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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 22.05.2024

22.05.2024 - Artikel

Übung der russischen Atomstreitkräfte

Frage

Es geht um die russische Atomwaffenübung an der ukrainischen Grenze. Gibt es eine Reaktion dazu?

Deschauer (AA)

Vielen Dank. Die Außenministerin hat sich gestern in einer Abend-Nachrichtensendung dazu geäußert. Ich kann vielleicht ergänzend noch Folgendes sagen: Entsprechende Übungen passen durchaus in das Muster, das wir kennen, Einschüchterungsversuche. Wir lassen das aber nicht zu. Wir und unsere Verbündeten lassen sich auch durch entsprechende Kommunikation nicht einschüchtern. Im Übrigen hat die Außenministerin gestern auf genau diese Frage geantwortet.

Zusatzfrage

Sehen Sie das als eine neue Eskalationsstufe an?

Deschauer (AA)

Ich hatte es so eingeordnet, und so möchte ich das noch einmal machen, dass dies ein Element ist, indem Russland natürlich eskalatorisch weiterdreht und auch versucht, durch diese grenznahe Übungstätigkeit einschüchternd zu wirken. Ich habe aber auch schon deutlich gemacht, dass das nicht auf fruchtbaren Boden fällt.

Medienberichte über russische Pläne, Grenzen in der Ostsee zu verschieben

Frage

Ich habe auch eine Frage an das Auswärtige Amt. Frau Deschauer, vielleicht können Sie bitte auch diese Berichte, die es gibt, kommentieren, dass Russland angeblich die Grenzen in der Ostsee verschieben will. Es gab unklare Äußerungen aus Moskau, wie stimmig das jetzt ist, und sich widersprechende Meldungen. Gehört das Ihrer Meinung nach auch zu diesem Einschüchterungsmanöver?

Deschauer (AA)

Vielen Dank. Wir kennen die Medienberichte dazu. So, wie Sie es beschreiben, ist die Informationslage im Moment etwas unklar. Wir können aber schon sagen, dass das in das Schema entsprechender Kommunikation passen würde: Provokation, Verunsicherung. Wir beobachten die Lage natürlich genau.

Ich kann Ihnen vielleicht sachlich-inhaltlich noch kurz etwas zum Kontext sagen, und zwar zum Seerecht, denn um solche Fragen würde es sich hier drehen. Es geht um ein Seerechtsübereinkommen. Es gibt im Seerechtsübereinkommen umfassende Regelungen zur Ziehung sogenannter Basislinien für die Beanspruchung von Küstenmeeren, zu deren maximaler Breite ‑ das sind zwölf Seemeilen ‑ sowie insbesondere auch zur Abgrenzung der Küstenmeere von benachbarten und gegenüberliegenden Staaten. Grundsätzlich gilt: Derartige Abgrenzungen können nicht unilateral vorgenommen werden, sondern würden zunächst eine Einigung der betroffenen Nachbarstaaten erfordern.

Nahostkonflikt

Frage

Das Beben ist ja zwei, drei Tage alt, das aus Den Haag auch Deutschland als Mitfinanzierer des Internationalen Strafgerichtshof getroffen hat. Aber dazu die Frage: Ist es nur oder in erster Linie die Gleichzeitigkeit, die Parallelität dieses Vorstoßes in Richtung Hamas und israelische Staatsführung, oder gibt es auch andere Gründe, die ‑ ich sage einmal ein bisschen salopp ‑ in Deutschland viele Politikerinnen und Politiker erschaudern lassen? Was sind die tieferen Gründe für den Ärger, der durch das entstanden ist, was da angekündigt wurde?

Hebestreit (BReg)

Ich bin jetzt ein bisschen irritiert über den Ärger. Wir sind ja hier und sprechen für die Regierung. Die Außenministerin und der Bundeskanzler haben sich dazu vorgestern und gestern eingelassen. Da kann ich nicht von einer Erschütterung oder von einem Ärger berichten. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir die Gleichzeitigkeit, die Gleichsetzung kritisch sehen. Wir haben sehr deutlich gemacht und auch auf Unterschiede hingewiesen, was die Verfasstheit des Staates Israel, seine unabhängige Justiz und Ähnliches angeht. Aber ansonsten wüsste ich da weder von der Außenministerin noch vom Bundeskanzler von einer Erschütterung zu berichten.

