Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 13.12.2023

13.12.2023 - Artikel

Fall Alexej Nawalny

Hebestreit (BReg)

Herzlich willkommen auch von mir! Die Bundesregierung ist zutiefst besorgt über Berichte, denen zufolge der russische Oppositionelle Alexander Nawalny bereits seit einer Woche weder von seinem Team noch von seinen Anwälten kontaktiert werden konnte. Sein Aufenthaltsort ist weiterhin unklar. Die zuständigen Behörden verweigern jede Auskunft.

Nawalnys Gesundheitszustand gibt uns Anlass zu großer Sorge. Er ist bereits seit einigen Jahren unter harten und unmenschlichen Bedingungen inhaftiert. Wir fordern die russischen Behörden auf, Nawalnys medizinische Versorgung und Behandlung umgehend und vollumfänglich sicherzustellen. Wir bleiben bei unserer Forderung gegenüber Russland, Nawalny unverzüglich freizulassen. Seine Inhaftierung beruht auf einem politisch motivierten Urteil, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits im Jahr 2017 klar festgestellt hat.

Außerdem sehen wir, dass der Kreml seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 sein Vorgehen gegen Nawalny, dessen Vertraute sowie allgemein gegen die kritische Zivilgesellschaft nochmals verschärft hat. Die meisten bekannten Aktivisten und Oppositionellen haben Russland inzwischen verlassen oder sind dort inhaftiert.

Fall Julian Assange

Frage

Ein ähnlicher Fall, der in den letzten Jahren auch großes Aufsehen erregt hat, ist der Fall von Julian Assange, der auch in Haft ist, in dem Fall in Großbritannien. Wie steht die Bundesregierung aktuell dazu?

Deschauer (AA)

Richten Sie die Frage an mich oder an den Regierungssprecher?

Zusatz

An das AA und an die Bundesregierung.

Deschauer (AA)

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes hat sich meines Wissens vor zwei Tagen dazu hier eingelassen. Die Position ist unverändert. Darauf würde ich gern hinweisen.

Nahostkonflikt

Deschauer (AA)

Ich möchte Ihnen heute ankündigen, dass das Auswärtige Amt in Zusammenarbeit mit der Luftwaffe, dem BMVg, dem BMG und dem BMI eine Reihe gezielter bilateraler Hilfsmaßnahmen für die Zivilbevölkerung in und aus Gaza durchführen wird, die unser massives humanitäres Engagement über die Vereinten Nationen und weitere internationale Hilfsorganisationen ergänzen werden. Dazu gehören mehrere Hilfsflüge, die jetzt vor Weihnachten stattfinden werden.

Lassen Sie mich kurz ins Detail gehen. Am 16. Dezember wird die Luftwaffe im Auftrag des Auswärtigen Amts eine Hilfsgüterlieferung nach Ägypten durchführen. Dabei handelt es sich vor allem um Brutkästen und Beatmungsgeräte für ägyptische Krankenhäuser, die Patientinnen und Patienten, insbesondere Säuglinge aus dem Gazastreifen behandeln. Damit antworten wir auf die Anfragen der ägyptischen Regierung. Nächste Woche werden weitere Hilfsflüge im Auftrag des Auswärtigen Amts stattfinden, vor allem mit Zelten und anderen Hilfsgütern für Menschen in Gaza, die ihre Bleibe verloren haben. Dabei handelt es sich um einen weiteren Bundeswehrflug sowie zivile Flüge in Zusammenarbeit mit der sogenannten EU-Luftbrücke im Wert von rund zwei Millionen Euro. Ich kann auch erwähnen, dass der erste Posten, den ich aufgeführt habe, einen Wert von rund 1,4 Millionen Euro hat.

Weiteres medizinisches Material für Gaza wird in Zusammenarbeit mit Jordanien zur Verfügung gestellt werden. Dafür können wir die regelmäßigen Versorgungsflüge der Luftwaffe für das Bundeswehrkontingent in Asrak nutzen.

