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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 28.12.2022

28.12.2022 - Artikel

Verhaftung eines mutmaßlichen Spiones im Bundesnachrichtendienst

FRAGE: Frau Hoffmann, dies ist die erste Pressekonferenz, nachdem bekannt wurde, dass ein Spion beim BND tätig gewesen ist und verhaftet wurde. Trifft es zu, dass der Bundeskanzler seit Wochen darum wusste? Wie kommentiert er diese Affäre?

HOFFMANN (BReg): Dazu hat es eine Pressemitteilung des Generalbundesanwalts gegeben. Auch der BND-Präsident hat sich zu diesem Fall geäußert.

Der Generalbundesanwalt hat am 21. Dezember dieses Jahres aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs einen Angehörigen des Bundesnachrichtendienstes, den deutschen Staatsangehörigen Carsten L., festnehmen lassen. Der Beschuldigte ist des Landesverrats dringend verdächtig. Die Bundesregierung ‑ das noch direkter zu Ihrer Frage ‑ nimmt den Fall ebenso wie der BND und die anderen Sicherheitsbehörden sehr ernst und unterstützt selbstverständlich die Ermittlungsbehörden umfassend bei der Aufklärung.

Ja, das Bundeskanzleramt und auch der Bundeskanzler sind frühzeitig in diesen Fall eingebunden worden.

FRAGE: Der „SPIEGEL“ berichtet heute, dass es einen weiteren Verdächtigen gebe. Können Sie das bestätigen?

HOFFMANN: Ich muss um Verständnis dafür bitten, dass sich die Bundesregierung zu den laufenden Ermittlungen und Untersuchungen nicht weiter äußern kann. Wir verweisen dann an den Generalbundesanwalt. Es ist sehr wichtig, dass Details dieses Vorgangs nicht öffentlich werden, damit auch möglicherweise der russischen Seite nicht die Möglichkeit gegeben wird, Erkenntnisse daraus zu ziehen. Wir können uns also zu allen Details, die in den letzten Tagen veröffentlicht wurden, leider nicht weiter äußern.

FRAGE: An das Auswärtige Amt: Ist es denn nicht üblich, dass man in solchen Fällen eine gewisse Zahl von Mitarbeitern oder einen Mitarbeiter der russischen Botschaft ausweist? Plant die Bundesregierung solch einen Schritt in diesem Fall?

BURGER (AA): Auch ich muss um Verständnis dafür bitten, dass ich mich mit Blick auf die laufenden Ermittlungen zum derzeitigen Zeitpunkt dazu nicht weiter einlassen werde.

FRAGE: Doppelagenten sind ja jetzt nichts Besonderes in der Spionage. Aber wie viele Doppelagenten wurden im BND in den letzten zehn Jahren enttarnt? Können Sie uns das sagen? Sie werden uns ja nicht sagen, wie viele BND-Doppelagenten irgendwo sind.

HOFFMANN: Ich würde Sie bitten, dazu direkt beim BND nachzufragen.

ZUSATZFRAGE: Das wissen Sie nicht?

HOFFMANN: Wir äußern uns zu der Tätigkeit der Nachrichtendienste in diesen Details grundsätzlich nicht. Dazu fragen Sie am besten beim BND selbst.

ZUSATZ: Aber das Kanzleramt ist doch für die Nachrichtendienste zuständig.

HOFFMANN: Die Fälle, die in den vergangenen Jahren öffentlich geworden sind ‑ ‑ ‑ Ich erinnere mich jetzt an zwei Fälle in den vergangenen Jahren. Aber ob es darüber hinaus Fälle gegeben hat, kann ich Ihnen jetzt hier nicht sagen. Das heißt ja nicht, dass wir das nicht wissen. Es ist nur so, dass wir uns hier Ihnen gegenüber dazu nicht äußern können.

FRAGE: Trifft es zu, dass die Innenministerin Anfang des Jahres, im Januar, das Bundesamt für Verfassungsschutz angewiesen oder ihm geraten hat, weniger aufmerksam gegenüber der Spionage zu sein und aufmerksamer gegenüber Reichsbürgern, Rechtsradikalen und Neonazis?

LAWRENZ (BMI): Die Frage knüpft an Medienberichte an. Solche kommentieren wir grundsätzlich nicht.

