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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 18.06.2021

18.06.2021 - Artikel

Europäische Asylpolitik

FRAGE: Herr Seibert, in den letzten Tagen sind 3000 Migranten an der italienischen Küste gelandet. Die Rechtsparteien setzen das Thema auch im Kontext der Pandemie wieder auf ihre politische Agenda. Rom wünscht sich eine Beschleunigung des Verteilungsmechanismus in der EU. Wird die Bundeskanzlerin dabei helfen, um den derzeitigen Stillstand zu überwinden?

SEIBERT (BReg): Ich habe ja gerade den Besuch des italienischen Ministerpräsidenten Draghi angekündigt. Es ist gut möglich, dass auch die Belastungen, die sein Land durch diese neuen, zahlreichen, irregulären Ankünfte erlebt, zum Thema werden.

Wir haben uns in den vergangenen Jahren ja immer beteiligt, wenn es darum ging, Menschen, die auf dem Mittelmeer in Not geraten sind und in italienische Häfen geschleppt wurden, in Europa aufzunehmen. Wir haben immer einen Anteil gehabt. Aber wir haben auch immer gesagt, dass diese Ad-hoc-Lösungen im Grunde nicht der Weg sein können. Denn wir brauchen eine dauerhaft solidarische europäische Lösung, nicht nur bei den Asylverfahren, sondern eben auch bei solchen Verteilungsfragen. Das kann nicht immer nur auf der Freiwilligkeit einiger weniger Mitgliedsstaaten beruhen.

Insofern kann ich den Gesprächen jetzt nicht vorgreifen. Das wird ja auch immer sehr stark durch die Kommission koordiniert. Aber es bleibt die Notwendigkeit einer dauerhaften, nachhaltigen Lösung anstelle des Ad-hoc-Verteilungsverfahrens, das sich dann immer wieder ergibt.

Mögliche Pläne zur Rückführung syrischer Flüchtlinge

FRAGE: Die dänische Regierung will viele syrische Flüchtlinge in ihr Land zurückführen. Gibt es Pläne des Innenministeriums, syrische Flüchtlinge in ihr Land zurückzuschicken?

LAWRENZ (BMI): Wie Sie wissen, läuft momentan die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern. Am Ende der Innenministerkonferenz, die momentan noch läuft, wird es eine Abschlusspressekonferenz geben. Dieser kann ich hier nicht vorgreifen.

COVID-19-Pandemie: EU-Abstimmung über Einreiseregeln

FRAGE (zur COVID-19-Pandemie): Herr Seibert, ist angesichts der Deltavariante und der Ausbreitung in Portugal nicht auch eine EU-Abstimmung über die gegenseitigen Einreisen nötig? Portugal hat ganz andere Regeln als Deutschland.

SEIBERT (BReg): Ich habe ja gesagt, dass das Thema der Coronabekämpfung und der gemeinsamen Herausforderungen durch die Pandemie auf der Tagesordnung des Europäischen Rates stehen wird. Ich bin ganz sicher, dass das Ausgreifen der Deltavariante, das die Briten gerade in starkem Maße erleben, zum Teil auch die Portugiesen ‑ Lissabon hat jetzt sehr massive Maßnahmen ergriffen ‑, dort auch ein Thema sein kann. Aber ich kann noch nicht sagen, in welchem Sinne es besprochen werden wird.

Begegnung zwischen den Präsidenten Russlands und der USA

FRAGE: Herr Seibert, wenn ich es richtig sehe, dann hat sich die Kanzlerin noch gar nicht zum Ergebnis des Gipfels zwischen Putin und Biden geäußert. Wie sieht die Kanzlerin den Ausgang, und wie soll es jetzt weitergehen? Sollen die engen Kontakte vielleicht auch in ein weiteres persönliches Treffen münden?

Wird sie sich bei ihrem Besuch in den USA nächsten Monat vielleicht dafür einsetzen?

SEIBERT (BReg): Wir hatten ja im Vorfeld bzw. die Bundeskanzlerin hatte im Vorfeld schon gesagt, dass sie begrüßt, dass es zu diesem Treffen in Genf kommen würde, weil sie den Weg des Gesprächs auch da, wo es viele Meinungsverschiedenheiten und auch konfrontative Themen gibt, für den richtigen hält. Wir begrüßen also, dass beide Präsidenten sich in Genf getroffen haben und auch vereinbart haben, diesen Dialog fortzusetzen, zu vertiefen, gerade auch zu wichtigen Themen wie Rüstungskontrolle und Cybersicherheit, zu denen offenbar Arbeitsgruppen eingesetzt werden sollen.

Dass jetzt die bilateralen Botschafter jeweils nach Moskau und Washington zurückkehren, wie man es vereinbart hat, ist sicherlich auch ein Zeichen für die Bereitschaft beider Seiten, ihren Austausch wieder intensiver zu gestalten. Gleichzeitig hat das Gipfeltreffen gezeigt: Die bekannten Differenzen bestehen fort. Die Erwartungen des Westens und auch Deutschlands an Russland haben wir hier an dieser Stelle oft thematisiert.