Zusatzfrage

Ja, ich nehme die beiden Ausdrücke zurück und nenne es „Irritation“ und dergleichen. Das ist schon von den wenigen Äußerungen, die gekommen sind, ausgegangen. Aber was nun? Oder ist man angestrengt mit Überlegungen, wie man, wenn diesem Antrag stattgegeben wird, beispielsweise mit Herrn Netanjahu umgeht, wenn er nach Deutschland reist?

Hebestreit (BReg)

Nein. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs hat Haftbefehle beantragt. Die werden jetzt von dem dort zuständigen Richterausschuss geprüft. Auch muss geprüft werden, ob die Belege, die er dafür anführt, ausreichen, um einen Haftbefehl zu erlassen. Das liegt dann in der Zukunft. Wenn eine solche Entscheidung ergangen sein wird, egal wie sie ausfällt, müssen wir damit umgehen. So viel Zeit nehmen wir uns auch, uns darauf vorzubereiten.

Frage

Herr Bundeskanzler Olaf Scholz sagte im Oktober, es dürfe gar keinen Zweifel daran geben, dass sich Israel in seiner Kriegsführung in Gaza an das internationale Recht hält. In Anbetracht der neuesten Entwicklungen mit diesem Antrag vom Strafgerichtshof: Hat der Bundeskanzler seine Meinung dazu geändert? Darf man inzwischen daran zweifeln, dass Israel sich an die Menschenrechte und an internationales Recht hält?

Hebestreit (BReg)

Ich würde den Bundeskanzler jetzt ungerne freihändig interpretieren, wie er sich ausgedrückt hat, sondern klar ist ‑ das ist eine normative Setzung des Bundeskanzlers gewesen ‑, dass sich Israel selbstverständlich in allen Umfängen, die dafür nötig sind, an das Völkerrecht halten muss und auch hält. Wenn es daran Zweifel gibt bzw. wenn es Hinweise gibt, dass das anders ist, dann werden sie selbstverständlich auch verfolgt. Das erleben wir jetzt auch im Augenblick. Es gibt internationale Untersuchungen. Es gibt auch nationale Untersuchungen. Das muss man jetzt abwarten. Aber es ist weiterhin die Überzeugung und niemand bestreitet, dass Israel ‑ noch einmal zur Erinnerung: nach den Gräueltaten des 7. Oktober, nachdem 1200 Menschen auf bestialische Weise umgebracht worden sind und auch viele entführt worden sind, die weiterhin in Gaza in Geiselhaft und in der Hand von Hamas-Attentätern oder befreundeten Terrorgruppen sind; es werden weiterhin Raketen auf Israel abgeschossen ‑ ein Recht hat, gegen diese Terrororganisation vorzugehen, die nichts anderes im Sinn hat, als die Existenz des Staates Israel aufs Spiel zu setzen. Insofern ist das jetzt erst einmal die rechtliche Grundlage. Dann muss man sich immer die Details anschauen, und das tut auch jeder.

Zusatzfrage

Die Aussage des Bundeskanzlers war ja sehr klar. Da braucht es eigentlich gar keine große Interpretation. Er sagte: Man darf nicht daran zweifeln. - Meine Frage ist aber, und das hat nichts damit zu tun, ob Israel das Recht hat, sich zu verteidigen oder nicht: Zweifelt der Bundeskanzler inzwischen daran, dass sich Israel nicht in jedem Fall an das internationale Recht hält? Wie viele Berichte von Menschenrechtsorganisationen und wie viele Klagen braucht es, bis der Bundeskanzler anerkennt, dass es vielleicht gar nicht so sein kann?

Hebestreit (BReg)

Ich lasse mich hier nicht auf ein Ja-Nein-Spiel ein. Ich habe Ihnen eine sehr differenzierte und umfängliche Antwort auf Ihre Frage gegeben. Wenn Sie die anders interpretieren wollen, dann können Sie das in den Meinungsseiten Ihrer Zeitung machen, aber nicht in den Nachrichtenseiten. Sie haben ja die Kolleginnen und Kollegen hinter sich, die gerade lernen, wie man Nachrichten schreibt. Das ist dann vielleicht ein gutes Beispiel dafür, wo man zwischen Meinung und Nachricht trennen sollte.