Prüfung der Einstufung der iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation

FRAGE: Eine Frage an das Auswärtige Amt zum Iran: Gab es seit der vergangenen Woche Entwicklungen hinsichtlich der Bestrebungen, die Revolutionsgarden im Iran auf die EU-Terrorliste zu setzen? Was tut die Bundesregierung aktuell, um sich im Kreise der EU dafür einzusetzen?

BURGER (AA): Dazu hatte vor einer guten Woche meine Kollegin Franciska Obermeyer hier Auskunft gegeben. Sie hat darauf hingewiesen, dass derzeit formale Voraussetzungen, die für ein solches Listungsverfahren aufgrund der dafür geltenden Rechtsvorschriften in der EU erforderlich wären, nicht erfüllt sind und dass abzuwarten ist, ob sich aus den aktuellen Ermittlungen des Generalbundesanwalts neue Ansatzpunkte dafür ergeben. Das ist nach wie vor der Stand.

ZUSATZFRAGE: Eine Nachfrage dazu, auch an das BMI: Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, sollte eine Aufnahme der Revolutionsgarden in die EU-Terrorliste zeitnah nicht erfolgen, in Deutschland selbst gegen die Revolutionsgarden vorzugehen? Gibt es Möglichkeiten, mögliche Tätigkeiten zu verbieten oder einzuschränken?

BURGER: Ich würde dazu gern anfangen, weil die Frage ein wenig unterstellt, dass es im Moment in Deutschland oder in der EU keine Maßnahmen gegen die Revolutionsgarden gebe. Das ist falsch. Die Revolutionsgarden sind von der EU sanktioniert und gelistet. Das heißt, es besteht eine Einfrierung von Vermögensgegenständen. Es bestehen auch entsprechende Verbote, sogenannte Bereitstellungsverbote, Kooperationsverbote, gegenüber den Revolutionsgarden. Das heißt, dass all das, was an Rechtsfolgen sich aus einer Listung der Revolutionsgarden auf einer EU-Terrorliste ergeben würde, derzeit ohnehin bereits Rechtslage ist, weil die Revolutionsgarden als Institution in der EU schon seit 2010 sanktioniert sind, nicht nach dem Terrorsanktionsregime, sondern nach dem Sanktionsregime, das sich gegen iranische Bestrebungen und Massenvernichtungswaffen wendet.

FRAGE: Herr Burger, Großbritannien hat gestern die Revolutionsgarden auf die Terrorliste gesetzt. Ich hätte gern eine Reaktion dazu.

[…]

Es tut mir leid, aber dazu fehlt mir ein aktueller Kenntnisstand. Ich verweise aber auf das, was ich dem Kollegen zum Stand der Überlegungen innerhalb der Bundesregierung und innerhalb der EU dazu gerade schon gesagt habe. Wie gesagt verfolgen wir dieses Thema aktiv. Derzeit gibt es aber, was die dafür notwendigen Rechtsgrundlagen angeht, keinen neuen Stand.

Iranisches Atomprogramm

FRAGE: Iran hat wiederholt seine Bereitschaft zu Verhandlungen geäußert. Sehen Sie irgendwelche Bewegungen dergestalt, dass es zu einer Wiederaufnahme der Verhandlungen kommt?

BURGER (AA): Nein, dafür gibt es aus unserer Sicht derzeit keine Hinweise und keinen Anlass. Es bleibt bei dem, was wir hier in den vergangenen Tagen immer wieder deutlich gemacht haben. Diese Verhandlungen finden derzeit nicht statt. Unser Augenmerk liegt derzeit auch nicht auf diesen Verhandlungen, sondern darauf, den Menschen, die sich in Iran auf der Straße dafür einsetzen, in Freiheit und Würde leben zu können, zur Seite zu stehen und etwa durch weitere Sanktionsrunden den Druck auf das Regime in Teheran zu erhöhen, die Unterdrückung seiner Bevölkerung einzustellen.

COVID-19-Pandemie

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt im Zusammenhang mit China. Plant Deutschland zurzeit irgendwelche Einreisebeschränkungen oder andere Maßnahmen wegen der höheren Zahl von Coronavirusinfektionen?

