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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 30.06.2023

30.06.2023 - Artikel

Lage in Bosnien und Herzegowina

BURGER (AA): Ich möchte eine Erklärung zur Lage in Bosnien und Herzegowina abgeben. Die Entscheidung des Regionalparlaments der bosnisch-herzegowinischen Entität Republika Srspka vom 27. Juni bezüglich der Gültigkeit von Entscheidungen des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina auf dem Gebiet der Entität verletzt Geist und Wortlaut der Verfassung des Landes und damit des Dayton-Friedensabkommens von 1995. Das Dayton-Abkommen ist seit fast drei Jahrzehnten Garant für Frieden in Bosnien und Herzegowina. Dies ist ein weiterer schwerwiegender Schritt in Richtung Loslösung der Entität vom Gesamtstaat. Er gefährdet die Einheit und territoriale Integrität des Landes.

Die Zuständigkeit und Rolle des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina ergeben sich direkt aus der Verfassung des Landes, die ein Teil des Daytoner Friedensabkommens ist. Die Entscheidungen des Gerichts sind abschließend und bindend und müssen respektiert werden. Die Abstimmung steht nicht in Einklang mit den Erwartungen, die mit der Zuerkennung des EU-Kandidatenstatus im Dezember 2022 einhergingen. Das steht im Widerspruch zu den Wünschen und Interessen aller Bürgerinnen und Bürger von Bosnien und Herzegowina. Wie auch die EU-Kommission, halten wir wegen des Sezessionskurses der Republika Srpska finanzielle Unterstützung für große Infrastruktur in der Republika Srspka zurück.

[…]

FRAGE: Herr Burger, es gibt ja auch einen Deutschen, der in Bosnien-Herzegowina eine Rolle spielt, nämlich Herr Schmidt als Hoher Repräsentant. Kann der da nichts machen? Er hat ja Vollmachten. Kann die Bundesregierung auf Herrn Schmidt nicht einwirken und diese Gerichtsentscheidung in irgendeiner Weise beeinflussen?

BURGER: Wie Sie wissen, laufen zurzeit sehr intensive Gespräche im Land. Der Hohe Repräsentant ist auch mit den politischen Akteuren im Land in Kontakt. Die internationalen Partner, die an diesen Formaten beteiligt sind, stimmen sich auch eng untereinander ab. Kommende Woche wird auch der Lenkungsausschuss des Friedensimplementierungsrats tagen. Insofern beteiligen wir uns natürlich an diesen Diskussionen.

Die Entscheidung, ob der Hohe Repräsentant in diesem Fall seine Vollmachten, die Bonner Befugnisse, anwendet oder nicht, liegt beim Hohen Repräsentanten. Es ist aber natürlich so, dass die Bewahrung der Friedensordnung in Bosnien-Herzegowina eine, wenn nicht die zentrale Aufgabe des Hohen Repräsentanten ist, und dabei hat er die volle Unterstützung der Bundesregierung.

Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan

FRAGE: An das BMI und das AA: Diese Woche wurde das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan wieder aufgenommen, und zwar mit zusätzlichen Sicherheitsinterviews, die von Beamten des BfV durchgeführt werden.

Meine erste Frage wäre: Laut einem Medienbericht sollen derzeit nur fünf Sicherheitsinterviews pro Tag durchgeführt werden können. Können Sie diese Zahl bestätigen oder mir sagen, wie viele Sicherheitsinterviews Sie derzeit pro Tag in Islamabad durchführen?

ATA (BMI): Ich kann keine konkrete Zahl bestätigen, sondern nur darauf hinweisen, dass es einen schrittweisen Kapazitätsaufbau geben wird, auch bei den Sicherheitsinterviews. Das Verfahren wurde am Montag ja wieder aufgenommen, und das ist ein schrittweiser Aufbau der ganzen Prozesse.

ZUSATZFRAGE: Wie viele derzeit durchgeführt werden, können Sie nicht sagen?