ZUSATZFRAGE: Hat sie noch nicht vor, sich bei dem Besuch in Washington bei Herrn Biden dafür einzusetzen, dass es zeitnah ‑ nächstes Jahr ‑ zu einem weiteren, ähnlichen Gipfel kommt?

SEIBERT: Schauen Sie, Sie möchten jetzt, dass ich Ihnen sage, was die Bundeskanzlerin Mitte Juli bei ihrem Besuch in den USA sagen wird. Das wird natürlich nicht passieren.

Wir begrüßen sehr, dass es zu diesem Treffen gekommen ist. Wir begrüßen, dass auch der Beginn eines Dialogs über strategische Abrüstungsfragen, strategische Stabilität vereinbart wurde, bei dem es dann eben um Fragen der Rüstungskontrolle und Abrüstung gehen soll. Daran haben wir großes Interesse; das ist auch etwas, was die deutsche Seite gegenüber Russland immer wieder anspricht.

Ich kann Ihnen hier jetzt aber nicht sagen, wie das Gespräch der Bundeskanzlerin Mitte Juli mit dem US-Präsidenten in dieser Sache laufen wird. Bei diesen Gesprächen ist sicherlich ein guter Anfang gemacht worden.

FRAGE: Herr Seibert, Sie oder die Bundesregierung haben sicherlich auch die Pressekonferenz Putins verfolgt. Hat es Sie überrascht, dass Putin in einer in jüngerer Zeit so doch noch nicht gekannten Heftigkeit und Deutlichkeit in Bezug auf die Ukraine davon gesprochen hat, dort sei ‑ und das im Grunde mit westlicher Unterstützung ‑ nichts anderes als ein Staatsstreich erfolgt, und was dann in der Zeit danach aufseiten Russlands folgte, wurde praktisch dadurch erklärt oder legitimiert, dass man auf einen Staatsstreich reagiert habe. Ist das ein neuer Ton oder hat Sie das nicht überrascht?

SEIBERT: Diese aus unserer Sicht in keiner Weise zutreffende Darstellung ist nicht neu und ist von russischer Seite auch in der Vergangenheit vorgebracht worden.

Aussöhnungsabkommen mit Namibia

FRAGE: An das Auswärtige Amt zum Thema Namibia: Die eigentlich geplante Reise des Außenministers zur Unterzeichnung des Abkommens ist, glaube ich, immer noch nicht neu terminiert. Hintergründe sind ‑ so haben Sie das hier auch ausgeführt ‑, dass sich die namibische Seite mit den Opfernachfahren immer noch nicht geeinigt habe. Es ist inzwischen so, dass sich zum Beispiel königliche Familien, die zu den Nachfahrenorganisationen gehören, von den Inhalten des Abkommens distanzieren. Ist dieses Abkommen dann überhaupt noch ein realistisches Projekt?

ADEBAHR (AA): Wir arbeiten weiter dafür, dass dieses Abkommen zustande kommt und sind mit der namibischen Seite im Gespräch. Es gibt ganz aktuelle Entwicklungen zu diesem Thema, die auch seit heute Morgen schon in der Presse sind, die mit Blick auf die Frage des Zeitplans ‑ und aus unserer Sicht ist es, glaube ich, eine Frage des Ob, sondern eine Frage des Zeitplans ‑ eine Rolle spielen. Dazu gehört, dass sich die Coronasituation in Namibia massiv verschlechtert hat. Dort sind mehrere Mitglieder der Regierung und auch des Parlamentes inzwischen an Corona erkrankt, sodass die Gespräche dort etwas ruhen. Wir werden eventuell auch den Status von Namibia angesichts der Coronalage aktualisieren müssen.

Ich weiß nicht, ob Sie es gesehen haben: Der Chief der Herero, Herr Rukoro, ist gestern gestorben. Insofern sprechen wir zunächst einmal ihm, dem Stamm und den Angehörigen unser Beileid aus. Unsere Botschaft in Windhuk wird auch dem traditionellen Rat der Ovaherero, dem Herr Rukoro vorstand, und auch seiner Familie vor Ort natürlich kondolieren. Das ist eine weitere Entwicklung, die gerade ganz akut durch die Coronasituation hineinspielt. Wir hoffen zunächst erst einmal, dass sich diese Situation so schnell es geht verbessert, und wollen dann an dem Abkommen festhalten und weiter dafür arbeiten.

ZUSATZFRAGE: Das soll jetzt nicht pietätlos klingen, aber Herr Rukoro war natürlich sozusagen die wesentliche Stütze bei dem Versuch, die Nachfahren der Opfer zu integrieren. Ist es aus heutiger Sicht ein Fehler gewesen, dass man anders vorgegangen ist als im Fall Nigerias bei der Rückgabe der Bronzen, wo ja in der gemeinsamen Konferenz das Königshaus Benin sozusagen als nichtstaatliche oder traditionelle Herrscherfamilie mit einbezogen wurde? So wurde ja in Bezug auf Namibia nicht vorgegangen, es gab da also zweierlei Verfahren. War das jetzt der falsche Weg?