BURGER (AA): Was das Thema von Einreisebeschränkungen angeht, würde ich vielleicht an das BMI oder das BMG verweisen wollen. Schon seit längerer Zeit bestehen im Zusammenhang mit der Coronapandemie Einreisebeschränkungen für chinesische Staatsangehörige. Wir beobachten jetzt zunächst einmal die weitere Lageentwicklung vor Ort, bevor Anpassungen vorgenommen werden können. Dazu stimmen wir uns innerhalb der Bundesregierung eng ab. Das ist jedenfalls nichts, worüber das AA federführend entschiede.

LAWRENZ (BMI): Ich würde zur Coronavirus-Einreiseverordnung auch gern an das BMG abgeben.

GÜLDE (BMG): Ich kann das gern ergänzen. Im Grunde genommen, kann ich mich aber den Ausführungen von Herrn Burger anschließen. Wir beobachten die Situation in China sehr aufmerksam. Zurzeit haben wir aber keinen Hinweis darauf, dass sich in diesem Ausbruchsgeschehen in China eine gefährlichere Mutation entwickelt hätte, die Anlass zur Deklarierung eines Virusvariantengebiets wäre, was dann entsprechende Reisebeschränkungen nach sich zöge.

Verbot der Arbeit von Frauen in Nichtregierungs­organisationen in Afghanistan,

FRAGE: Ich habe eine Frage zu Afghanistan an das Auswärtige Amt und vielleicht das BMZ. Gibt es inzwischen ein klares Statement der Bundesregierung zur Ankündigung der Taliban, Frauen ihre Mitarbeit in Entwicklungshilfeprojekten zu untersagen? Wird sich mittel- oder kurzfristig etwas an den deutschen Entwicklungsprojekten in Afghanistan ändern?

BURGER (AA): Vielen Dank. Ich fange für den Bereich der humanitären Hilfe zu antworten an. Der Kollege aus dem BMZ wird dann sicherlich ergänzen.

Zunächst einmal möchte ich Sie auf die Äußerung der Außenministerin vom 25. Dezember verweisen, in der Sie sich dazu schon sehr deutlich geäußert hat, und anfügen, dass dieses Arbeitsverbot für Frauen bei NGOs wie auch der Ausschluss von Frauen aus Universitäten einmal mehr zeigen, dass die Taliban ganz systematisch Menschenrechte von Frauen und Mädchen verletzen. Wir fordern die Taliban deshalb auf, diese Entscheidung umgehend rückgängig zu machen, und verurteilen sie auf das schärfste. Aus unserer Sicht ist die Mitarbeit von Frauen in Nichtregierungsorganisationen essenziell, um die humanitäre Versorgung der gesamten Bevölkerung zu gewährleisten. Dieses Verbot stellt humanitäre Prinzipien wie die Unparteilichkeit und Neutralität humanitärer Organisationen infrage. Auch dass Mädchen und Frauen seit Kurzem der Besuch von Universitäten und Oberschulen untersagt ist, ist absolut inakzeptabel und einmalig in dieser Welt. Deshalb ist es so wichtig, dass es auch von Staaten in der Region, auch von wichtigen muslimischen Staaten, sehr deutliche Ansagen in Richtung der Taliban gegeben hat und gibt.

Wir stimmen uns zurzeit mit unseren internationalen Partnern sehr eng über das weitere Vorgehen ab. Wie Sie wissen, hatte die Außenministerin das Thema vorige Woche auch auf die Tagesordnung des G7-Treffens gesetzt. Insbesondere mit den Partnern im Bereich der humanitären Hilfe sind wir derzeit in sehr intensivem Dialog. Sie wissen, dass wir im Bereich der humanitären Hilfe insbesondere in Bereichen arbeiten, in denen Hilfe Leben rettet. Sie wissen, dass in Afghanistan derzeit sehr viele Menschen akut von Hunger und auch von einfach behandelbaren Krankheiten an Leib und Leben gefährdet sind. Deswegen sind das keine einfachen Diskussionen. Gleichzeitig erschwert aber das Arbeitsverbot für Frauen diese Arbeit ganz praktisch. Denn Frauen spielen eine essenzielle Rolle, um gerade die vulnerabelsten Gruppen vor Ort zu erreichen.

