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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 29.12.2021

29.12.2021 - Artikel

Verbot der Nichtregierungs­organisation Memorial in Russland

BÜCHNER (BReg): […] Dann will ich ein paar Worte zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Russland zum Verbot der Menschenrechtsorganisation Memorial International sagen. Das Auswärtige Amt hat zum Urteil des Obersten Gerichtshofes bereits gestern eine Stellungnahme abgegeben. Lassen Sie mich aus dieser Stellungnahme das Folgende hervorheben: Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, die Nichtregierungsorganisation Memorial aufzulösen, ist mehr als unverständlich und widerspricht internationalen Verpflichtungen zum Schutz grundlegender Bürgerrechte, die auch Russland eingegangen ist. Memorial ist Ausdruck unseres gemeinsamen europäischen Selbstverständnisses, Verstöße gegen Menschenrechte klar zu benennen und aufzuarbeiten. Die Bundesregierung sieht diese Entscheidung auch deshalb mit großer Sorge, weil sie den Opfern von Unterdrückung und Repression die Stimme entzieht.

Darüber hinaus möchte ich noch einmal wiederholen, was wir an dieser Stelle bereits in der Vergangenheit deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Die traurige Gewissheit, dass Memorial geschlossen werden soll, muss jeden erschüttern, der den jahrzehntelangen Einsatz dieser Organisation für Menschenrechte und für die Aufarbeitung politischer Gewaltherrschaft kennt. Memorial verfügt in Russland und international über große Reputation, die sich die Organisation in Jahrzehnten erarbeitet hat. Bereits das Gesetz über ausländische Agenten und nachfolgende Repressalien bedeuten eine erhebliche Einschränkung der Arbeit der Organisation. Das Gerichtsverfahren gegen Memorial zeigt erneut, dass die Repression gegen die Zivilgesellschaft in Russland weiter zunimmt.

Auch mit Blick auf den Petersburger Dialog erfüllt uns das mit zusätzlicher Sorge. Ich möchte auch hier an die Kritik der Bundesregierung an der Listung von drei deutschen Nichtregierungsorganisationen erinnern.

VORS. FELDHOFF: Gibt es Fragen im Saal zu Memorial? ‑ Dann habe ich online eine Frage: Herr Büchner, planen Sie konkrete Reaktionen und Schritte, die über Verbales hinausgehen, und, wenn ja, welche?

BÜCHNER: Dazu kann ich im Moment nichts weiter sagen als das, was ich in der Stellungnahme gesagt habe.

COVID-19-Pandemie: Impfdosen­spenden an andere Länder

FRAGE: Heute gab es Meldungen, dass die Zahl von 100 Millionen Impfdosenspenden in diesem Jahr erreicht sei. Könnte noch einmal aufgelistet werden, ob tatsächlich schon alle ausgeliefert wurden? Um welche Vakzine handelt es sich? Das ist die eine Frage.

Die andere Frage bezieht sich auf die 75 Millionen Impfdosen, die im nächsten Jahr gespendet werden sollen. Gibt es dafür einen Zeitplan? Um welche Impfdosen handelt es sich? Inwiefern geht das gegebenenfalls mit der Impfkampagne in Deutschland einher, was die Versorgung mit Impfstoffen angeht?

Wenn Sie die Antwort schriftlich nachreichen könnten, wäre das super.

VORS. FELDHOFF: Vielleicht können uns die anderen Ressorts aushelfen?

DEFFNER (BMG): Vielleicht zu der ganz allgemeinen Zahl: Die Zahl von 100 Millionen gespendeter Impfdosen bis zum Jahresende war als Ziel gesetzt. 103 Millionen Impfdosen wurden an COVAX gespendet. Das ist der Kenntnisstand, den ich habe.

Zu Auslieferungen von COVAX an die entsprechenden Länder müssten Sie sich gegebenenfalls dorthin wenden. Das BMZ wird das vielleicht im Detail noch ergänzen können.

Einen Zeitplan für die weiteren 75 Millionen Impfdosen gibt es meines Wissens noch nicht.

FRAGE: Ist für diesen Zeitplan, wann wie viele Impfdosen an welche Länder oder an COVAX gespendet werden, nicht das Gesundheitsministerium zuständig?

DEFFNER: Das ist ein sehr komplexer Logistik- und Distributionsvorgang. Wir haben ja auch den Generalstab, der sich um sämtliche Logistikfragen innerhalb Deutschlands kümmert. In enger Abstimmung mit dem BMG wird dort natürlich geschaut, welche Gesamtmengen dafür geeignet sind, gespendet zu werden.