Unser großer Dank gilt der Luftwaffe, dem BMVg, dem BMG und dem BMI, die sehr flexibel mit uns zusammenarbeiten, um diese Hilfsflüge zu realisieren.

[…]

Frage

Im Gazastreifen wurde durch ein israelisches Bombardement eine sechsköpfige Familie deutscher Staatsbürger getötet. Der Vater war Anästhesist im Dortmunder Klinikum, die Kinder hatten ein Alter von zehn bis unter einem Jahr. Ich war jetzt überrascht, im Protokoll vom Montag zu sehen, dass die Bundesregierung bzw. das Auswärtige Amt diesen Fall zwar bestätigt, aber dann erklärt hat, Sie würden grundsätzlich zu solchen Einzelfällen keine weitere Stellungnahme vornehmen.

Meine Verständnisfrage: Verstehe ich das richtig, dass man grundsätzlich bei der Tötung einer kompletten Familie deutscher Staatsbürger diesen Fall nicht weiter kommentiert, egal ob die Bombardierung mutmaßlich völkerrechtswidrig durch israelisches, russisches, iranisches oder US-amerikanisches Militär vorgenommen wird?

Deschauer (AA)

Ich mache mir die Kombination der verschiedenen Elemente und Vorwürfe in Ihrer Fragestellung erst einmal ‑

Zusatz

Welche sollen das gewesen sein?

Deschauer (AA)

‑ dass wir nicht kommunizieren ‑ a priori nicht zu eigen; denn das tun wir. Und zwar hat mein Kollege eine Frage zu genau zu diesem Fall, der uns bekannt ist und zu dem wir hier Stellung genommen haben, am Montag beantwortet und dann auch noch in einem ausführlicheren „Unter-drei“-Teil ‑ just weil es sich um grundsätzliche Kommunikation auch handelt, dass wir zu Konsularfällen im Detail auch aufgrund des Persönlichkeitsrechts nicht detailliert Auskunft geben ‑ noch einmal Stellung genommen. Darauf verweise ich sehr gerne. Das ist zwei Tage her. Insofern ist, glaube ich, die vollumfängliche Antwort bereits vonseiten der Bundesregierung gegeben worden.

Zusatzfrage

Gut, aber Sie müssen jetzt auch den Leser des Protokolls verstehen. Die Protokolle sind zumindest beim Auswärtigen Amt öffentlich für jeden einsehbar, und da sieht man nur: sechs getötete deutsche Staatsbürger; wir äußern uns grundsätzlich zu solchen Fällen nicht. Da fände ich eine Klarstellung schon ganz gut ‑ auch gerne öffentlich und nicht „unter drei“ ‑, ob der Tod deutscher Staatsbürger durch ausländisches Militär, egal welcher Provenienz, von der Bundesregierung thematisiert und kommuniziert wird. Ja oder nein? Das hat sich zumindest für mich durch Ihre Antwort nicht ergeben.

Deschauer (AA)

Dann muss ich leider noch einmal auf meine Einführung zurückkommen, dass ich mir die in der Fragestellung schon gemachten Vorwürfe nicht zu eigen mache, sondern sage, dass wir zu konsularischen Fällen nicht detailliert „unter eins“ Auskunft geben können.

Wir müssen davon ausgehen ‑ das hat mein Kollege am Montag hier gesagt und das sage ich hier sehr gerne noch einmal ‑, dass eine deutsche Familie getötet wurde. Außerdem hat mein Kollege am Montag „unter drei“ ‑ das werde ich heute aber nicht noch einmal in der gleichen Form ausführen ‑ die Hintergründe erläutert, wie und warum wir kommunizieren. Das hat eben auch mit Persönlichkeitsrechten von Menschen zu tun, und das gilt für jeden Fall. Deswegen gehen wir dazu „unter eins“ nicht näher ins Detail. Bei dieser Antwort belasse ich es jetzt ‑ mit Verweis auch noch einmal auf Montag.