UNAMA, die UN-Mission in Afghanistan, steht vor Ort im Austausch mit den zuständigen Stellen der Taliban, darunter dem De-facto-Wirtschaftsministerium, um die Auswirkungen des Verbots auf das Engagement der internationalen Gemeinschaft zu verdeutlichen und auf eine Aufhebung hinzuwirken.

Welche Auswirkungen diese Entscheidung der Taliban auf die Bereitstellung der humanitären Hilfe im Weiteren hat und haben wird, diskutieren wir derzeit sehr eng im Kreis der Geber und auch im Kreis derjenigen Organisationen, mit denen wir vor Ort bei der Umsetzung zusammenarbeiten. Wir werden vor der Auszahlung weiterer Mittel überprüfen, wie und inwieweit Leistungen unter Wahrung der humanitären Prinzipien weiterhin möglich sind.

ROCK (BMZ): Vielleicht kann ich das noch ergänzen. Auch Bundesentwicklungsministerin Schulze hat diese Entscheidung der Taliban scharf verurteilt. Sie hat auch entschieden, dass die Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, die in Afghanistan noch stattfinden, sofort angehalten werden, bis es im Geberkreis eine gemeinsame Linie zum weiteren Vorgehen gibt.

[…]

FRAGE: Herr Dr. Rock, Ministerin Schulze ‑ Sie haben es angerissen ‑ hat für die Aussetzung der Unterstützung plädiert. Wie sinnvoll kann das angesichts der humanitären Lage, wie eben von Herrn Burger geschildert, sein?

ROCK: Es geht darum, noch einmal deutlich zu machen, dass ohne die Mitarbeit von Frauen in den Organisationen, die vor Ort Hilfe leisten, keine sinnvolle Unterstützung der Bevölkerung in Afghanistan möglich ist. Die Verantwortung dafür, dass den Menschen geholfen werden kann, liegt bei den Taliban. Das wollen wir damit noch einmal deutlich machen.

BURGER: Ich möchte noch ganz kurz ergänzen, weil man, denke ich, auch ein kleines bisschen zwischen den unterschiedlichen Arten von Unterstützung, die stattfinden, differenzieren muss: das Auswärtige Amt im Bereich der humanitären Hilfe, in dem es um unmittelbar lebensrettende Maßnahmen geht, das BMZ darüber hinaus auch im Bereich der Basisdienstleistungen. Beiden ist gemeinsam, dass wir keine Zusammenarbeit mit den Taliban und den von den Taliban kontrollierten staatlichen Institutionen vor Ort haben, sondern dass unsere Hilfe ausschließlich darauf ausgerichtet ist, der Not leidenden Bevölkerung zu helfen. Aber in der grundsätzlichen Ausrichtung gibt es eben eine gewisse Differenzierung. Diese Differenzierung wird möglicherweise auch bei der Frage, wie man mit einzelnen Maßnahmen umgehen kann, eine Rolle spielen.

ZUSATZFRAGE: Es gibt nun wohl Kontakte zwischen den UN und den Taliban. Dabei soll es um Ausnahmegenehmigungen gehen, konkret beispielsweise für Frauen im Gesundheitsbereich. Wie sinnvoll ist das, bzw. anders gefragt: Macht man sich dadurch nicht erpressbar? Die Frage geht vielleicht an Sie beide; ich weiß nicht, wer antworten mag.

BURGER: Ich denke, unser Anliegen ist sehr deutlich, dass dieses Verbot möglichst umfassend aufgehoben wird, weil es aus unserer Sicht völlig ungerechtfertigt ist und Menschen, die Hälfte der Bevölkerung, massiv in ihren Rechten verletzt und außerdem sehr schwerwiegende Folgen für die Arbeitsmöglichkeiten der Organisationen hat, die vor Ort eine extrem wichtige Arbeit leisten. Unser Verständnis ist, dass alle, die dort vor Ort in der Verantwortung stehen, mit den Taliban in genau diesem Sinne sprechen.

Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass ich dazu, was genau der letzte Stand der Gespräche mit den Taliban ist, hier im Detail keine Auskunft geben kann. Aber mir scheint, dass es unter allen, die dort Hilfe leisten, eine sehr breite Einigkeit darüber gibt, dass diese Maßnahmen als destruktiv und sehr schädlich wahrgenommen werden.