ZUSATZFRAGE: Aber welches Ministerium hat den Überblick darüber? Bislang haben das Gesundheitsministerium und das Auswärtige Amt die Zahlen zur Verfügung gestellt. Wer hat aktuell den Überblick darüber, wann diese 75 Millionen Impfdosen an COVAX und andere Länder gehen sollen?

DEFFNER: Vom Grundprinzip her bleibt es dabei, dass wir den Überblick über die Gesamtmenge haben. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Auswärtigen Amt haben den Überblick darüber, in welche konkreten Länder gespendet wird. Wenn darüber hinaus Vorschläge aus dem BMZ kommen, dann wird das natürlich gemeinsam erörtert.

ZUSATZFRAGE: Ist also zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht klar, wann die erste Charge dieser 75 Millionen Impfdosen aus Deutschland an COVAX gespendet werden wird? Ich frage das vor dem Hintergrund, dass sich afrikanische Länder gewünscht haben, dass das ein bisschen planbarer ist und nicht mehr so kurzfristig kommt.

DEFFNER: Wichtig ist, dass wir jetzt zunächst einmal ‑ wir befinden uns ja noch im Jahr 2021 ‑ das hehre Ziel von 100 Millionen Impfstoffspenden mehr als erreicht haben. 103 Millionen waren es insgesamt. Darüber hinaus sollen mit jetzigem Stand 75 Millionen Impfstoffdosen zusätzlich ab dem nächsten Jahr gespendet werden.

Religiöser Nationalismus in Indien

VORS. FELDHOFF: Dann habe ich eine Frage zur Außenpolitik: Gibt es eine Meinung der Bundesregierung bezüglich der Meldung, dass indische Nationalisten auffordern, Muslime und Christen zu töten?

SASSE (AA): Die Antwort darauf müsste ich Ihnen nachreichen.

Ukraine-Konflikt

FRAGE: Zum Thema USA/Russland: Am 10. Januar wird es ja ein Treffen in Genf geben, mit dem versucht wird, die Ukraine-Krise irgendwie zu entschärfen. Was verspricht sich die Bundesregierung, die ja große Hoffnung in dieses Treffen setzt, von diesem Treffen?

BÜCHNER (BReg): Es gibt ja einen ganzen Reigen von Gesprächen, die jetzt anstehen. Das erste ist das, was Sie erwähnt haben, wenn ich das von der Zeitschiene richtig überblicke, also das Gespräch in Genf zwischen den USA und Russland. Es ist eine Einladung ausgesprochen für ein Gespräch im NATO-Russland-Rat. Darüber hinaus ist bilateral zwischen Deutschland und Russland schon ein Gespräch zwischen dem außen- und sicherheitspolitischen Berater des Bundeskanzlers, Herrn Plötner, und dem Ukraine-Beauftragten Russlands, Herrn Kosak, vereinbart. Die Außenministerin hat angekündigt, sich in Kürze mit dem russischen Außenminister Lawrow zu treffen. Es ist auch ein Gespräch auf der Plattform der OSZE geplant.

Wenn Sie das alles zusammennehmen, wird, glaube ich, klar, dass es jetzt eine ganze Reihe von diplomatischen Initiativen gibt, und es war ja auch immer der ausdrückliche Wunsch der Bundesregierung, dass man diesen Konflikt auf diplomatischem Weg deeskaliert.

ZUSATZFRAGE: Der EU-Außenbeauftragte Borrell hat gerade noch einmal klargestellt, dass auch die EU sich eine stärkere Rolle wünscht. Sieht die Bundesregierung es auch so, dass die EU in irgendeiner Form in diesen Reigen von Gesprächen eingebunden sein müsste?

BÜCHNER: Die Bundesregierung hat ja mehrfach, auch von dieser Stelle aus, betont, dass wir uns eine Wiederbelegung des Normandie-Formats wünschen. Darüber wurde auch beim Europäischen Rat gesprochen, und dort gab es eine große Unterstützung für genau diesen Weg, das Normandie-Format wiederzubeleben.

SASSE (AA): Ergänzend kann ich vielleicht noch sagen, dass wir uns selbstverständlich ‑ das wissen Sie aber ‑ sehr, sehr eng mit unseren EU-Partnern durchgehend auch zum Thema Russland abstimmen und selbstverständlich auch den engen Austausch der EU mit den USA beispielsweise durch gegenseitige Unterrichtungen unterstützen.

Gesundheitstests bei der Einreise nach Russland

VORS. FELDHOFF: Ich habe zum Thema Russland noch eine weitere Frage: Ausländer müssen in Russland neuerdings Gesundheitstests bei der Einreise vorlegen. Unter anderem Unternehmer protestieren bereits. Wie beurteilen Bundeskanzleramt und das Auswärtige Amt diese Neuregelung? Gab es in der Sache bereits einen Austausch mit Russland?