ATA: Das kann ich Ihnen nicht sagen.

BURGER (AA): Ich würde vielleicht noch ergänzen: In diesem Bundesaufnahmeprogramm ist ja eine Zahl von monatlich bis zu 1000 Personen vorgesehen, die Aufnahme finden können. Die Bemühungen der Bundesregierung sind natürlich darauf ausgerichtet, dass auch die Kapazitäten für diese jetzt neu eingeführten Sicherheitsinterviews so gestaltet werden, dass diese Zahl auch wieder erreicht werden kann. Aber wie gesagt, es ist ein schrittweiser Prozess, die Kapazitäten dort aufzubauen.

FRAGE: Wie viele Menschen arbeiten denn gerade an den Anträgen? Wenn Sie schon nicht über die Antragsbearbeitung reden können, können Sie uns aber wahrscheinlich sagen, wie viele Leute dort arbeiten. Einer, zwei, 50? Es geht hier ja um 14 000 Menschen, die auf Aufnahme warten.

ATA: Genaue Angaben zur Zahl der zukünftig zu entsendenden Personen können aufgrund der laufenden Planungen derzeit nicht erfolgen. Ich kann noch einmal darauf hinweisen, dass es einen sukzessiven Aufbau der Kapazitäten geben wird.

ZUSATZFRAGE: Sie haben mich ja verstanden: Ich habe gefragt, wie viele aktuell dort arbeiten ‑ nicht zukünftig, sondern jetzt.

ATA: Das kann ich Ihnen nicht mitteilen.

ZUSATZFRAGE: Können Sie uns das nachreichen?

ATA: Ich kann es prüfen.

MINUSMA

FRAGE: Frau Routsi, Herr Burger, im UN-Sicherheitsrat laufen ja immer noch die Verhandlungen über das jetzt aktuell auslaufende Mandat der Vereinten Nationen in Mali. Haben Sie Kenntnis über den Stand der Gespräche?

BURGER (AA): Ja. Das Mandat steht heute auf der Tagesordnung des UN-Sicherheitsrats. Frankreich hat als “penholder” einen Resolutionsentwurf vorgelegt, über den in den letzten Tagen intensiv verhandelt wurde. Nun muss der Sicherheitsrat heute noch über diesen Entwurf abstimmen. Dabei darf es insbesondere kein Veto eines ständigen Sicherheitsratsmitglieds geben. Außenministerin Baerbock hat gestern in Ulan-Bator noch einmal klargemacht, was ihr in Bezug auf dieses Mandat wichtig ist: Es muss sowohl die Sicherheit der Menschen als auch die der Soldatinnen und Soldaten im Blick haben. Sie wissen: Wir sind derzeit selbst nicht Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Wir stehen aber natürlich mit unseren Partnern, mit den Vereinten Nationen und den anderen Truppensteller in engem Kontakt und haben über diese Kanäle auch diese Punkte in die Verhandlungen eingebracht.

Unseren eigenen Abzug setzen wir unterdes geordnet und beschleunigt fort ‑ darüber haben wir hier am Mittwoch bereits ausführlich berichtet ‑, und dabei stimmen wir uns natürlich auch eng mit dem UN-Sekretariat, mit MINUSMA und den anderen Truppenstellern ab, um unseren Abzug so gut wie möglich mit der Abwicklung der gesamten Mission zu synchronisieren.

ROUTSI (BMVg): Darf ich noch kurz etwas zu Ihrer Frage nachtragen, ob Litauen involviert ist? – Ich habe gerade von der Homebase, wie ich fast gesagt hätte, eine Information bekommen: In Litauen verbleiben keine Systeme. Bezüglich aller weiteren Dinge stehen wir mit unseren polnischen Partnern in engem Austausch.

Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit zur Muslimfeindlichkeit in Deutschland

FRAGE: Zur Muslimfeindlichkeit gab es ja jetzt einen Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit im Bundesinnenministerium. Herr Hebestreit, mich würde interessieren, wie der Kanzler darauf reagiert hat, also auf die Ergebnisse, unter anderem, dass jeder Zweite in Deutschland muslimfeindlichen Aussagen zustimmt und dass, wie der Bericht sagt, Muslime eine der am meisten unter Druck stehenden Minderheiten im Land seien.

HEBESTREIT (BReg): Wie Sie ja wissen, ist der Bundeskanzler seit gestern früh in Brüssel, und ich bin hier. Insofern hatte ich noch keine Gelegenheit, mit ihm über diesen Bericht oder seine Ergebnisse zu sprechen. Insofern muss ich Ihnen die Antwort erst einmal schuldig bleiben.

ZUSATZFRAGE: Gibt es andere Teile der Bundesregierung abseits des BMI, die auf die Berichte reagieren können? Das sind ja weitreichende Forderungen. Mich würde zum Beispiel auch vom AA interessieren, ob das Bild Deutschlands in der Welt dadurch beschädigt werden könnte. Ich meine, die Ministerin reist in viele muslimische Länder. Es geht gerade in muslimischen Ländern herum, dass jeder Zweite in Deutschland muslimfeindlich zu sein scheint oder Muslimfeindlichkeit gutheißt.

BURGER (AA): Ich glaube, wenn es solche Berichte über Phänomene wie Muslimfeindlichkeit und Rassismus gibt, dann sind das Phänomene, die es in unserer Gesellschaft wie in anderen Gesellschaften gibt. Dann muss man das sehr, sehr ernst nehmen. Ich glaube, dass die Frage, was auch immer das für unser Image im Ausland bedeutet, natürlich eine Frage ist, mit der man sich beschäftigen muss. Aber ich glaube, es gibt noch dringendere Gründe, sich mit diesen Phänomenen zu beschäftigen, weil sie Menschen in unserem Land sehr unmittelbar betreffen. Ich glaube, das ist auch der primäre Fokus, unter dem wir uns ‑ natürlich nicht als Auswärtiges Amt, aber insgesamt als Bundesregierung ‑ mit solchen Themen beschäftigen. Aber natürlich ist das Thema Rassismus, und dazu gehört natürlich auch das Thema Muslimfeindlichkeit, eines, worauf wir im Ausland angesprochen werden, weil in anderen Ländern die Situation in Deutschland auch verfolgt wird. Man muss, glaube ich, auch sehr ehrlich und transparent damit umgehen, dass es diese Phänomene bei uns genauso wie in anderen Ländern gibt. Wir versuchen dann auch zu verdeutlichen, wie wir uns als Bundesregierung dagegen engagieren und was wir dafür tun, um sicherzustellen, dass alle Menschen, die in unserem Land leben, sicher sind.

FRAGE: Ich hätte eine Frage an das Innenministerium. Organisatorische Entscheidungen haben ja auch eine Art Aussagekraft. Mich interessiert: Warum wurde der Bericht im Sitzungs- oder Pressesaal des Bundesinnenministeriums vorgestellt? War nicht eigentlich die Bundespressekonferenz als ein dann doch höherrangiger, wenn ich so sagen darf, Ort vorgesehen?

Zum Zweiten: Warum hat die Bundesinnenministerin nicht daran teilgenommen, sondern sich vertreten lassen? Bei einer derartig hochrangigen und wichtigen Frage wäre doch eigentlich ihre Präsenz angemessen gewesen.

ATA (BMI): Der Bundesinnenministerin ist das Thema der Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit sehr wichtig. Sie hat sich gestern auch zu dem Thema geäußert und wurde hochrangig durch Staatssekretärin Juliane Seifert bei dem Termin vertreten. Sie selbst konnte aufgrund anderer Termine, die sie wahrnehmen musste, leider nicht teilnehmen. Aber sie wird auch im Folgenden den Prozess, der dieser Übergabe des Berichts folgen wird, intensiv verfolgen und begleiten.