Frage

Herr Hebestreit, vielleicht auch Frau Deschauer, hat die Bundesregierung denn den Haftbefehlsantrag von Herrn Khan und den zugrunde liegenden Expertenbericht gelesen? Sie haben gerade von Gleichsetzung gesprochen. Wenn man das alles liest ‑ das ist ja jetzt nicht so lang ‑, dann werden ja Israel und die Hamas in keiner Weise irgendwie gleichgestellt, sondern hier handelt es sich ja um unterschiedliche Tatvorwürfe.

Hebestreit (BReg)

Dann kann ich das genau interpretieren. Der Unterschied oder die Gleichsetzung ist, dass der Chefankläger ein CNN-Interview dafür gewählt hat und in einem Atemzug die Beantragung der Haftbefehle sowohl gegen drei Hamas-Führer als auch gegen den israelischen Premierminister und den israelischen Verteidigungsminister geäußert hat. Insofern ist es eine zeitliche Gleichsetzung und natürlich eine semantische Gleichsetzung, auch wenn Sie völlig zu Recht auf die Unterschiede verweisen, was die Vorwürfe angeht. Auch da hilft ja eine sehr differenzierte Berichterstattung, in der das in Teilen auch sehr deutlich herausgearbeitet wurde, in anderen nicht ganz so.

Zusatzfrage

Ich habe noch eine Frage an Frau Deschauer. Wir haben ja hier seit Monaten auch über die mangelhaften Hilfslieferungen, die Gaza erreichen, diskutiert. Sie haben sich auch immer wieder geäußert. Der Hauptanklagepunkt ‑ so nenne ich das einmal ‑ von Herrn Khan bezüglich Netanjahu und Gallant ist ja das Aushungern als Methode der Kriegsführung. Kommt das der Kritik der Bundesregierung an den israelischen Handlungen in Sachen Hilfslieferungen nahe?

Deschauer (AA)

Vielen Dank. Ich gehe auch noch einmal auf den ersten Teil Ihrer Frage ein, die ja auch an mich adressiert ist. In dem Sinne würde ich ebenfalls die detaillierte Lektüre der Presseerklärung des Auswärtigen Amtes von Montag noch einmal ans Herz legen. Dort haben wir nämlich auch herausgestellt, dass es, wie der Regierungssprecher hervorgehoben hat, um die gleichzeitige Beantragung der Haftbefehle geht. Aber wir führen dort auch weiter aus, dass dadurch ein unzutreffender Eindruck der Gleichsetzung entstanden sein könnte und ‑ ich glaube, das ist der entscheidende Punkt ‑ dass das Gericht nun sehr unterschiedliche Sachverhalte zu bewerten haben wird, die der Chefankläger in seinem Antrag auch ausführlich dargestellt hat. Insofern können Sie davon ausgehen, dass die Bundesregierung selbstverständlich entsprechende Dokumente und Unterlagen umfänglich studiert, anschaut und differenziert in mündlicher wie schriftlicher Form bewertet.

Auch zu Ihrer zweiten Frage kann ich noch einmal darauf hinweisen, wie der Regierungssprecher es eben schon getan hat: Der Chefankläger wirft ja jetzt gerade mit dem Antrag, den er gestellt hat, die Frage der Völkerrechtskonformität auf, die unter anderem auch in den von Ihnen benannten Hinweisen gründet. Ich kann dazu sagen, dass natürlich auch im nächsten Schritt, wie der Regierungssprecher bereits erwähnt hat, auch diese Vorwürfe nun zunächst erst einmal Gegenstand einer unabhängigen Verfahrenskammer ‑ Vorverfahrenskammer heißt das präzise ‑ des IStGH ist, die sich dazu verhalten muss, um dann zu entscheiden, ob ein entsprechender Haftbefehl erlassen wird.

Inhaltlich, um das zu ergänzen, hat die Bundesregierung immer deutlich gemacht, dass viel mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineingelassen werden muss, und wir fordern das gerade in der aktuellen, sehr schwierigen Lage mit großem Nachdruck und Dringlichkeit. Das gilt insbesondere natürlich auch für die Lage im Norden Gazas. Wir fordern, dass die Grenzübergänge, die lebenswichtig sind, wieder geöffnet werden und entsprechend genügend humanitäre Hilfe in die Gebiete hineingelangt.

Frage

Ich habe eine Frage sowohl an Herrn Hebestreit als auch an Frau Deschauer: Wird sich die Bundesregierung auf jeden Fall an die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs halten und diese Entscheidung umsetzen?