SASSE (AA): Dazu kann ich sagen, dass wir diese neuen russischen Regelungen über medizinische Untersuchungen zur Kenntnis genommen haben und selbstverständlich die Sorge der vielen in Russland tätigen Organisationen und auch Unternehmen über eine mögliche Auswirkung dieser Neuregelungen auf die wirtschaftliche, wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland teilen. Wir werden diese Sorgen aufnehmen und selbstverständlich weiter mit den russischen Stellen thematisieren.

Lage der Meinungs- und Pressefreiheit in Hongkong

FRAGE: In Hongkong hat ein weiteres Nachrichtenportal die Arbeit eingestellt und sämtliche Mitarbeiter entlassen, nachdem es Razzien der Polizei gab und mehrere Mitarbeiter von „Stand News“ festgenommen wurden. Mich würde interessieren, ob das Auswärtige Amt diesen Vorgang beobachtet und wie sie ihn bewerten.

SASSE (AA): Vielen Dank. Es ist in der Tat so, dass wir diese Entwicklungen selbstverständlich im Auge haben. Wir haben an dieser Stelle ja schon in der Vergangenheit häufiger zur Lage in Hongkong Stellung genommen und können das auch heute noch einmal tun; denn die polizeilichen Durchsuchungen, die wir da heute beobachten konnten, zeigen aus unserer Sicht abermals, wie das Nationale Sicherheitsgesetz und auch andere Bestimmungen willkürlich und selektiv angewandt werden, um gegen kritische Stimmen vorzugehen.

Aus unserer Sicht ist ganz klar, dass kritischer Journalismus nicht unter Generalverdacht gestellt werden darf. Die Vorgänge illustrieren aus unserer Sicht aufs Neue, dass es eine stetige Erosion von Pluralismus, Meinungs- und Pressefreiheit in Hongkong gibt, insbesondere seit Inkrafttreten des Nationalen Sicherheitsgesetzes. Die Geschehnisse sind ein weiterer harter Schlag gegen die Pressefreiheit in Hongkong ‑ das kann man, glaube ich, in aller Deutlichkeit so sagen. Wir werden auch weiterhin für den Schutz der Rechte und Freiheiten eintreten, zu deren Einhaltung sich China in der gemeinsamen chinesisch-britischen Erklärung von 1984 verpflichtet hat und die im Hongkonger Basic Law garantiert sind. Hierzu gehört ausdrücklich auch die Pressefreiheit.

ZUSATZFRAGE: Sie haben im Juni 2021 eine ganz ähnliche Erklärung abgegeben, als „Apple Daily“ geschlossen wurde. Damals gab es auch die Nachfrage, ob es denn auch Gespräche über das Thema mit chinesischen Regierungsvertretern oder Ähnliches gebe. Diese Frage würde ich in diesem Fall auch gern noch einmal stellen.

SASSE: Dazu kann ich Ihnen an dieser Stelle heute noch nichts Genaueres sagen. Ich werde das aber gegebenenfalls in einer der nächsten Regierungspressekonferenzen nachholen. Selbstverständlich gilt aber, wie in allen anderen Fällen, dass wir durch unsere Auslandsvertretungen vor Ort in einem ständigen Austausch mit chinesischen Stellen stehen.

Olympische Winterspiele in China

VORS. FELDHOFF: Ich habe eine Onlinefrage zum Thema Olympia an das AA: Ministerin Baerbock hat angekündigt, nicht zu den Olympischen Winterspielen nach China zu reisen. Schließt die Ministerin sich mit dieser Entscheidung dem diplomatischen Boykott an, den einige Partnerstaaten ausgerufen haben?

Ergänzend die Frage: Haben sich der Bundeskanzler und die Innenministerin schon festgelegt, ob sie zu den Spielen nach Peking reisen werden oder nicht?

SASSE (AA): Da auf die Äußerungen der Ministerin schon ausdrücklich Bezug genommen wurde, kann ich sie an dieser Stelle noch einmal wiederholen. Die Ministerin hat gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in einem Interview gesagt:

„Wie mehrfach gesagt, stimmen wir uns zu einer gemeinsamen Linie mit den EU-Partnern derzeit ab. Da Sie mich persönlich fragen: Ja, ich bin großer Sportfan. Aber zu Olympia werde ich in dieser Zeit definitiv nicht fahren. Das war für Außenminister auch in der Vergangenheit nicht üblich.“

BÜCHNER (BReg): Für den Bundeskanzler kann ich nur ergänzen, was wir hier schon mehrfach gesagt haben, dass wir uns nämlich hinsichtlich der Teilnahme mit den Partnern in der EU abstimmen. Diesem Abstimmungsprozess kann ich hier nicht vorgreifen.