Frage

Die Bundesregierung hat in den vergangenen Wochen immer wieder wiederholt, dass sie Israel ermahnt, sich an Menschenrechte und an das internationale Recht zu halten. Jetzt gibt es aber sehr viele gut dokumentierte Brüche, sowohl im Libanon als auch in Gaza und in der Westbank. Sie haben auch schon darauf hingewiesen, Herr Hebestreit: In Gaza lässt sich das Ganze jetzt nicht gut überprüfen. Im Libanon und in der Westbank aber schon. Ergreift die Bundesregierung denn auch konkrete Maßnahmen, um dieses Verhalten irgendwie zu sanktionieren, zum Beispiel durch weniger Waffenexport oder irgendwelche anderen Druckmittel, die zur Verfügung stehen?

Hebestreit (BReg)

Sie sprechen ja an, wie wir uns von dieser Stelle aus geäußert haben. Und diese Appelle richten wir auch an die konkreten Stellen in Israel. Es hat am vergangenen Wochenende auch ein Telefonat des Bundeskanzlers mit dem israelischen Ministerpräsidenten gegeben. Da war auch Gegenstand der Gespräche.

Zusatzfrage

Gibt es denn über Appelle hinaus auch Maßnahmen? Werden also Druckmittel auf irgendeine andere Art und Weise ausgenutzt, um Israel dazu zu bewegen, diese Rechtsbrüche nicht mehr zu begehen?

Hebestreit (BReg)

Wir sind da in sehr engen und konstruktiven Gesprächen mit der israelischen Seite.

Frage

Auch in diesem Zusammenhang: Wie man den heutigen Nachrichten entnehmen konnte, haben auch die Herren Biden und Trudeau von wahllosen Bombardierungen gesprochen. Sie und auch andere Kollegen aus dem AA haben hier zwar immer wieder gesagt, dass darauf geachtet werde und ermahnt werde etc., dass die internationalen Konventionen zum Schutz von Zivilisten eingehalten werden. Der jetzt gemachte öffentliche gemachte Hinweis vom amerikanischen Präsidenten und seinem Kollegen aus Ottawa auf wahllose Bombardierungen ist ja schon ein klares Wort. Wo liegt vergleichsweise ‑ wie soll ich es nennen? ‑ die Grenze der deutschen Billigungsbereitschaft für derlei Bombardierungen? Ab wie vielen Toten oder ab welchen Geschehnissen am Boden würden auch Sie oder würde auch die deutsche Bundesregierung Tacheles reden?

Deschauer (AA)

Ich weiß nicht, ob ich Ihre Frage genau verstanden habe. Wir haben hier mehrfach betont bzw. darauf hingewiesen ‑ die Ministerin hat das in den vergangenen Tagen gemacht, andere Regierungsvertreter haben dies gemacht ‑, dass Israel im Rahmen des Völkerrechts seine Selbstverteidigung vornehmen kann; wir weisen aber auch darauf hin, dass das Leid der Zivilisten in Gaza unerträglich ist und dass entsprechend auch die Art der Selbstverteidigung von israelischer Seite entscheidend ist, auch um perspektivisch einen Frieden in Gaza, einen Frieden in Nahost erwirken zu können. Wir haben auch gesagt, dass wir die israelische Seite dazu auffordern, die Zivilbevölkerung größtmöglich zu schonen und vor Ort auch anders vorzugehen.

Ihre Frage, glaube ich ‑ deswegen musste ich voranstellen, dass ich nicht weiß, ob ich sie richtig verstanden habe ‑, ist eine hypothetische, die ich hier von dieser Stelle so nicht beantworten kann. Wichtig ist, dass die Bundesregierung betont ‑ ich mache das gerne noch einmal ‑: Israel hat das Recht und die Pflicht, sich im Rahmen des Völkerrechts gegen den Terror der Hamas vom 7. Oktober, der durch Raketeneingriffe aus Gaza andauert, zu verteidigen. Gleichzeitig ist Israel in der Pflicht, dies im Rahmen des Völkerrechts zu tun und die Zivilbevölkerung größtmöglich zu schützen.