Hebestreit (BReg)

Wie Sie so schön formuliert haben, ist das eine hypothetische Frage. Deshalb gehe ich einen halben Schritt zurück und sage: Grundsätzlich sind wir Unterstützer des Internationalen Strafgerichtshofes, und dabei bleibt es auch.

Zusatzfrage

Zur grundsätzlichen Unterstützung gehört ja, wenn ich noch einmal nachfragen darf, dass man Urteile des Internationalen Strafgerichtshofs dann auch ernst nimmt und umsetzt. Meine Frage war jetzt gar keine hypothetische ‑ ich habe extra keine Namen genannt ‑, sondern, ob sich die Bundesregierung an das hält, was der Internationale Strafgerichtshof entscheidet.

Hebestreit (BReg)

Ich dachte, ich hätte durch meine normative Setzung die Frage beantwortet.

Zuruf

Nein.

Hebestreit (BReg)

Ansonsten, wenn Sie noch Fragen haben: Natürlich.

Zusatzfrage

Es wird also umgesetzt?

Hebestreit (BReg)

Ja, wir halten uns an Recht und Gesetz.

Frage

Ich würde auch ganz gerne noch einmal zu den Verfahren in Sachen Internationaler Strafgerichtshof nachfragen. Aus welchem Grundsatz leiten Sie die Positionierung, dass man es nicht für besonders klug hält, diese beiden Anträge gleichzeitig zu stellen, eigentlich ab? Wenn man jetzt eben von dem völkerrechtlichen oder überhaupt dem ganz allgemeinen juristischen Grundsatz ausgeht, dass eine Schuld immer individuell ist und dass es immer darum geht ‑ ‑ ‑ Justitia ist in dem Sinne ja blind! Wenn sich also jemand einer Straftat schuldig gemacht hat, warum sollte man dann nicht einen Haftbefehl beantragen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen? Woher kommt es also, dass man sagt, dass diese Parallelität irgendwie die Glaubwürdigkeit des Vorgehens durch den Chefankläger erschüttert? Ist das jetzt eine juristische oder eher eine politische Frage?

Wenn Sie mir erlauben, frage ich noch nach dem anderen Verfahren, das ja auch noch vor dem Internationalen Gerichtshof läuft. Erschüttert das, was jetzt vor dem IStGH passiert, in irgendeiner Weise die Absicht Deutschlands, beizutreten und auch eine Stellungnahme in dem Genozidverfahren abzugeben, das Südafrika angestrengt hat und über das ja auch in der vergangenen Woche noch einmal mündlich verhandelt wurde?

Hebestreit (BReg)

Vielleicht kann ich das ein bisschen auseinanderdröseln.

Das Erste ist, dass ich glaube: Daran, dass wir von einer erschütterten Glaubwürdigkeit gesprochen hätten, kann ich mich weder im Namen des Bundeskanzlers noch der Außenministerin erinnern. Was wir zu der Gleichsetzung gesagt haben und was wir meinen, ist, dass der politische Anschein, der erweckt wird ‑ auch über Berichterstattungen, in denen Teile weggelassen werden; natürlich nicht in Deutschland, aber in anderen, ausländischen Ländern ‑, ist, dass man das gleichsetzt, nach dem Motto: Das ist ein gleich gerichteter Konflikt. Dann haben wir zwei Konfliktparteien. Wir beantragen am gleichen Tag mit der scheinbar gleichen Begründung Haftbefehle, und das Ganze äußern wir auch noch in einem Interview, statt in einem ordentlichen Verfahren, wie sich das eigentlich gehört. – Das ist der Teil, an dem wir Kritik üben.

Alles Weitere ‑ ‑ ‑

Zuruf

Das ist aber politisch, nicht juristisch, sondern es ist eher ‑ ‑ ‑

Hebestreit (BReg)

Nein, das ist eine politische Wertung dessen. Der Chefankläger ist selbstständig, er ist unabhängig. Eigentlich waren auch „fact-finding missions“ in einzelnen Ländern geplant. Er hat sich jetzt entschieden, anders vorzugehen. Das ist sein gutes Recht. Genauso gibt es Verwaltungsverfahren ‑ in dem Fall ist es das vor dem Internationalen Strafgerichtshof und der zuständigen Kammer ‑, um zu prüfen, ob die die Belege, die er vorlegt, und ob der Antrag, den er stellt, gerechtfertigt sind, sowohl für die drei Führer der Terrororganisation Hamas als auch für die beiden Vertreter der israelischen Regierung. Das muss man abwarten, und dazu haben wir uns erst einmal gar nicht zu äußern.