Für das Bundesinnenministerium kann ich grundsätzlich sagen, dass wir uns intensiv mit den Ergebnissen und den Handlungsempfehlungen beschäftigen, um Diskriminierungen abzubauen und Muslima und Muslime besser vor Ausgrenzung zu schützen. Die weitere Befassung mit dem Abschlussbericht soll unter anderem im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz erfolgen. Das BMI ‑ vielleicht knüpft das auch an die vorangegangene Frage von Herrn Jung an ‑ wird sich auch mit anderen Ressorts der Bundesregierung, in denen Betroffenheit besteht, über das Thema austauschen.

Darüber hinaus ist vielleicht noch die Anmerkung angebracht, dass sich der Bericht bzw. die Feststellungen und Empfehlungen des Berichts nicht nur auf die Bundesregierung beziehen, sondern verschiedene Felder in der Gesellschaft adressieren und unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen gewissermaßen auch einen Spiegel vorhalten.

ZUSATZFRAGE: Das beantwortet jetzt aber nicht die Frage nach dem Wechsel des Vorstellungsortes. Wenn meine Information richtig war oder ist, dass eigentlich die Bundespressekonferenz dafür vorgesehen war, warum wurde dann das BMI gewählt?

Zum Zweiten: Ist der Bundesinnenministerin bewusst, dass, wenn sie „Ich setze andere Terminprioritäten“ sagt, was Sie ja im Grunde bestätigt haben, das auch eine Auswirkungen auf die Wahrnehmung sowohl in der Öffentlichkeit als auch möglicherweise von an der Erarbeitung des Berichts beteiligten Personen und Institutionen hat?

ATA: Zum Ort der Pressekonferenz kann ich nur sagen, dass das Bundesinnenministerium ein geeigneter Ort ist. Weiteres kann ich jetzt zu den Planungen im Vorfeld nicht sagen.

Zur Bundesinnenministerin habe ich mich ja bereits geäußert; darauf kann ich nur hinweisen.

HEBESTREIT: Vielleicht kann ich das an einer Stelle ergänzen. Es gibt jetzt diesen Bericht. Das ist die Grundlage für eine Diskussion ‑ das hat Herr Ata ja auch schon gesagt ‑, die jetzt innerhalb der Bundesregierung, aber auch öffentlich geführt wird. Das ist jetzt der Beginn der Diskussion, wenn Sie so wollen.

Dazu, was nun die genauen Kautelen waren: Die Kollegin hier aus der Bundespressekonferenz weiß nichts von solchen Planungen, die Sie gehört haben wollen. Es ist auch jedem Ministerium selbst überlassen, wann man was wo vorstellt. Trotzdem ist es nicht damit getan, einen solchen Bericht zu erarbeiten, ihn dann einmal vorzustellen und dann ad acta zu legen. Im Gegenteil: Das ist etwas, das uns alle hier miteinander als Gesellschaft beschäftigt. Wir haben hier Anfang dieser Woche auch gewisse parteipolitische Entwicklungen miteinander diskutiert, und auch in dieses Fahrwasser gehören solche Diskussionen natürlich. Die werden auch geführt werden, und sie werden nicht nur im Saal der Bundespressekonferenz, wie wir es ja heute tun, geführt, sondern sie werden auch in der politischen Öffentlichkeit und darüber hinaus ein Thema sein und ein Thema bleiben.

Sie wissen auch um die Genese dieses Berichts und darum, wie ausführlich er erarbeitet wurde. Sie haben auch gehört, dass die Bundesinnenministerin im Zuge der Islamkonferenz, auch das ein gutes Forum, um sowohl diese Erkenntnisse, die dieser Bericht zutage gebracht hat, als auch mögliche Reaktionen darauf ‑ ‑ ‑ Das ein guter Ort, um das dort auch noch einmal zu diskutieren.