FRAGE: Herr Burger und Herr Rock, heißt das, was Sie jetzt gesagt haben, dass weitere deutsche Hilfsgelder erst einmal eingefroren sind?

BURGER: Für das AA kann ich sagen, dass die Mittel für 2022 im Bereich der humanitären Hilfe ausgezahlt sind und es keine unmittelbar anstehenden Entscheidungen über weitere Finanzierungen für die nächsten Tage gibt. Deswegen habe ich auch gesagt, dass wir vor der Auszahlung weiterer Mittel überprüfen werden, wie und inwieweit Leistungen unter Wahrung der humanitären Prinzipien weiterhin möglich sind. Es ist aber nicht so, dass in den letzten Tagen Zahlungen dazu angestanden hätten, die hätten gestoppt werden müssen.

ROCK: Für das BMZ ist es so, dass die Arbeit in den Projekten angehalten ist, dass aber laufende Kosten für Gehälter der Menschen, die in den Projekten arbeiten, weiter geleistet werden.

Forderung des stellvertretenden VN-Sondergesandten in Afghanistan nach einer Wiedereröffnung der Botschaften westlicher Staaten in Afghanistan

FRAGE: Herr Burger, Markus Potzel ist ein geschätzter Mitarbeiter im Auswärtigen Amt und der stellvertretende UN-Sondergesandte in Afghanistan. Er fordert die Wiedereröffnung der Botschaften Deutschlands und auch anderer westlicher Staaten. Wie reagieren Sie darauf?

BURGER (AA): Ich werde das, was der stellvertretende UN-Sonderbeauftragte in einem Interview gesagt hat, nicht weiter kommentieren. Sie wissen, dass es aus Sicht der Bundesregierung seit Langem Überlegungen gibt, eine Arbeitsfähigkeit in Kabul wiederherzustellen. Aus unserer Sicht sind die Voraussetzungen dafür aber im Moment nicht erfüllt.

ZUSATZ: Das heißt, dass Herr Potzel nicht für die Bundesregierung gesprochen hat.

BURGER: Das ist sehr richtig. Herr Potzel hat nicht für die Bundesregierung gesprochen. Er ist derzeit auch nicht Mitarbeiter des Auswärtigen Amts oder der Bundesregierung, sondern er ist, wie Sie richtig gesagt haben, der stellvertretende Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für Afghanistan.

ZUSATZFRAGE: Hat sich Herr Potzel denn mit der Außenministerin darüber unterhalten?

BURGER: Ob sich Herr Potzel vor seinem Interview mit der Außenministerin unterhalten hat? Wir stehen mit Herrn Potzel ganz regelmäßig in Kontakt. Ich kann Ihnen nicht sagen, wann er zum letzten Mal persönlich mit der Außenministerin gesprochen hat. Aber Herr Potzel ist wie gesagt seit vergangenem Sommer in einer anderen Rolle. Er arbeitet nicht für die Bundesregierung, sondern für den Generalsekretär der Vereinten Nationen. In dieser Funktion hat er diese Aussagen getätigt, wie es auch seinem Mandat entspricht.

Konflikt zwischen Serbien und Kosovo

FRAGE: Meine Frage richtet sich an das AA und bezieht sich auf das Thema Kosovo. Dort scheint die Lage ein bisschen zu eskalieren. Der serbische Präsident Vučić hat höchste Kampfbereitschaft der Armee angeordnet. Auch von kosovarischer Seite wird offenbar ein bisschen mit dem Feuer gespielt. Wie schätzen Sie die Lage im Kosovo ein?

BURGER (AA): Wir sind sehr besorgt über diese Spannungen im Norden Kosovos. Die illegalen, von Kosovo-Serben errichteten Barrikaden müssen so schnell wie möglich abgebaut werden. Die gestrige Blockade des Grenzübergangs Merdare auf serbischer Seite verschärft die Lage weiter. Gerade nationalistische Rhetorik, wie wir sie in den letzten Wochen aus Serbien gehört haben, ist völlig inakzeptabel. Das Hochfahren militärischer Präsenz nahe der serbischen Grenze zu Kosovo setzt ein völlig falsches Signal. Deswegen erwarten wir eine konstruktive Herangehensweise von Serbien und haben das der serbischen Seite auch auf verschiedenen Kanälen sehr deutlich gemacht.