Zu Südafrika: Da muss man einmal etwas unterscheiden. Der Internationalen Strafgerichtshof prüft individuelle Straftaten, auch gegen Staatenlenker, während der Internationale Gerichtshof eine Institution der Vereinten Nationen ist. Wenn ich es richtig überschaue, ist „Genozid“ auch nicht in den Klagepunkten, die vor dem Internationalen Strafgerichtshof gegen den israelischen Premier geäußert wurden, enthalten, und insofern kann ich da keine Verbindung erkennen.

Frage

Frau Deschauer, immer mehr Staaten erkennen Palästina als Staat an, unter ihnen jetzt Spanien, Norwegen und Irland. Das sind EU-Staaten. Was muss passieren, bevor die Bundesregierung den palästinensischen Staat anerkennt?

Deschauer (AA)

Vielen Dank. Wir haben uns in der Vergangenheit auch schon hierzu geäußert, aber ich mache das sehr gerne noch einmal in aller Deutlichkeit. Ein eigenständiger Staat Palästina bleibt festes Ziel deutscher Außenpolitik; denn allein ein eigener Staat im Sinne einer Zweistaatenlösung ermöglicht sowohl Palästinenserinnen und Palästinensern als auch Israelis ein Leben Seite an Seite in Frieden und Sicherheit. Es ist klar, dass auf diesem Wege ein Prozess des Dialogs und der Verhandlung ‑ deswegen heißt die Zielrichtung ja auch „verhandelte Zweistaatenlösung“ ‑ notwendig und dringlicher denn je ist. Für die Bundesregierung ist klar, dass wir bereits seit Langem den Aufbau von palästinensischen Institutionen, die dann später staatliche Funktionen übernehmen können sollen, unterstützen. Das sieht zum Beispiel die Stärkung der palästinensischen Behörde vor, zum Beispiel durch Reformen. Es geht also um einen politischen Prozess mit dem Ziel einer Zweistaatenlösung, den die Bundesregierung für dringlich hält.

Zusatzfrage

Glauben Sie, dass Israel weiterhin eine Zweistaatenlösung haben möchte?

Deschauer (AA)

Ich glaube, dass es nicht darum geht, was ich persönlich glaube, sondern ‑ ‑ ‑

Zuruf

Ihre Einschätzung! Sie bzw. das Auswärtige Amt sind ja zuständig. Deswegen frage ich ja.

Deschauer (AA)

Das ist völlig richtig. Wir sehen keine Alternative und auch keine Alternative für ein friedliches Zusammenleben von Palästinensern und Israelis. Darum geht es ja, dass wir eine Lösung für den dramatischen Konflikt finden. Auf diesem Wege sind wir natürlich bemüht und bestrebt, alles dafür zu tun, dass ein solcher Prozess des Dialogs, so fern er auch im Moment gerade zu sein erscheinen mag ‑ das muss ich hier natürlich auch deutlich dazusagen ‑, weiter am Leben gehalten wird und die Chance eine Realisierung hat.

Frage

Sie haben ja gerade noch einmal deutlich gemacht, dass auch Sie die Zweistaatenlösung anstreben. Jetzt sagt ja der Premier von Irland, dass man Palästina anerkenne, sei sozusagen auch ein Ausdruck dessen, dass man eben diese Zweistaatenlösung unterstützt. Was sagen Sie denn zu diesem Argument?

Deschauer (AA)

Ich glaube, ich habe die öffentlichen Äußerungen von Vertretern anderer Regierungen zu ihrer eigenen Position in der Form nicht zu kommentieren, sondern ich verweise jetzt noch einmal darauf, wie es die Bundesregierung sieht: Es geht darum, dass sich im Rahmen eines politischen Prozesses natürlich ebenfalls auch die Frage einer Anerkennung stellen wird und das zu einer Zweistaatenlösung führen soll.

Zusatzfrage

Aber die Frage ist ja: Ist die Anerkennung die Folge dieses Prozesses oder die Voraussetzung für diesen Prozess? Was sagen Sie zu dem Argument, dass das eben eine Voraussetzung sein kann?

Deschauer (AA)

Ich glaube, wir haben uns hier schon mehrfach so geäußert, dass das im Rahmen eines solchen Prozesses vonstattengehen soll, und die Bundesregierung unterstreicht diese Haltung noch einmal.