Zusatzfrage

Erschwert möglicherweise diese ‑ ich nenne es einmal so, weil ich es so empfinde ‑ deutsche sprachliche Zurückhaltung einen Einigungsprozess, zum Beispiel auch in der EU, in Richtung einer klaren Aussage, also mehr als nur einer Ermahnung an Israel, die Zivilisten zu schützen? Das ist jetzt etwas kompliziert von mir ausgedrückt, aber ich glaube, es ist klar, was ich meine. Da gibt es meiner Beobachtung nach jedenfalls eine sprachliche Sonderrolle Deutschlands in der EU ‑ mit Ausnahme vielleicht Tschechiens und einiger anderer Länder. Wenn ich das einmal so auf einen einfachen Nenner bringen darf: Ist sich die Bundesregierung dieser sprachlichen Sonderrolle bewusst?

Deschauer (AA)

Ich glaube, die Bundesregierung schließt sich ihrer Beobachtung nicht an, sondern die Bundesregierung macht klar ‑ und ich verweise jetzt noch einmal auf das, was ich gerade gesagt habe ‑, dass wir in all unseren Gesprächen ‑ das tut die Außenministerin öffentlich, das tut sie in Gesprächen mit ihren israelischen Ansprechpartnern, mit regionalen Ansprechpartnern und Kollegen ‑ darauf hinweisen ‑ und zwar sehr deutlich ‑, dass Israel die Zivilbevölkerung in Gaza größtmöglich schützen muss.

Frage

Auch genau dazu an das AA: Gibt es einen oder mehrere Fälle, in denen Israel im aktuellen Gazakrieg aus Sicht der Bundesregierung gegen Völkerrecht verstoßen hat? Wenn ja, welche Fälle sind das?

Deschauer (AA)

Ich habe die Position der Bundesregierung jetzt auch auf mehrfache Nachfrage des Kollegen hin beantwortet. Ich glaube, das war sehr klar. Ich würde es gerne dabei belassen.

Zusatzfrage

Der Kollege hat es schon erwähnt: Es gibt international viele Berichte von Fachleuten, dass es im aktuellen Gazakrieg schon Fälle gegeben habe, in denen Israel mutmaßlich gegen das Völkerrecht verstoßen habe. Erkennt die Bundesregierung bzw. erkennt das AA an, dass es diese Berichte von seriösen Menschen gibt, die das so einschätzen, dass es diese Fälle gab?

Deschauer (AA)

Ich verweise auf meine vorherige Antwort, zumal Ihre Frage auch verschiedene Unklarheiten enthält. Die Position der Bundesregierung ist sehr klar: Wir halten Israel dazu an, die Selbstverteidigung im Rahmen des Völkerrechts durchzuführen und die Zivilbevölkerung in Gaza größtmöglich zu schützen.

Frage

Um das noch einmal konkret zu machen: Entsprach die Tötung der bereits erwähnten sechsköpfigen deutschen Familie beim Bombardement eines Wohnhauses dem Rahmen des Selbstverteidigungsrechts Israels?

Deschauer (AA)

Ich führe unseren Austausch in dieser Sache nicht mehr weiter. Wir haben hier klar Position bezogen, wie wir gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber Israel in internen Gesprächen in der Region kommunizieren, und das ist, glaube ich, sehr deutlich.

Zusatzfrage

Dann noch eine Frage eher grundsätzlicher Art: Zumindest laut Menschenrechtsorganisationen wurde jetzt auch der Einsatz von weißem Phosphor im Libanon nachgewiesen. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung oder hat sie eigene Erkenntnisse, dass Israel völkerrechtswidrig weißen Phosphor im Libanon eingesetzt hat?

