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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 05.07.2023

05.07.2023 - Artikel

Nahostkonflikt

FRAGE: Herr Wagner, die Lage im Nahen Osten, in Israel und Palästina, eskaliert. Gestern gab es eine Amokfahrt eines Palästinensers in Tel Aviv. Es gab Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen, während die israelische Armee Luftangriffe in der besetzten Westbank geflogen hat. Es gab eine Bodeninitiative in der Westbank, die heute beendet wird. Es war die größte seit über 20 Jahren.

Die UN hat die Luftangriffe auf dicht besiedelte Wohngebiete bereits verurteilt. Tut dies auch die Bundesregierung?

WAGNER (AA): Sie wissen, dass wir die Entwicklungen in Nahost ‑ wir haben in den letzten Tagen darüber auch hier mehrfach gesprochen ‑ mit einiger Sorge beobachten. Wir haben dazu gestern ‑ das haben Sie vielleicht zur Kenntnis genommen ‑ auch eine Presseerklärung herausgegeben. Diese könnte ich hier verlesen, aber ich will Sie vielleicht einfach darauf verweisen. Heute Morgen erfolgten ‑ das war nicht in Ihrer Aufzählung ‑ auch noch Raketenangriffe aus Gaza auf Israel, die wir natürlich auch ausdrücklich verurteilen.

ZUSATZ: Das habe ich gerade gesagt!

WAGNER: Sorry! Dann habe ich das überhört. ‑ Insofern würde ich Sie jetzt auf das Statement verweisen.

Ich will aber natürlich schon auch noch einmal sagen, dass wir mit Blick auf die Situation und die Spannungen vor Ort natürlich an alle, die dort Verantwortung tragen, appellieren, ihre Schritte zu gehen, um zu einer Deeskalation beizutragen.

ZUSATZ: Sie verurteilen die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen, aber nicht die Luftangriffe auf dicht besiedeltes Wohngebiet in der Westbank.

WAGNER: Jetzt lese ich doch die Pressemitteilung vor, damit wir da klar sind. Wir haben sie gestern herausgegeben. Darin hieß es:

„Bei der seit zwei Tagen andauernden israelischen Militäroperation im Flüchtlingslager Dschenin muss das völkerrechtliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Der Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten muss immer oberstes Gebot sein und ein adäquater Zugang für humanitäre Helfer und Helferinnen sichergestellt werden. Alle, die in dieser Situation Verantwortung tragen, sollten jetzt größtmögliche Anstrengungen unternehmen, die angespannte Sicherheitslage zu beruhigen und weitere Gewalt zu verhindern. Ohne eine politische Lösung für den Konflikt wird es nicht gelingen, den Ursachen der Gewalt zu begegnen.“

ZUSATZ: Sie verurteilen die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen, aber weisen nur auf das Völkerrecht hin, wenn es um die Luftangriffe auf dicht besiedeltes Wohngebiet in der Westbank geht. Das sind zwei unterschiedliche Dinge.

WAGNER: Ja, weil es sich auch um zwei unterschiedliche Sachverhalte handelt. Ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe. Wir haben das Ausmaß dieses Militäreinsatzes natürlich zur Kenntnis genommen. Sie kennen aber unsere Haltung. Israel hat das Recht, sich wie jeder andere Staat der Welt gegen Terror zu schützen. Dabei muss der Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten oberstes Gebot sein.

FRAGE: Der Sprecher von Guterres hat gesagt, diese Angriffe, explizit die auf das Flüchtlingslager in Dschenin, seien inakzeptabel. Das ist eine Vokabel der Verurteilung. Teilen Sie diese Bewertung?

WAGNER: Was ich dazu gesagt habe ‑ das schließt an die Frage des Kollegen an ‑, habe ich gesagt, und ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe.

ZUSATZFRAGE: Hat die Bundesregierung die israelische Regierung aufgefordert, diese inakzeptablen Angriffe einzustellen?

WAGNER: Auch dafür gilt das, was ich hier schon öfter wiederholt habe. Wir stehen natürlich in einem engen Austausch mit den israelischen Partnern und thematisieren dabei auch unsere grundsätzliche Haltung. Ich habe gerade schon gesagt, welche humanitären Prinzipien es zu wahren gilt.

FRAGE: Sie hatten gerade gesagt, dass Israel das Recht habe, sich vor Terror zu schützen. Bezieht sich das jetzt auf die Westbank? Denn im besetzten Gebiet hat die besetzte Bevölkerung ja völkerrechtlich das Recht, das auch die Bundesregierung immer wieder angemahnt hat, sich gegen die Besatzer zu wehren. Bezeichnen Sie das als Terrorismus?

WAGNER: Ich steige jetzt nicht in völkerrechtliche Debatten mit Ihnen ein. Ich ‑ ‑ ‑

ZUSATZFRAGE: Sie haben den Begriff „Terror“ benutzt. Was meinen Sie damit?

WAGNER: Ich habe gesagt, dass wir diese Militäroperation natürlich beobachten und zur Kenntnis genommen haben und dass gilt, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen.