Frage

Ich frage auch noch einmal nach dem Themenkomplex, weil die Außenministerin ja auch immer wieder betont, wie wichtig eine Einigkeit Europas in diesen Fragen ist, und das sind ja nun ganz wichtige europäische Partner von Deutschland, die das auch fordern oder Palästina offiziell anerkennen wollen. Wird das denn auch so gewertet, dass das jetzt ein Momentum ist, das eventuell in diese ja doch, sagen wir einmal, wie Sie auch sagten, recht ferne Option neuen Wind bringen kann, auch angesichts der Situation, dass die Siedlertätigkeiten im Westjordanland etc. ja voranschreiten? Alles aus Israel spricht gegen eine Zweistaatenlösung. Sehen Sie das also doch auch als ein besonderes Momentum an, das eventuell auch die Position der Bundesregierung und der Außenministerin in dieser Hinsicht verändern könnte?

Deschauer (AA)

Ich glaube, jedes Land ‑ Sie sprechen von den europäischen Mitgliedstaaten ‑ trifft seine Positionierung eigenständig und äußert sich entsprechend auch eigenständig in dieser Sache. Sie können davon ausgehen, dass die aktuelle Diskussion ein Ausdruck dessen ist, dass das Thema bzw. die Frage im Kreise der Mitgliedstaaten auch der Europäischen Union mit dem Ziel einer Zweistaatenlösung natürlich quasi eng begleitet und besprochen wird. Auf diesem Wege gibt es natürlich einen intensiven Austausch, und die Positionierungen ‑ das kann man nicht verhehlen ‑ unterscheiden sich etwas voneinander. Aber in der Gesamtgemengelage eint das gemeinsame Ziel einer friedlichen Lösung für die aktuell schwierige Lage im Nahostkonflikt die europäischen Mitgliedstaaten.

[…]

Frage

Ich würde gerne noch einmal nach den Reaktionen der Leute fragen, gegen die jetzt ein Haftbefehl beantragt wurde. Die Hamas hat sich ja empört bezüglich Khan gezeigt. Herr Hebestreit, die Bundesregierung hat ja wahrscheinlich mitbekommen, wie Herr Netanjahu auf den Haftbefehlsantrag reagiert hat. Es heißt, dass Herr Netanjahu meinte, Khan sei einer der größten Antisemiten der Welt, weil er das jetzt mache, und er hat einen Vergleich angestellt und hat Khan mit Nazirichtern im Dritten Reich verglichen. Wie bewertet die Bundesregierung solche Vergleiche?

Hebestreit (BReg)

Einen solchen Vergleich lehnt die Bundesregierung selbstverständlich ab. Ansonsten bewerten wir die Wortbeiträge auch befreundeter ausländischer Staats- und Regierungschefs in der Regel gar nicht. Aber in diesem Fall können Sie sich denken, dass wir einen solchen Vergleich ablehnen.

Zusatzfrage

Herr Hebestreit, Frau Deschauer, wie bewerten Sie die jetzt öffentlich geäußerten Pläne aus Washington, gegen den Internationalen Strafgerichtshof vorzugeben? Es wird ja jetzt überlegt, Den Haag zu sanktionieren, noch mehr zu machen. Diese Drohgebärden gegenüber einer so wichtigen internationalen Organisation, gehen Sie da mit?

Hebestreit (BReg)

Die Vereinigten Staaten gehören zu den Staaten, die den Internationalen Strafgerichtshof bisher nicht anerkannt haben. Wir haben ihn von Anfang an anerkannt und unterstützt. Insofern stehen wir auch zu diesem Internationalen Strafgerichtshof.

Frage

Noch einmal zur Frage des Haftbefehls: Die israelische Regierung hat jetzt gefordert, dass westliche Staaten ‑ sie spricht von zivilisierter Welt ‑ jetzt ausschließen sollen, einen möglichen Haftbefehl gegen Netanjahu zu vollstrecken.

Deswegen die Frage andersherum: Gehen Sie auf diese Forderung der israelischen Regierung ein, jetzt eine Vollstreckung eines Haftbefehles auszuschließen?

Hebestreit (BReg)

Da müsste ich ja schon von meiner grundsätzlichen Haltung, dass ich mich auf hypothetische Fragen nicht einlasse, abweichen, und das tue ich ungern. Insofern mache ich auch in diesem Fall keine Ausnahme.