Deschauer (AA)

Die Medienberichterstattung haben wir zur Kenntnis genommen. Ich habe aber keine eigenen Erkenntnisse, die ich mit Ihnen teilen kann, und auf dieser Basis kann ich auch keine Einschätzung vornehmen.

Frage

Im Gegensatz zu 153 anderen Ländern konnte Deutschland sich nicht dazu durchringen, der UN-Resolution für eine humanitäre Waffenpause zuzustimmen. Der Titel der Resolution lautet „Schutz der Zivilisten und Einhaltung rechtlicher und humanitärer Auflagen“. Gleichzeitig schrieb das AA gestern, man wolle das unerträgliche Leid der Menschen in Gaza beenden. Wie passt das zusammen? Um das zu beenden, braucht es ja ein Ende der Bombardierung.

Deschauer (AA)

Vielen Dank für Ihre Frage. Das gibt mir die Gelegenheit, noch einmal darauf hinzuweisen, dass unsere Einlassung aus vier Teilen bestand. Den entscheidenden Teil haben Sie jetzt in Ihrer Frage noch nicht erwähnt; das mache ich aber sehr gerne. Die Resolution hat den 7. Oktober und den Terror der Hamas in keiner Form erwähnt und als Ursache der Kriegssituation benannt und auch nicht klar verurteilt, und sie hat somit auch das Selbstverteidigungsrecht Israels mindestens implizit infrage gestellt. Das heißt, der Ausgangspunkt der Situation, über die wir hier seit zwei Monaten sprechen ‑ eine dramatische Situation für Menschen in Gaza, aber gleichermaßen auch in Israel ‑, wird in dieser Resolution nicht erwähnt. Insofern war es uns nicht möglich, auf dieser Basis der Resolution zuzustimmen.

Aber da Sie über das Leid der Menschen in Gaza sprechen und wir das auch sehen und da händeringend um Linderung bemüht sind ‑ ich habe vorhin auch vorgetragen, was für neue Hilfslieferungen wir in Kürze noch anstoßen und in die Region liefern ‑, war es uns natürlich auch nicht möglich, diese Resolution abzulehnen. Wir sehen also beide Seiten: Wir sehen das unglaubliche Leid der Menschen in Gaza, und das wollen lindern. Das tun wir sehr praktisch, sehr konkret mit fast 180 Millionen Euro an humanitärer Hilfe, die wir zusätzlich bereits jetzt losgetreten haben. Wir betonen aber auch, dass Israel ‑ dieses Gespräch hatten wir ja gerade eben ausführlich ‑ im Rahmen des Völkerrechts das Selbstverteidigungsrecht hat, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen. All diese Erwägungen haben mit in unsere Entscheidungen hineingespielt, und diese haben wir entsprechend auch gestern auf X ‑ das haben Sie gesehen ‑ in vier Teilen entsprechend kommuniziert.

Zusatz

Ich wurde letztes Mal ermahnt, ich solle nicht so große Zitate nutzen, deshalb habe ich das jetzt verkürzt.

Deschauer (AA)

In dem Fall wäre es inhaltlich hilfreich gewesen, aber ich habe ausgeholfen.

Zusatzfrage

Alles klar. ‑ Diese Hilfe ist natürlich gut und wichtig, aber die Linderung dieses Schmerzes und die Lösung dieser Probleme ist ja nur deshalb nötig, weil weiter Bomben fallen. Ich komme da nicht hinter die Logik, dass man nicht vorranging versucht, die Bombardierung zu verhindern ‑ ob das jetzt über die UN geschieht oder über andere Wege, die Deutschland ja durchaus wahrnehmen kann.

Deschauer (AA)

Deswegen setzt sich die Bundesregierung auch nachhaltig für weitere humanitäre Pausen ein, in denen Menschen in Gaza so weit als möglich Schutz suchen und finden können und bestmöglich versorgt werden können. Das ist ein Anliegen der Bundesregierung, das wir von Beginn an auch hier, glaube ich, erläutert haben.