Insofern versuche ich so ein bisschen, Ihrem Eindruck entgegenzuwirken, das laufe jetzt irgendwie unter dem Radar der Öffentlichkeit ab, weil das nur in einem Ministerium vorgestellt worden sei und nur von einer Staatssekretärin, was ich natürlich als Staatssekretär mit Abscheu und Empörung zurückweise, und das sei sozusagen außerhalb des Fokus der Bundesregierung oder der Bundesinnenministerin geschehen. Im Gegenteil: Das ist der Beginn einer Diskussion, die uns hier sicherlich noch Wochen und Monate beschäftigen wird. Das ist ein sehr ernstes, grundsätzliches Thema, was Rassismus in unserer Gesellschaft angeht, was antimuslimischen Rassismus angeht, und dem stellen wir uns auch.

VORS. BUSCHOW: Jetzt haben Sie alle mich hier tatsächlich in die missliche Lage gebracht, dass ich sagen muss, dass ich es nicht hundertprozentig sicher sagen kann, aber in aller Regel sind die diensthabenden Leitungspersonen ‑ in dieser Woche bin das ich ‑ frühzeitig mit Terminen befasst, und ich kann tatsächlich den Beginn Ihrer Frage so nicht bestätigen, also dass das geplant gewesen wäre. Ich sage aber natürlich trotzdem, und den Appell kennen alle, und er geht auch gerne noch einmal in Richtung des Innenministeriums: Wir stehen jederzeit gerne als Ort bereit!

HEBESTREIT: Das war der Werbeblock!

FRAGE: Sie werden verzeihen, dass wir auch mit Quellen arbeiten, dem Zwei-Quellen-Prinzip, die anderes berichten, und darauf basierend fragen wir.

Herr Hebestreit, der Rat empfiehlt ja, dringend einen Sachverständigenrat gegen Muslimfeindlichkeit einzusetzen und einen Bundesbeauftragten für die Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit zu ernennen. Wer macht das innerhalb der Bundesregierung? Wer wäre dafür zuständig? Ist das ein Kabinettsbeschluss, damit ich weiß, wen ich in ein paar Wochen fragen könnte?

HEBESTREIT: Das entzieht sich meiner Kenntnis. Da muss ich mich schlaumachen, und dann reiche ich das gerne nach, und dann wissen Sie, bei wem Sie dann nachhaken dürfen.

ZUSATZFRAGE: Ich würde gerne noch das Familienministerium etwas fragen, das auch für Demokratie und Frauen zuständig ist. Herr Schäfer, in dem Bericht geht es ja auch ganz besonders um die betroffenen Frauen, also muslimische Frauen, insbesondere kopftuchtragende Frauen, die laut Bericht besonders drastische Formen der Anfeindung in Deutschland erleben und nicht als selbstbestimmt angesehen werden. Das ist natürlich auch ein drastisches Ergebnis in Deutschland. Wie gehen die Ministerin und Ihr Ministerium denn mit diesen Ergebnissen um? Das betrifft ja quasi auch unsere Demokratie.

SCHÄFER (BMFSFJ): Der Bericht wurde ja gestern vorgestellt, und er wird natürlich auch in unserem Haus geprüft und zur Kenntnis genommen. Wir werden natürlich entsprechende Schlüsse daraus ziehen. Ich konnte die Ministerin jetzt noch nicht fragen, wie sie das persönlich sieht. Daher muss ich Ihnen die Antwort, was die Ministerin angeht, schuldig bleiben. Was den Bericht angeht: Die Kolleginnen und Kollegen im Haus, die für die Themen Extremismus und Demokratiefeindlichkeit zuständig sind, werden sich den Bericht jetzt, wie gesagt, sehr genau anschauen und dann entsprechende Schlussfolgerungen daraus ziehen.