ALTER (BMI): Dem schließe ich mich für das Bundesinnenministerium an. Die Bundesinnenministerin hat für sich selbst entschieden, schon aus Pandemiegründen nicht selbst nach Peking zu reisen.

Erteilung von Visa für afghanische Ortskräfte und besonders schutzbedürftige Afghanen

FRAGE: Wir bleiben noch einmal außenpolitisch. Ich habe eine Frage zu Afghanistan. Die FUNKE MEDIENGRUPPE berichtet unter Berufung auf das Auswärtige Amt, dass seit Machtübernahme der Taliban 5600 Visa an gefährdete Afghaninnen und Afghanen ausgestellt worden seien. Ich wollte fragen, ob Sie die Zahl bestätigen können und auch die Tatsache, dass die meisten dieser Visa über Islamabad ausgestellt wurden.

SASSE (AA): Ich kann die Zahl sogar noch präzisieren: Es handelt sich mit Stand heute um 5925 Visa, davon sind knapp 4000 in Islamabad ausgestellt worden. Diese Visa sind nach § 22 Aufenthaltsgesetz für Ortskräfte und besonders Schutzbedürftige erteilt worden.

VORS. FELDHOFF: Dann habe ich Fragen, die daran anschließen: Wie viele Personen arbeiten in den Botschaften in Islamabad und Neu-Delhi an der Antragsbearbeitung?

Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung zur Steigerung der Bearbeitungsquote?

SASSE: Die genaue Zahl der Mitarbeiter kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht nennen.

Ich kann Sie allerdings noch einmal darauf verweisen, dass die Ministerin kurz vor Weihnachten, nämlich am 23. Dezember, in einer Pressekonferenz umfangreich zur Lage in Afghanistan Stellung genommen hat und in dieser Pressekonferenz auch unsere Bemühungen sehr detailliert geschildert hat. Diese Bemühungen gehen weiter. Sie betreffen selbstverständlich auch den Punkt, dass wir uns vollkommen der Tatsache bewusst sind, dass unsere Auslandsvertretungen in der Region großen Herausforderungen gegenüberstehen und sehr in Anspruch genommen sind, was beispielsweise die Erteilung von Visa angeht, aber auch, was andere Fragen mit Blick auf Afghanistan angeht, und dass wir uns selbstverständlich kontinuierlich darum bemühen, diese Arbeit der Auslandsvertretungen weiter in jedweder Form zu unterstützen.

FRAGE: Bei der Pressekonferenz hatte die Ministerin auch gesagt, dass man die Gespräche mit den Nachbarländern Afghanistans intensivieren wolle. Ich wollte fragen, ob es konkrete Pläne für Reisen in die Region gibt und ob sich schon irgendetwas zu Zeitplänen sagen lässt.

SASSE: Leider kann ich Ihnen zu Reiseplänen an dieser Stelle keine Auskunft geben. Wie üblich müssen wir es so handhaben, dass wir Reisen ankündigen, wenn es so weit ist.

Sie spielen aber ganz konkret darauf an, wie die Gespräche mit den Nachbarstaaten laufen. Wir hatten dazu in den vergangenen Regierungspressekonferenzen häufiger berichtet. Da geht es unter anderem natürlich um die Nachbarländer Tadschikistan und Usbekistan. Es geht aber auch um Pakistan ‑ das Stichwort „Islamabad“ ist schon gefallen ‑ und um die Belastung, der sich natürlich insbesondere Pakistan durch die Zahl der Schutzbedürftigen und zu Evakuierenden ausgesetzt sieht, die über Pakistan ausreisen wollen oder nach Pakistan gelangen. Es geht aber auch um Gespräche, die wir beispielsweise mit anderen Nachbarländern führen. Hierzu zählt ausdrücklich auch Iran.

VORS. FELDHOFF: Eine Ergänzung von einem Kollegen. Er hat nachgerechnet: 30 bis 40 Anträge in Islamabad pro Arbeitstag. Ist das steigerbar?

SASSE: Wie gesagt, zu Zahlen kann ich an dieser Stelle keine Stellung nehmen. Ich habe, glaube ich, sehr deutlich gemacht, dass unsere Bemühungen sehr darauf gerichtet sind, weiter Fortschritte zu unternehmen und dass dies auch die Tatsache betrifft, dass wir unsere Auslandsvertretung in Islamabad stärken und unterstützen.

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