Es ist außerdem wichtig, dass die Kosovo-Serben schnellstmöglich in die kosovarischen Regierungsinstitutionen zurückkehren. Das ist im Interesse der Menschen, die im Norden Kosovos leben. Gleichzeitig muss Kosovo akzeptieren, die Umsetzung des 2013 und 2015 vereinbarten serbischen Gemeindeverbands auf die Tagesordnung des EU-geführten Dialogs mit Serbien zu setzen.

In diesem Sinne unterstützen wir die derzeit sehr, sehr intensiven Gespräche des EU-Sonderbeauftragten Miroslav Lajčák und auch von KFOR, um vor Ort jetzt sehr rasch eine Entspannung herbeizuführen und im Rahmen des Dialogs nun endlich bei der umfassenden Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern voranzukommen.

ZUSATZFRAGE: Die kosovarische Seite hat die NATO-geführte KFOR-Truppe aufgefordert, die Barrikaden zu entfernen. Wird man dem nachkommen? Ist das eine sinnvolle Idee?

BURGER: Aus unserer Sicht sollten die Kosovo-Serben diese Barrikaden in Kosovo umgehend räumen. Serbien kommt hier auch eine besondere Verantwortung zu und sollte auf eine sofortige Räumung dieser Barrikaden hinwirken. Das ist das Ziel der aktuellen Bemühungen. Aber wir sind selbstverständlich auch mit KFOR und den anderen Akteuren vor Ort in engstem Austausch.

Medienberichte über die Besetzung des Botschafterpostens in Moskau

FRAGE: Herr Burger, Frau Hoffmann, es gibt Berichte, nach denen Alexander Graf Lambsdorff deutscher Botschafter in Russland wird. Können Sie das bestätigen?

BURGER (AA): Nein. Ich muss Sie um Verständnis bitten, dass wir, wie üblich, zu Personalspekulationen von dieser Stelle keine Kommentare abgeben.

HOFFMANN (BReg): Das gilt umso mehr für mich.

Billigung von Gesetzesänderungen durch das israelische Parlament

FRAGE: Herr Burger, eine Frage zum Thema Nahost. Bevor die neue israelische Regierung vereidigt wird, gab es in der Knesset einige interessante Gesetzesänderungen. Unter anderem soll der künftige ultrarechte Finanzminister jetzt auch die Zuständigkeit für die zivile Verwaltung der besetzten Westbank erhalten. Jemand, der vorbestraft ist, kann Minister werden. Außerdem soll der künftige Minister für Nationale Sicherheit, der rechtsextreme Itamar Ben-Gvir, noch zusätzliche Befugnisse bekommen, nämlich neben der Polizei auch die Zuständigkeit für die Grenzpolizei in der Westbank. Wie bewertet das die Bundesregierung?

BURGER (AA): Zunächst einmal ist festzuhalten: Die wahrscheinlich neue israelische Regierung ist das Ergebnis freier und demokratischer Wahlen sowie anschließender Koalitionsverhandlungen. Noch ist das Kabinett nicht vereidigt. Einzelne Kabinettsposten werden auch in der israelischen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert.

Letztlich gilt: Die Verantwortung für das Regierungshandeln insgesamt liegt bei dem zukünftigen Premierminister Netanjahu. Er wird sich an seiner Zusage messen lassen müssen, auch in Zukunft im Interesse aller israelischen Bürgerinnen und Bürger zu regieren.

Die Positionen der Bundesregierung mit Blick auf den Nahost-Friedensprozess ebenso wie in unseren bilateralen Beziehungen zu Israel bleiben auch gegenüber der neuen Regierung unverändert: Wir sind Freunde und Partner des Staates Israel. Für seine Sicherheit einzutreten, ist uns eine Verpflichtung. Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass eine verhandelte Zweistaatenlösung am besten geeignet ist, Israelis und Palästinensern gleichermaßen ein Leben in Frieden, Sicherheit und Würde zu ermöglichen und setzen uns deshalb weiterhin dafür ein.