ZUSATZFRAGE: Herr Ata, Sie hatten ja gesagt, dass Sie sich mit den Empfehlungen beschäftigen. Gibt es denn irgendwelche Empfehlungen, die sich das Ministerium schon zu eigen macht, also zu denen ganz klar auch von Ihrem Haus „Das werden wir auf jeden Fall umsetzen“ gesagt wird?

ATA: Der Bericht wurde gestern übergeben, und Herr Hebestreit hat ja auch bereits angesprochen, dass wir uns jetzt in einen Prozess begeben, in dem wir diese Empfehlungen prüfen und uns damit auseinandersetzen. Insofern kann ich mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht detaillierter dazu äußern.

FRAGE: Herr Ata, sehen Sie eigentlich in diesem relativ hohen Maß festgestellter Islamfeindlichkeit eine Entsprechung zu den seit vielen Jahren in den Sinus-Studien festgestellten sehr hohen Werten an antisemitischer Einstellung in Deutschland? Haben wir es also möglicherweise, obwohl es sich um völlig unterschiedliche Religionen handelt, dabei mit einer Art von religiös geprägter Fremdenfeindlichkeit zu tun, die in diesen beiden Untersuchungen zum Ausdruck kommt?

ATA: Zum einen würde ich nochmals darauf verweisen, dass wir uns jetzt sehr intensiv mit dem Bericht auseinandersetzen müssen. Ich glaube, das ist darüber hinaus auch eine Frage, die sich vielleicht an die Forschung richtet. Dabei würde ich es zum jetzigen Zeitpunkt belassen.

Illegale chinesische „Polizeistationen“ in Deutschland

FRAGE: Herr Burger, wussten Sie nicht, ob die sogenannten Polizeistationen, die zu beenden Sie die chinesische Seite aufgefordert hatten, Thema bei den Regierungskonsultationen waren?

BURGER (AA): Zum Verständnis des Formats der Regierungskonsultationen: In der Regel treffen sich chinesische Ressortministerinnen und Ressortminister mit deutschen Ressortministerinnen und Ressortministern einzeln zu bilateralen Gesprächen. Dann gibt es das Plenum, auf das Herr Hebestreit gerade Bezug genommen hat und innerhalb dessen die einzelnen Ressortvertreter über den Inhalt und die Ergebnisse ihrer jeweiligen Direktkontakte berichten.

Sie haben in der Berichterstattung vielleicht mitbekommen, dass der chinesische Außenminister, der Counterpart von Außenministerin Baerbock, nicht zu den Regierungskonsultationen gekommen war. Außenministerin Baerbock hat stattdessen einen Tag zuvor mit ihm ein ausführliches Telefongespräch gehabt. Darüber haben wir damals informiert. Über diese Information hinaus kann ich Ihnen jetzt keine Auskünfte über die Inhalte dieses Gesprächs geben.

Wir haben Ihnen schon mehrfach zu verstehen gegeben, dass wir das Thema dieser sogenannten Polizeistationen durchaus auf allen möglichen Ebenen mit der chinesischen Seite immer wieder aufnehmen und deutlich machen, dass wir Verletzungen der deutschen Souveränität und ausländisches staatliches Handeln, hoheitliches Handeln außerhalb des Rahmen, den die beiden Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen ziehen, nicht akzeptieren.

Das ist es, was ich Ihnen dazu im Moment sagen kann. Die Außenministerin war, wie gesagt, im engeren Sinne bei den Regierungskonsultationen nicht Teil der bilateralen Gespräche, die es auf Fachministerebene gegeben hat.

ZUSATZFRAGE: Habe ich es richtig verstanden, dass das ein Thema in dem angesprochenen Telefonat war?

BURGER: Was ich gesagt habe, ist, dass ich hier und jetzt über das hinaus, was wir bisher zu diesem Telefonat kommuniziert haben, keine weiteren Angaben zu einzelnen Inhalten machen kann, dass wir das Thema der Polizeistationen aber auf den verschiedensten Ebenen immer wieder angesprochen haben und, solange es nötig ist, auch weiterhin ansprechen werden.

