-Chef noch haltbar?

VICK: Wir haben derzeit noch keine belastbaren Beweise dafür, dass illegale Push-backs stattgefunden haben, sodass ein diesbezüglicher Kommentar entbehrlich ist.

FRAGE: Das Thema war hier schon am Mittwoch diskutiert worden. Da hat Herr Alter gesagt, dass parallel zur RegPK eine Sitzung des Frontex-Aufsichtsrats stattfände, bei der die Sachverhalte diskutiert werden würden. Die ist ja nun vorbei. In dieser Sitzung ist es ja auch noch einmal darum gegangen, dass es Frontex-interne Berichte, also von Frontex-Beamten selbst, darüber gab, dass es zu Push-backs gekommen sei, und diese Berichte wurden von Herrn Leggeri faktisch unterschlagen. Wie bewertet vor diesem Hintergrund, der dokumentiert ist, die Bundesregierung das Agieren des Frontex-Chefs?

VICK: Wie ich bereits erwähnt habe, wird es noch weitere Sitzungen des Verwaltungsrats geben, sodass die weitere Aufklärung des Sachverhalts abzuwarten bleibt, bevor eine Bewertung vorgenommen werden kann.

Fall Nawalny

FRAGE: Laut Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage von AfD-Abgeordneten wurden die Spuren von Nowitschok im Fall Nawalny nicht nur auf der Wasserflasche gefunden, sondern auch auf anderen Gegenständen. Was sind das für Gegenstände? Ist nun klar, wie das Gift in den Körper des Politikers geraten ist?

SEIBERT (BReg): Sie wiederholen hier eine Frage, die Sie uns schon schriftlich gestellt haben und auf die sie auch eine schriftliche Antwort bekommen haben, nämlich dass wir unseren bisherigen Erklärungen dazu nichts hinzuzufügen haben.

FRAGE: Es gibt ja gab ja wiederholte Kritik von russischer Seite ‑ zuletzt, glaube ich, auch vom russischen Außenminister Lawrow erneuert ‑, dass Deutschland den Rechtshilfeersuchen auf Überlassung von Informationen nicht nachkomme und dass dies in der Bürokratie hängen bleibe. Wie ist da der Stand der Diskussion, Herr Kall? Warum werden die Informationen, die Russland haben möchte, offenbar immer noch nicht geliefert?

KALL (BMJV): Davon, dass sich das verzögert oder dass sich die Rechtshilfeverfahren insgesamt verzögern, kann keine Rede sein. Wir haben hier ja mehrfach über den Stand der Dinge berichtet. Es gibt insgesamt vier russische Rechtshilfeersuchen im Fall Nawalny. Alle vier werden von der Berliner Justiz bearbeitet. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hatte sich auch schon vor einigen Wochen dazu geäußert, dass die Ersuchen, soweit es um persönliche Informationen und Gesundheitsinformationen geht, auch von der Zustimmung des Betroffenen abhängig sind. Wir haben hier in der Regierungspressekonferenz darüber berichtet, dass das Bundesamt für Justiz der russischen Generalstaatsanwaltschaft geantwortet hat. Der Kern dieser Antwort war, dass Voraussetzung für Rechtshilfe ein formelles Ermittlungsverfahren und ernst gemeinte, förmliche Ermittlungen in Russland sind. Das ist unverändert der Stand der Dinge.

ZUSATZFRAGE: Soweit ich weiß, gab es bezüglich dieser Auffassung eine Replik von russischer Seite, die wohl darauf hingewiesen hat, dass das russische Rechtssystem bei Verfahren andere Schritte vorsehe. Kann es sein, dass die Übermittlung von Informationen deshalb unterbleibt, weil es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, was Verfahren und was Schritte zur Einleitung eines Verfahrens sind? Dann wäre das eine Geschichte ohne Ende!

KALL: Über die Rechtshilfeersuchen ist noch nicht entschieden worden ‑ das geht ja aus meiner Antwort hervor ‑, sondern sie werden bearbeitet. Sie werden auch zügig bearbeitet. Das Bundesamt für Justiz steht insofern mit der russischen Generalstaatsanwaltschaft in Kontakt.

Die Antwort, die dazu eingegangen ist und auf die Sie sich jetzt beziehen, wird durch das Bundesamt für Justiz geprüft. Insofern geht es sozusagen nicht um die Eigenheiten des russischen Strafprozessrechts, sondern es geht um das, woran wir in Deutschland gebunden sind: das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und die Strafprozessordnung. Das sind die Voraussetzungen, unter denen wir Rechtshilfe leisten können. Da lautet die Frage, ob die erfüllt sind. Dazu haben wir Rückfragen gestellt. Das ist der aktuelle Stand der Dinge.

SEIBERT: Vielleicht ist dies auch noch einmal eine Gelegenheit, daran zu erinnern, dass ein russischer Staatsangehöriger auf russischem Boden Opfer eines Angriffs mit einem militärischen Nervenkampfstoff wurde. Mögliche Orte der Tat liegen in Russland. Russland hat alles Notwendige, um in Sachen dieses Verbrechens zu ermitteln und es aufzuklären.

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