Einige der Vorhaben, die im Rahmen des Wahlkampfs und der Koalitionsverhandlungen diskutiert wurden, sind problematisch. Ich erwähne hier zum Beispiel die Überlegungen zur Legalisierung auch nach israelischem Recht illegaler Siedlungsaußenposten. Wir erwarten, dass die neue israelische Regierung von solchen einseitigen Schritten absieht, die die Grundlage einer verhandelten Zweistaatenlösung unterminieren würden.

ZUSATZFRAGE: Sollen wir dann erst fragen, wenn die neue Regierung vereidigt wurde, was es bedeutet, dass zwei Rechtsextreme jetzt für die Verwaltung der besetzten Westbank zuständig sind, oder wollen Sie dazu jetzt nichts sagen?

BURGER: Was ich zum jetzigen Zeitpunkt dazu sagen kann, habe ich, glaube ich, ganz umfassend vorgetragen. Wie gesagt, aus unserer Sicht liegt die Verantwortung für das Regierungshandeln insgesamt beim zukünftigen Premierminister Netanjahu. Er – und diese Regierung insgesamt – wird sich an ihren Zusagen messen lassen müssen, auch in Zukunft im Interesse aller israelischen Bürgerinnen und Bürger zu regieren.

Vorschlag einer internationalen Friedenskonferenz für die Ukraine

FRAGE: Herr Burger, der ukrainische Außenminister Kuleba hat vorgeschlagen, unter Vermittlung des UN-Generalsekretärs eine internationale Friedenskonferenz bezüglich der Ukraine abzuhalten. Wie ist die Haltung der Bundesregierung dazu?

BURGER (AA): Es ist grundsätzlich so, dass jeder Vorschlag, den russischen Angriffskrieg zu einem Ende zu bringen, gut und richtig ist und die Vereinten Nationen dabei aus Sicht der Bundesregierung eine wichtige Rolle spielen. Natürlich ist es an der Regierung der Ukraine, über Stattfinden, Zeitpunkt und Inhalt möglicher Verhandlungen mit der Russischen Föderation über eine friedliche Lösung zur Beendigung des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu entscheiden.

Ich will auf das hinweisen, was die Außenministerin jüngst in einem Interview in einer deutschen Sonntagszeitung gesagt hat:

„Eines dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren: Niemand außer Putin hat diesen Krieg begonnen. Wenn Putin es will, dann ist der Krieg morgen vorbei.“

Sie hat außerdem darauf hingewiesen, dass die Lage für die Menschen in den von Russland besetzten Gebieten katastrophal ist und die Menschen dort jeden Tag in Angst vor Verschleppung, Folter, Mord durch die russischen Besetzungstruppen leben. Eine Waffenruhe zu Putins Bedingungen würde ihren Schrecken nicht beenden, ganz im Gegenteil.

ZUSATZFRAGE: Für wie realistisch halten Sie es denn, dass es eine solche Konferenz schon im Februar geben könnte, wie Kuleba das gesagt hat?

BURGER: Ich glaube, wir stellen zunächst einmal fest, dass Russland keinerlei Signale zeigt, von seinen ursprünglichen Kriegszielen abzulassen. Auch der russische Außenminister hat sich in diesem Sinne gestern sehr, sehr deutlich geäußert, dass man dort weiterhin fest auf die Zerstörung der Staatlichkeit der Ukraine hinarbeitet. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Deswegen bleibt unsere Unterstützung für die Ukraine für ihr Recht auf Selbstverteidigung auch unvermindert.

Im Übrigen ist es so, dass wir schon seit geraumer Zeit auf verschiedenen Kanälen diplomatisch unterstützend tätig sind, um verschiedene der Fragen, die die Ukraine gerne im Rahmen ihrer Friedensformel behandeln möchte, voranzubringen. Dabei geht es beispielsweise um das Thema „accountability“, also die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Aus unserer Sicht gibt es durchaus eine breite internationale Unterstützung, an diesem Thema weiterzuarbeiten. Das gilt genauso beispielsweise für das Thema Getreideexporte. Insofern gibt es, glaube ich, für viele der Themen, die die Ukraine gerne auf die Tagesordnung setzen möchte, durchaus eine breite internationale Bereitschaft.

Wie gesagt, unter welchen Bedingungen zu welchem Zeitpunkt und in welchen Formaten daraus irgendwann einmal Gespräche mit Russland folgen können oder sollten, ist die Entscheidung der ukrainischen Regierung.

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