ZUSATZ: Ja, aber Sie haben das auf Terror bezogen. Dann muss es ja Terror in der Westbank gegeben haben.

WAGNER: Darüber müssten Sie die israelische Seite befragen.

ZUSATZ: Ich befrage Sie! Die israelische Seite behauptet, dass es Terrorismus sei. Das ist natürlich ein politischer Begriff. Aber es gibt einen völkerrechtlichen, auf den Sie sich immer wieder beziehen. Sie sagen ja selbst, die Israelis seien eine Besatzungsmacht. Es gibt völkerrechtlich das Recht, sich gegen eine Besatzungsmacht zu wehren. Ich will diese Gewalt nicht verteidigen, aber das ist etwas anderes als Terrorismus.

WAGNER: Ich weiß, dass diese Debatte auch Ihre sozialen Kanäle gerade in ganzer Intensität beschäftigt. Ich würde jetzt aber ungern mit Ihnen ‑ ‑ ‑ Das, was ich im Namen des Auswärtigen Amts der Bundesregierung zu diesem Militäreinsatz zu sagen hatte, habe ich gesagt, und es steht für sich.

Iranisches Atomprogramm

FRAGE: Ich habe eine Frage an Herrn Wagner in Bezug auf den JCPOA. Manche Medien behaupten, dass die E3 im Oktober zum ersten Mal gegen den JCPOA vorgehen und die Sanktionen hinsichtlich ballistischer Raketen des Iran verlängern werden. Ich möchte gerne wissen, ob Sie das bestätigen können.

Ich kann die Frage anders formulieren: Ich möchte gerne wissen, welche Strategie Europa und besonders Deutschland verfolgt, um zu verhindern, dass iranische Drohnen und möglicherweise iranische ballistische Raketen nach Moskau geliefert werden.

WAGNER (AA): Zum ersten Teil Ihrer Frage: Sie wissen, dass wir permanent mit unseren E3-Partnern, also Großbritannien und Frankreich, im Kontakt und in Abstimmung stehen, wie wir gegenüber dem Iran vorgehen. Ich glaube, ich habe hier schon einmal ausgeführt, dass Fakt ist, dass Iran seine nuklearen Aktivitäten in den letzten Monaten und Jahren erheblich ausgebaut hat und das iranische Nuklearprogramm JCPOA-widrig inzwischen so weit entwickelt ist wie nie. Wir als E3 haben die Verpflichtungen und Vorgaben, die sich aus den einschlägigen UN-Resolutionen ergeben, immer erfüllt. Es ist in der Tat so, dass am 18. Oktober sozusagen einzelne Beschränkungen in diesen Resolutionen auslaufen. Wie wir damit umgehen, ist im Moment noch Gegenstand von Gesprächen innerhalb der E3.

Medienberichte über Anschlagspläne auf das Atomkraftwerk Saporischschja

FRAGE: Herr Hebestreit, Moskau und Kiew bezichtigen sich gegenseitig eines mittelbar bevorstehenden Angriffs auf das Atomkraftwerk Saporischschja. Wie ernst nimmt die Bundesregierung dies? Wie viele Sorgen machen Sie sich?

HEBESTREIT (BReg): Die Bundesregierung guckt schon seit geraumer Zeit sehr besorgt auf die Lage am Kernkraftwerk Saporischschja und hat die beiden Kriegsparteien massiv aufgefordert, jegliche Kampfhandlungen um dieses Kraftwerk einzustellen und den sicheren Betrieb des Kraftwerks zu ermöglichen. Alle Berichte, die es dazu von den verschiedenen Seiten gibt, haben wir zur Kenntnis genommen, können sie aber aus eigener Anschauung oder mit eigenen Kenntnissen nicht verifizieren.

ZUSATZFRAGE: Herr Stolzenberg, gibt es in irgendeiner Art Vorbereitungen für den Ernstfall?

STOLZENBERG (BMUV): Ich glaube, wir können nicht oft genug wiederholen, zu sagen, dass niemand ein Interesse daran haben kann, dass Kampfhandlungen in der Nähe von Atomanlagen stattfinden. Die Folgen treffen in erster Linie natürlich erst einmal die angrenzenden Länder.

Aktuell sind uns keine erhöhten Strahlungswerte bekannt. Wir haben das natürlich mit dem Bundesamt für Strahlenschutz im Blick. Trotz allem ist unser Appell ganz klar, nämlich dass Atomanlagen aus kriegerischen Handlungen herausgehalten werden sollten. Das ist einfach viel zu gefährlich und verantwortungslos.

WAGNER (AA): Vielleicht kann ich noch ergänzen, weil ein Punkt hinsichtlich der Differenzierung wirklich wichtig ist: Es ist natürlich Russland, das dieses Atomkraftwerk militärisch besetzt hält. Das ist vollkommen inakzeptabel und unverantwortlich. Um die Sicherheit dieses Atomkraftwerks zu steigern, gibt es einen sehr einfachen Weg, nämlich indem sich Russland aus diesem Atomkraftwerk zurückzieht.

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