Zusatz

Aber das war gar keine hypothetische Frage. Ich hatte extra gesagt, dass Israel fordert, dass man jetzt, also nicht dann, wenn der Haftbefehl vollstreckt wird, ‑

Hebestreit (BReg)

Und was war dann der nächste Halbsatz? Das war die Hypothese.

Zusatz

‑ ausschließen soll, einen möglichen Haftbefehl zu vollstrecken. Das ist nicht hypothetisch, sondern das ist die Forderung, ‑ ‑ ‑

Hebestreit (BReg)

Wenn es einen solchen Haftbefehl geben würde! Aber geschenkt. Die Haltung habe ich, glaube ich, grundlegend dargelegt, und dazu würde ich jetzt auch nichts weiter ergänzen. Lesen Sie noch einmal nach, was ich schon gesagt habe!

Frage

Ich möchte gern auf das Thema der zwei Staaten zurückkommen bzw. auf die präzise Zusammenfassung der Haltung verschiedener Regierung durch Frau Deschauer. Weil das so ist, wie es seit Schröder, Merkel und jetzt Scholz ist, dass alle immer gesagt haben: „Zwei Staaten!“, mit verschiedenen Differenzierungen, ist dann ein Votum der Regierung, der Außenministerin und des Kanzlers, denkbar: „Ja, mit Auflagen“ oder „Ja, aber“? Denn es ist ja nur noch eine Bedingung als Ergänzung zu Ihrer Aufzählung fällig, und dann könnte es so kommen. Ist so etwas denkbar?

Hebestreit (BReg)

Ich verstehe Ihren Ansatz. Aber der Nahostkonflikt beschäftigt die Welt schon sehr lange Zeit. Immer wieder gab es Situationen, in denen es besser lief. Anfang der 90er-Jahre war man einer Zweistaatenlösung so nah wie nie. Im Augenblick sind wir dieser Zweistaatenlösung ‑ das hat Frau Deschauer schon deutlich gesagt ‑ fern.

Gleichwohl ist es unserer Überzeugung nach der einzige gangbare Weg, die einzige Lösung für diesen Konflikt, so langwierig das auch noch sein mag. Dafür würde ich jetzt nicht einzelne Bedingungen formulieren oder als gegeben ansehen, sondern wir sehen, dass am Ende eine ausgehandelte Lösung, die von allen Seiten akzeptiert wird, das einzige ist, was diesen schwerwiegenden und seit über 70 Jahren schwelenden Konflikt befrieden kann. Das wird vieles diplomatischen Geschicks und wahrscheinlich auch vieler Zeit bedürfen. Wir sind mit allen Beteiligten intensiv im Gespräch, als einer der engsten Freunde und Freundinnen Israels natürlich auch mit der israelischen Regierung, so kompliziert das manchmal ist, auch mit den Freunden in Israel, aber genauso mit den Freundinnen und Freunden in der arabischen Welt.

Dafür gibt es keine Abkürzung. Die Hoffnung, dass sich dieser schwierige Konflikt durch eine diplomatische Maßnahme, durch eine Entscheidung plötzlich in Luft auflöst, sollte niemand haben. Insofern bleibt die deutsche Regierung bei ihrer Position, die das Ziel einer ausgehandelte Zweistaatenlösung hat, an deren Ende die Akzeptanz ist, dass es einen eigenen palästinensischen Staat gibt.

Zusatzfrage

Aber Sie zensieren Irland, Norwegen und Spanien gar nicht oder in gewisser Weise, oder lehnen Sie das ab? Irgendetwas, so glaubt man, müsste die Bundesregierung zum Schritt dieser drei Länder doch sagen.

Hebestreit (BReg)

Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Haltung und ist in ihrer Haltung sehr klar.

Frage

Frau Deschauer, gibt es schon einen zeitlichen Rahmen dafür, wann die Stellungnahme Deutschlands für den IGH im Genozidverfahren Südafrikas gegen Israel vorliegen wird?

Deschauer (AA)

Wir sind, denke ich, noch an der Stelle in diesem Verfahren, dass die Hauptverhandlung begonnen hat, eröffnet vom IGH. Sie befindet sich im sogenannten Schriftsatzverfahren. Das betrifft die Verfahrensbeteiligten, indem beide Parteien, also Israel und Südafrika, nacheinander ihre Schriftsätze und Argumentationen darlegen.