Einstufung von zwei serbischen Organisationen als terroristisch durch die kosovarische Regierung

FRAGE: Herr Burger, wie bewertet die Bundesregierung die gestrige Entscheidung der kosovarischen Regierung, zwei serbische Organisationen als terroristisch einzustufen?

Wurde diese Entscheidung mit den Partnern koordiniert, wie Kurti es behauptet?

BURGER (AA): Es tut mir leid, aber die Antwort muss ich Ihnen nachreichen.

Personalie

BURGER (AA): Ich verabschiede mich heute nach fünf Jahren als Sprecher des Auswärtigen Amts aus dieser Regierungspressekonferenz. Es waren sehr besondere fünf Jahre mit Höhe- und Tiefpunkten. Wir haben hier phasenweise erlebt, dass Desinformationsakteure versucht haben, diese Veranstaltung zu missbrauchen und beinahe lahmzulegen. Wir hatten Zeiten in der Pandemie, als hier live übertragen wurde und die Bevölkerung von hier aus über tägliche gravierende Veränderungen ihres Alltags informiert wurde. Wir hatten in den besten Momenten hier Situationen, in denen Ihre Fragen dazu geführt haben, dass Bundesregierungen Fehler korrigiert haben. Wir hatten in den schlechtesten Momenten Situationen, in denen Sprecherinnen der Lächerlichkeit preisgegeben und im Netz zum Opfer übelster Anfeindung und Beleidigung wurden.

Mein schwierigster Moment war am 16. August 2021, am Montag nach dem Fall von Kabul, als wir alle die schrecklichen Bilder vom Flughafen vor Augen hatten und wir im Auswärtigen Amt voller Sorge um unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort und Sie voller berechtigter Fragen waren, warum wir diese Entwicklung nicht besser vorhergesehen hatten. Mein peinlichster Moment war am 31. Mai dieses Jahres, als ich hier erzählt habe, Henry Kissinger sei nie Außenminister der Vereinigten Staaten gewesen.

Für mich als Nichtjournalist war es ein riesiges Privileg, hier mitarbeiten zu dürfen und Teil dieser Veranstaltung zu sein, weil ich für Ihre Arbeit als Journalistinnen und Journalisten, für das, was Sie für unsere Demokratie und für unser Land tun, lieber Vorstand, liebe Mitglieder der Bundespressekonferenz und des VAP, große Bewunderung habe. Wir sitzen hier auf unterschiedlichen Seiten und haben manchmal Interessenunterschiede. Ihre Fragestellungen sind in manchen Momenten vielleicht auch von medialen Verwertungsgedanken geleitet, unsere Antworten in manchen Momenten vielleicht auch von politisch-taktischem Kalkül. Das alles hat seinen Platz, solange es nicht in Zynismus umschlägt. Trotzdem spürt man in den besten Momenten hier, wie ich finde, auf beiden Seiten eine gemeinsame Leidenschaft für die Wahrheit. Ich hoffe, dass wir alle uns das erhalten.

Ich darf jetzt nach über sieben Jahren im Pressereferat wieder ganz Diplomat sein. Ich übernehme im August die Leitung einer kleineren deutschen Auslandsvertretung, werde Ihre Arbeit aber natürlich weiterhin auf das Engste verfolgen und hoffe, dass wir uns in der einen oder anderen Funktion irgendwo auf der Welt bald wiedersehen.

Vielen Dank.

VORS. BUSCHOW: Herr Burger, auch von dieser Stelle aus einen Dank für gute Zusammenarbeit! Sie haben es umrissen: Wir haben verschiedene Rollen, verschiedene Interessen. ‑ Das, was an Entwicklungen Sie umrissen haben ‑ das wissen Sie ‑, beobachten wir selbst. Wir wissen um die Herausforderungen der Entwicklungen am Medienmarkt.

Wir wünschen Ihnen alles Gute.

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