ADEBAHR: Ich würde nicht sagen, dass in Namibia nicht so vorgegangen wurde. Wir haben die Verhandlungen mit der namibischen Regierung geführt, das stimmt, aber dadurch, dass es diverse Stämme und diverse Gruppen gibt, haben wir von Anfang an sehr darauf gedrungen ‑ das war auch der namibischen Regierung ein Anliegen ‑, dass insbesondere die Hereroseite einbezogen wurde. Wie, in welchem Format und in welcher Intensität das geschah, da hat sich die namibische Regierung natürlich auch ausbedungen, dass sie das organisiert. Uns war es von vornherein ein Anliegen ‑ wir glauben, auch der namibischen Seite. Insofern würde ich eben nicht sagen, dass die Stämme und die Herero nicht einbezogen worden waren.

Rede der Verteidigungsministerin in Guam

FRAGE: Die Verteidigungsministerin hat Russland in ihrer Rede in Guam als Gegner für Europa bezeichnet. Stehen die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung hinter dieser Äußerung, und wie bewerten Sie das?

SEIBERT (BReg): Zunächst einmal stehen die Worte der Verteidigungsministerin für sich. Gegebenenfalls kann ja der Kollege aus dem Verteidigungsministerium noch etwas dazu sagen. Dass es in vielen Bereichen eine Konfrontation mit Russland gibt, wo wir uns Kooperation wünschen würden, das ist unstrittig.

VORS. WOLF: Das heißt, die Bundeskanzlerin steht konkret hinter dieser Äußerung? Sie trägt sie also mit? ‑ Das war die Frage.

SEIBERT: Ich werde jetzt nicht die Rede der Ministerin, die ich nicht in Gänze kenne, kommentieren. Dazu kann sich der Kollege aus dem Verteidigungsministerium sicherlich noch einmal äußern.

HELMBOLD (BMVg): Mir ist es sehr wichtig, dass man die Worte der Ministerin im Zusammenhang sieht, wie sie gefallen sind, und ihre Rede als Ganzes betrachtet.

Unserer Ministerin ist es immer sehr wichtig klarzumachen, dass es keinerlei irgendwie geartete Animositäten oder Schwierigkeiten mit Russland gibt, sondern dass wir insgesamt Herausforderungen haben, die zu bewältigen sind, die sich aber auf die russische Regierung und nicht auf Russland als solches beziehen. Das halte ich für sehr wichtig, und das bitte ich in diesem Zusammenhang immer wieder zu beachten. Da gilt es dann, sich ganz sorgfältig das anzuschauen, was unsere Ministerin tatsächlich gesagt hat.

Besuch des amerikanischen Außenministers in Deutschland

SEIBERT (BReg): Ja, eine Terminankündigung müssen wir noch nachreichen. Sie betrifft den Mittwoch der kommenden Woche, also den 23. Juni.

Da wird die Bundeskanzlerin am Nachmittag im Kanzleramt den amerikanischen Außenminister Antony Blinken empfangen. Er nimmt an der am selben Tag stattfindenden zweiten Libyen-Konferenz auf Einladung von Außenminister Heiko Maas im Auswärtigen Amt teil.

ADEBAHR (AA): Dieser wird Herrn Blinken natürlich im Rahmen der Libyen-Konferenz sehen. Er wird ihn aber auch am Morgen des 23. Juni zu einem bilateralen Gespräch empfangen. Dabei geht es um alle außenpolitischen Themen, die sich in den letzten Tagen auch schon in dem großen Gipfelgeschehen dargestellt haben. Es wird anschließend eine Pressekonferenz geben.

Am Donnerstagvormittag sehen sich die beiden Außenminister nochmals und werden am Denkmal für die ermordeten Juden Europas eine Vereinbarung zur engeren Zusammenarbeit Amerikas und Deutschlands in Holocaust-Fragen unterzeichnen und dort auch einen Kranz niederlegen. Die Veranstaltung ist presseöffentlich geplant.

Ebenfalls am Donnerstag, dann am Nachmittag, endet dieser bilaterale Besuchsteil Herrn Blinkens in Berlin mit einer Diskussionsveranstaltung beider Außenminister mit Jugendlichen aus beiden Ländern zur Zukunft der transatlantischen Beziehungen und darüber, wie eine moderne transatlantische Partnerschaft ausgestaltet werden sollte. Dieses Treffen wird ‑ ich darf ja hier keine Werbung für Lokalitäten machen ‑ in einem informelleren Rahmen in einer Außengastronomie in Berlin-Mitte stattfinden.

SEIBERT: Das macht jetzt erst recht neugierig.

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