Frage

Genau dazu: Ich habe in diesem Zusammenhang leider auch ein Logik-Gap. Das ist ausgelöst worden durch Ihre frühere Chefin, die deutsche Botschafterin bei den Vereinten Nationen, die ja gestern am Rande der Sicherheitsratssitzung auch darauf hingewiesen hat, dass der Hinweis auf den 7. Oktober, auf das barbarische Massaker etc. vermisst gemeldet werden sollte. Das hat sie, glaube ich, auch in einem ganz öffentlichen Statement kundgetan. Mir fehlt ‑ Stichwort Logik ‑ die Korrelation zwischen dieser Leerstelle in der Resolution und dem, was eigentlich mit der Resolution erreicht werden soll, nämlich die Zivilisten zu schonen beziehungsweise eine humanitäre Waffenpause, Waffenruhe auszulösen. Was hat das eine mit dem anderen zu tun, im Sinne der Kausalität, wenn die Täter bzw. das grausame Massaker vom 7. Oktober erwähnt worden wären? Würde dann ‑ das muss man ja tatsächlich fragen ‑ schneller eine zivile Schutzzone eingerichtet, oder wie denken sich das Diplomaten, Diplomatinnen und andere Politiker?

Deschauer (AA)

Ich bin mir auch nicht sicher, ob mir Ihre Kausalkette in der Frage komplett schlüssig ist. Ich probiere es noch zu ergänzen: Wer eine unmittelbare Niederlegung der Waffen, einen Waffenstillstand fordert, ohne zu erklären, wie dafür gesorgt werden soll, dass Hamas seinerseits die Waffen niederlegt und damit nicht mehr in der Lage ist, Israel anzugreifen, der muss sich auch die Frage stellen, ob er es sich damit nicht zu leicht macht. Eine Forderung nach einem Waffenstillstand, bei dem man davon ausgehen muss, dass die eine Seite ihre Angriffe aus Gaza mit Raketen weiterführen wird, erschließt sich uns nicht.

Insofern: Ich glaube, wir haben die Argumente ausgetauscht und haben die Position der Bundesregierung ‑ und auch die Abwägung, wie wir zu dieser Entscheidung gekommen sind ‑ deutlich gemacht. Ich lade auch noch einmal ein, auf X nachzulesen, weil wir diese Abwägung auch dort hinterlegt haben.

26. Bericht der Bundesregierung zur auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik

Hebestreit (BReg)

[…] Außerdem hat das Bundeskabinett heute den 26. Bericht der Bundesregierung zur auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik entgegengenommen, der sich auf das Jahr 2022 bezieht. Der vorgestellte Bericht macht deutlich, dass sich die Rahmenbedingungen für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in den vergangenen Jahren erheblich verändert haben. Deutschlands außenpolitisches Umfeld ist im Umbruch. Wir erleben ‑ damit erzähle ich Ihnen nichts Neues ‑ eine Zeitenwende, die sich auf unser gesamtes außenpolitisches Instrumentarium auswirkt. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 war auch eine Zäsur für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. So war die Unterstützung der ukrainischen Zivilgesellschaft im Jahr 2022 eine ihrer zentralen Aufgaben. Mit bestehenden Schutzprogrammen konnte vielen Menschen aus der Ukraine schnell und wirksam geholfen werden. Die kulturelle Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen Russlands wurde 2022 beendet und ein Schwerpunkt auf den Erhalt zivilgesellschaftlicher Räume in Russland und vor allem im Exil gelegt. Dabei ging es unter anderem darum, mit neutralen, faktenbasierten Informationen nach Russland hineinzuwirken. Hinzu kamen auch Projekte zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen Resilienz in Osteuropa und auf dem Westbalkan. Es galt 2022 und gilt heute noch genauso, diejenigen zu stärken, die für Demokratie und Freiheit eintreten, und ihnen weiter Gehör zu verschaffen. Eine weitere Reaktion auf die Zeitenwende war im Berichtsjahr die Gründung der Hannah Arendt-Initiative durch das Auswärtige Amt und durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Sie dient als Schutz- und Förderprogramm der Bundesregierung für Medienschaffende in Krisen- und Konfliktgebieten, sowohl im Ausland als auch hier in Deutschland im Exil. 2022 wurde auch zu einem Schlüsseljahr für die Aufarbeitung des kolonialen Erbes mit gesellschaftspolitischer Bedeutung im Innern wie auch außenpolitischer Relevanz. Prominentestes Beispiel sind die Benin-Bronzen, die an Nigeria zurückgegeben wurden, etwas, wofür Deutschland international viel Zuspruch erfahren hat. Der Bericht führt auf mehr als 90 Seiten weitere Beispiele aus, die zeigen, dass unsere auswärtige Kultur- und Bildungspolitik eben nicht “nice to have” ist, sondern “essential to have”, wie es Außenministerin Baerbock einmal formuliert hat.