Ich kann Ihnen keine zeitliche Prognose abgeben. Aber dass das einen gewissen Moment dauert, weil das sicherlich sehr gut durchdachte, begründete und auch nicht schmale Schriftstücke sein werden, muss ich annehmen. Insofern kann ich Ihnen für die Dauer des Folgeverfahrens noch keine zeitliche Prognose abgeben.

Frage

Zum Verständnis, Herr Hebestreit, wegen der zeitlichen Schiene und, dass es gleichzeitig passiert ist; das war ja die Kritik. Wie viel Abstand hätten Sie sich zwischen den beiden Haftbefehlsanträgen denn gewünscht, sodass es nicht zu diesem potenziellen Eindruck gekommen wäre?

Hebestreit (BReg)

Ich denke nicht, dass ich jetzt einen Zeitpunkt zu nennen oder einen Rat zu geben habe. Schon allein dass dieser Eindruck entstanden ist, sollte diejenigen bekümmern, die diesen Eindruck erweckt haben. In künftigen Fällen sollten sie das berücksichtigen.

Zusatz

Die Kritik kommt von den Israelis, den Amerikanern usw., die das kritisieren und als ‑ ‑ ‑

Hebestreit (BReg)

Wir kritisieren das auch, als Gleichsetzung! Das habe ich schon am Anfang dieser Pressekonferenz getan.

Zusatz

Genau! Aber dann müssten Sie ja vielleicht einmal sagen, wie man es denn hätte besser machen können. Denn Sie kritisieren ja nicht erst einmal in der Sache. Darum: Hätten Sie es sich gewünscht, ‑

Hebestreit (BReg)

Davon haben wir uns ja gar nicht ‑ ‑ ‑

Zusatz

‑ dass das an zwei verschiedenen ‑

Hebestreit (BReg)

Herr Kollege!

Zusatzfrage

Darf ich ausreden?

Hebestreit (BReg)

Aber klar!

Zusatzfrage

‑ dass das an zwei verschiedenen Tagen passiert, in unterschiedlichen Wochen, in einem anderen Monat, wenn schon am selben Tag, dann das eine morgens und das andere abends? Wie sollen wir denn verstehen, was die Kritik Ihrerseits ist?

Hebestreit (BReg)

Mich wundert, dass es so schwer verständlich sein soll. Ich werde Ihnen ‑ das hatte ich schon gesagt ‑ jetzt keinen Zeitpunkt nennen. Aber es ist doch offensichtlich, dass es keine ausreichende Differenzierung ist, wenn der Chefankläger in einem Interview im gleichen Atemzug diejenigen nennt, gegen die er Haftbefehle ausstellt. Alles andere kann man dann diskutieren.

Wichtig ist ‑ das haben Sie dankenswerterweise sehr konkret gemacht ‑, dass die Gründe, die für die unterschiedlichen Haftbefehle dargelegt wurden, sehr differenziert sind. Aber der Eindruck, der erweckt worden ist, und auch die Nachricht, die damit produziert worden ist, scheinen mir kein Versehen gewesen zu sein.

[…]

Lage in Syrien

Frage

Südafrika hat es geschafft, dass es vor dem Internationalen Strafgerichtshof um eine Verhaftung von Netanjahu geht. Ich weiß nicht, ob die Bundesregierung versuchen kann, vielleicht auch gegen Baschar al-Assad, den Diktator, eine solche internationale Verhaftung zu erwirken. Er hat mehr als eine Million Menschen getötet, mehr als zwölf Millionen sind auf der Flucht, und Tausende Menschen verschwinden.

Deschauer (AA)

Wir sind jetzt, glaube ich, in einem anderen Länderkontext.

Zusatzfrage

Kann Putin nicht auch irgendwo ‑ ‑ ‑

Vorsitzende Wefers

Ich glaube, wir haben die Frage verstanden.

Deschauer (AA)

Die Bundesregierung, auch wenn das leider nicht tagtäglich die Schlagzeilen dominiert, ist natürlich weiterhin sehr besorgt und verfolgt die Menschenrechtslage und die humanitäre Lage in Syrien sehr eng.

Zu Ihrer spezifischen Frage habe ich Ihnen heute nichts anzukündigen. Ich würde dann gegebenenfalls noch einmal etwas nachreichen, sollte das notwendig sein. Aber seien Sie sicher, dass die Bundesregierung natürlich weiter an der Seite der Menschen in Syrien steht, die von dem Regime dort natürlich auch weiter unterdrückt werden. Wir sind regional natürlich wichtige Unterstützer bzw. Geber humanitärer Hilfe.

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