UN-Klimakonferenz (COP28)

Frage

Ich hätte noch eine Frage an das AA mit Blick auf die Abschlusserklärung der COP. Ich hatte vor knapp zwei Wochen Ihren Kollegen, Herrn Fischer, gefragt, als dieses Abkommen zur Kernkraft von 22 Staaten eingegangen wurde, wie das einzuschätzen ist und ob Deutschland daraus Schlussfolgerungen zieht. Es hieß, das Staatenbündnis sei zu klein, und es sei längst nicht die Mehrheit, die sich darin für die Kernkraft ausgesprochen habe. Nun ist die Kernkraft in der Abschlusserklärung implementiert. Gibt es daraus irgendwelche Schlüsse für die Bundesregierung, wieder Forschung anzustrengen oder etwas anderes zu tun?

Deschauer (AA)

Vielen Dank. Das gibt mir die Gelegenheit, vielleicht grundsätzlich zwei, drei Sätze zur COP, die heute in Dubai abgeschlossen wurde, zu sagen. Sie haben mitbekommen, dass dort in den letzten zwei Wochen hart gearbeitet und gerungen wurde. Die ganze Staatengemeinschaft hat sich mit dem großen Zukunftsthema der aktuellen Krise, wie es mit Klima und Umwelt in dieser Welt weitergeht, beschäftigt. Es gab intensive Gespräche und Verhandlungen und eine Verlängerung bis tief in die Nacht hinein.

Erst einmal als grundsätzliche Bewertung aus unserer Sicht: Es hat sich gelohnt. Erstmals hat sich die Welt auf einem Klimagipfel auf eine Abkehr von Öl, Gas und Kohle geeinigt. Auch wurde eine Verdreifachung von erneuerbaren Energien und eine Verdoppelung der Energieeffizienzrate festgehalten. Von der bereits zu Beginn der COP ausgegangenen Einigung hinsichtlich des Fonds für Klimaschäden und Verluste ist ein sehr starkes Signal der Solidarität an die Länder ausgegangen, die am härtesten betroffen sind. Das ist in der Gesamtbewertung ein sehr gutes Ergebnis. Wir werden uns natürlich in den kommenden Tagen ‑ das ist ja in der Umsetzung eine Großaufgabe ‑ das Dokument näher anschauen. Die Ministerin hat sich vor Ort geäußert, ebenfalls auch bereits auf X einsehbar.

Zu Ihrer Frage: Die Bewertung, die mein Kollege hier vor einigen Tagen vorgenommen hat, würde ich auch so stehen lassen. Es ist weiterhin eine kleine Gruppe von Staaten, die offenbar in der risikobehafteten, teuren und nicht zukunftsrelevanten Nukleartechnologie noch eine Zukunft sieht. Das teilt die Bundesregierung nicht. Ich kann daraus hier von dieser Stelle keine Ableitung für uns vornehmen.

Schlagworte

nach oben